Streit um Dorfabriss Faktencheck: Wird die Braunkohle unter Lützerath überhaupt benötigt?

Es geht um Braunkohle und die Frage, ob sie gebraucht wird, um Versorgungssicherheit zu garantieren. Die NRW-Landesregierung und der Energiekonzern RWE sagen ja - Klimaaktivisten nein. Was stimmt?
Seit Wochen steht der Ort Lützerath im Rheinland unter großer Beobachtung, der Energiekonzern RWE will die darunter liegende Braunkohle abbauen. Ob diese tatsächlich dringend benötigt wird, ist schwierig zu sagen.
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RWE erachtet die Braunkohle unter Lützerath als notwendig, um die Versorgungssicherheit mit Energie zu gewährleisten. Doch dazu gibt es widersprüchliche Untersuchungen.
Kurzstudie hilft Klimaaktivisten
Zur Faktenlage: Die in Lützerath protestierenden Klimaaktivisten verweisen auf eine wissenschaftliche Untersuchung: Die Kurzstudie von August 2022 beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern eine mögliche Gasknappheit Auswirkungen auf den maximal anzunehmenden Kohlebedarf hat und welche voraussichtliche Fördermenge dem gegenübersteht. Verfasst haben sie Forscherinnen und Forscher der Europa-Universität Flensburg, der Technischen Universität Berlin und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Braunkohlemengen im aktuell für RWE genehmigten Abbaugebiet ausreichen - sogar dann, wenn von 2025 an der Kohleverbrauch noch einmal deutlich steigen sollte. „Es gibt daher weder eine energiewirtschaftliche Notwendigkeit noch eine klimapolitische Rechtfertigung für die Inanspruchnahme noch bewohnter Dörfer am Tagebau Garzweiler II inklusive Lützerath“, heißt es.
Vorwurf: Lützerath sei für RWE profitabler
Dabei wurde der vorzeitige Kohleausstieg im Jahr 2030 berücksichtigt, der von CDU und Grünen in NRW im Koalitionsvertrag festgelegt wurde. Bis dahin bestehe ein Bedarf von 271 Millionen Tonnen Braunkohle im Rheinischen Revier. 300 Millionen Tonnen seien in den genehmigten Abbaubereichen Hambach und Garzweiler II bereits förderfähig. RWE bestehe auf den Abbau in Lützerath, weil sich die Kohle dort leichter und damit profitabler gewinnen lasse, sagen Aktivisten. Der Konzern bestreitet das.
Das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie Nordrhein-Westfalens hat ebenfalls ein Gutachten in Auftrag gegeben - und das kommt zu einem völlig anderen Schluss als das der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Flensburg und Berlin. In mehreren untersuchten Szenarien übersteige der künftige Bedarf die förderfähigen Braunkohlenvorräte, wenn Lützerath nicht abgebaggert werde. Laut dem Gutachten von September 2022 fehlten in jedem Fall mindestens 17 Millionen Tonnen Braunkohle. Insbesondere 2023 werde es infolge der Gasknappheit zu einer noch größeren Differenz kommen.
− dpa/lha
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