Exklusiv
CDU-Vize Linnemann zu Gasumlage: „Erhard würde sich im Grab umdrehen“

25.08.2022 | Stand 25.08.2022, 10:13 Uhr
Carsten Linnemann, stellvertretender CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender. −Foto: dpa

Der CDU-Vize Carsten Linnemann hat die geplante Gasumlage der Ampel-Koalition scharf kritisiert. Er sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern: „Ludwig Erhard würde sich im Grab umdrehen. Das hat mit Sozialer Marktwirtschaft nicht mehr viel zu tun.“



Herr Linnemann, die Ampel hat beschlossen, dass die Mehrwertsteuer auf Gas gesenkt wird, auch die kalte Progression soll ausgeglichen werden. Beides Forderungen der Union. So links ist diese Regierung gar nicht.

Linnemann:Die Union hätte genau diese Punkte umgesetzt, ja. Aber wir hätten nicht auch den Konzernen, die hohe Gewinne machen, Milliarden hinterhergeworfen. 3,5 Milliarden Euro werden dafür aus der Gasumlage genommen. Die Konzerne sollten wie seinerzeit die Lufthansa in der Corona-Krise das Geld zurückzahlen müssen. VNG, zweitgrößter Gas-Anbieter nach Uniper, bekommt wegen seiner Verluste einen großen Batzen aus der Umlage. Der Mutterkonzern EnBW hat aber im ersten Halbjahr mehr als eine Milliarde Euro Gewinn gemacht. 90 Prozent der Anteile von EnBW gehören übrigens der öffentlichen Hand. Die Gasumlage maximiert in diesem Fall den Gewinn eines quasi-staatlichen Unternehmens. Ludwig Erhard würde sich im Grab umdrehen. Das hat mit Sozialer Marktwirtschaft nicht mehr viel zu tun.

Sie sind für die Laufzeitverlängerung als Union. Stellt sich die Kernkraftfrage heute generell neu?

Linnemann:Wir als CDU dürfen nicht sagen, dass es nie wieder Kernkraft in Deutschland geben soll. Wir sollten diese Frage offenlassen. Wir wissen doch heute nicht, zu welchen Entdeckungen die Wissenschaft noch in der Lage ist. Deutschland muss technologieoffen bleiben. Keine Vorfestlegungen, wie etwa de facto beim Thema Elektromobilität geschehen.

Sie vertraten lange den Mittelstand in ihrer Partei. Werfen Sie sich vor, die Abhängigkeit beim Gas von nur einem Energielieferanten nicht erkannt zu haben, als Sie an der Regierung waren?

Linnemann:Ja. Ich habe als Volkswirt zu lange geglaubt, dass Handel zwischen Ländern das beste Rezept gegen kriegerische Auseinandersetzungen ist. Der Freihandel hat allen geholfen, ich dachte, er wäre ein Friedensstifter. Aber das war ein Irrtum. Wir brauchen in Zukunft deshalb einen Handel, der sich politischer aufstellt. Einen Markt der Freiheit zwischen Staaten, die Demokratien sind und die ähnliche Werte teilen. Mit ihnen müssen wir enger Handel treiben, Freihandelszonen schaffen, in der Hoffnung, dass andere auf den Zug aufspringen.