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Abtreibung: Schwache muss man schützen

Die schleichende Normalisierung der Tötung löst keine Probleme. Viele finden, Kranke, Schwache und Kleine seien weniger wert.

17.09.2020 | Stand 16.09.2023, 4:41 Uhr
Adam Franke
Der Autor Dr. med. Adam Franke ist Vorsitzender des Ärzte für das Leben e.V. −Foto: Franke/Franke

Neulich debattierte ich in großer Runde über die betriebliche Umsetzung der Covid-19 Schutzmaßnahmen für ältere Mitarbeiter und Risikogruppen. Zum Schluss konstatierte ein Verantwortungsträger, dass Corona im Zeitalter des Klimawandels durch die Übersterblichkeit einen „reinigenden“ Effekt auf die Gesellschaft haben könnte, „so hart dies auch klingen mag“. Kein Widerspruch bei den Anwesenden.

Auch wenn es keiner offen zugibt, herrscht doch bei vielen die sozialdarwinistische Vorstellung, das Leben von Kranken, Schwachen und Kleinen sei weniger wert als das von Gesunden und Starken. Und so überrascht es nicht, dass die Mehrheit der im August 2020 Befragten die Frage, ob Abtreibung grundsätzlich in Ordnung ist, bejahen.Sogar 70 Prozent der belgischen Ärzten gaben an, bei Neugeborenen mit schweren aber nicht tödlichen Erkrankungen die Gabe eines tödlichen Medikaments einer Palliativversorgung vorzuziehen.

In Universitätskliniken werden fast ausschließlich Spätabtreibungen durchgeführt.

Wohlgemerkt: Nicht alle Ärzte, die die Abtreibung generell akzeptieren, sind auch bereit, diese selbst durchzuführen. Viele wollen ihr Image und das Vertrauen ihrer Patientinnen und der Bevölkerung nicht aufs Spiel setzen. Auch darum hat die Sozialministerin in Baden-Württemberg, Bärbel Mielich (Grüne), im Juli 2020 den Vorschlag gemacht, die Anstellung der Ärzteschaft in einer Universitätsklinik von der Bereitschaft abhängig zu machen, Abtreibungen durchzuführen.

In Universitätskliniken werden fast ausschließlich Spätabtreibungen durchgeführt. Zwar wurde der Vorschlag nach allgemeiner Kritik zurückgezogen. Vom Tisch ist er aber nicht. Die Bundesärztekammer möchte auch ihren Beitrag zur „Lösung des Mangels“ an abtreibenden Ärzten leisten. So sollen sich Medizinstudenten auch praktisch und nicht wie bisher rein theoretisch mit dem Thema befassen.

Mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginnt das Leben eines neuen und einzigartigen Menschen.

Mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginnt das Leben eines neuen und einzigartigen Menschen. Alle Informationen sind bereits da und müssen sich nur entfalten. Das ist kein religiöses Dogma, sondern eine biologische Tatsache. Die kleinen und schwachen Menschen sind auf unseren Schutz angewiesen. Die schleichende Normalisierung der Tötung löst keine Probleme, weder individuell noch gesamtgesellschaftlich. Auch dann und erst recht nicht, wenn der der tötet, einen weißen Kittel trägt.

Die Außenansicht gibt die subjektive Meinung des Autors wieder und nicht unbedingt die der Redaktion.