Corona-Gipfel Harter Lockdown wird verlängert
Kanzlerin und Ministerpräsidenten haben schärfere Corona-Maßnahmen beschlossen. Schulen und Kitas bleiben zu.

Regensburg.Wegen der immer noch hohen Corona-Infektionszahlen wird in Deutschland der Lockdown bis Ende Januar verlängert und verschärft. Darauf haben sich Bund und Länder bei ihren Beratungen am Dienstag in Berlin verständigt, wie aus ihrem Beschlusspapier hervorgeht.
Auf Menschen in Landkreisen mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen kommt eine drastische Beschränkung ihrer Bewegungsfreiheit zu. Ab einer 7-Tage-Inzidenz von über 200 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern sollen die Länder lokale Maßnahmen ergreifen, um den Bewegungsradius auf 15 Kilometer um den Wohnort zu begrenzen, sofern kein triftiger Grund vorliegt.
Die Kontaktbeschränkungen werden zudem verschärft. Künftig sind private Zusammenkünfte nur noch im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes und mit maximal einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person gestattet. Auch darauf haben sich Bund und Länder bei ihren Beratungen am Dienstag in Berlin verständigt.
Außerdem wird der Lockdown an Schulen und Kitas bis Ende Januar verlängert.
„Stay-at-home“-Anordnung
Nach einem Bericht des Wirtschaftsmagazins „Business Insider“ soll Merkel den Vorschlag zum Bewegungsradius am Montagabend in einer Vorbesprechung unterbreitet haben. Zuvor hatte in einer weiteren Runde auch nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur eine Expertin des Max-Planck-Instituts erklärt, dass es zur Senkung der Infektionszahlen „möglicherweise“ eine „Stay-at-home“-Anordnung beziehungsweise einen eingeschränkten maximal fünf Kilometer großen Bewegungsradius um den Wohnsitz brauche. Sinnvoll sei auch eine Reduktion der Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr auf 25 Prozent der Sitzplätze.
In Deutschland gab es einen eingeschränkten Bewegungsradius bisher nur in Sachsen. Hier dürfen sich die Bürger nur maximal 15 Kilometer von ihrem Wohnort entfernen, etwa um Sport zu treiben oder zum Einkauf.
Erfahrungen aus anderen Ländern
Andere europäische Staaten haben bereits Erfahrungen mit solchen Maßnahmen gesammelt. Allerdings waren und sind diese dort oft mit anderen Einschränkungen kombiniert worden – etwa einer nächtlichen Ausgangssperre – und teilweise auch deutlich strenger. So durften etwa die Menschen in Frankreich zeitweise nur mit triftigem Grund vor die Tür. Für Spaziergänge oder Sport galt eine Begrenzung von einer Stunde pro Tag in einem Radius von maximal einem Kilometer zur eigenen Wohnung. In Katalonien im Nordosten Spaniens war vergangene Woche angeordnet worden, dass die Menschen ihre eigene Gemeinde zehn Tage lang nur mit triftigem Grund verlassen dürfen, etwa um zur Arbeit zu fahren.
Seit dem 16. Dezember sind viele Geschäfte in Deutschland, aber auch die Schulen und Kitas dicht. Es gelten zudem strenge Beschränkungen etwa für private Treffen. Gaststätten, Kultur- und Freizeiteinrichtungen mussten bereits mehrere Wochen vorher schließen. Ziel der Maßnahmen ist es, Kontakte zwischen Menschen und damit Ansteckungen mit dem Coronavirus zu vermeiden.
Kantinen sollen schließen
Dafür sollen Betriebskantinen nach Möglichkeit geschlossen werden. Private Treffen sollen jetzt nur noch mit einer Person, die nicht zum eigenen Haushalt gehört, möglich sein. Das heißt etwa, dass sich zwei Paare nicht zum Essen verabreden und zwei Kinder nicht ein anderes Kind zuhause besuchen dürfen.
Um die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen gleichzeitig vor Covid-19 und vor Vereinsamung zu schützen, wollen Bund und Länder, dass Freiwillige vorübergehend in diesen Einrichtungen zur Verfügung stehen, um Personal und Besucher auf das Coronavirus zu testen. Wenn Eltern wegen der Schließung von Schule und Kita nicht zur Arbeit gehen können, soll zehn Tage zusätzlich Kinderkrankengeld gezahlt werden. Verschärft werden sollen die Bestimmungen für Einreisende aus Risikogebieten. Hier soll grundsätzlich bereits direkt zur Einreise ein Corona-Test gemacht werden.
Schulen und Kitas zu
Die meisten Schüler in Deutschland und auch viele Kita-Kinder werden in den nächsten drei Wochen zu Hause bleiben müssen. Schulen und Kindertagesstätten sollen bis mindestens Ende Januar weitestgehend geschlossen bleiben oder nur eingeschränkten Betrieb anbieten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder verständigten sich darauf, die seit Mitte Dezember in den Bundesländern geltenden Lockdown-Regeln für die Einrichtungen bis Monatsende zu verlängern. Bund und Länder vereinbarten vor dem Hintergrund der Einschränkungen an Schulen und Kitas außerdem, in diesem Jahr die Zahl der Kinderkrankentage für Eltern zu verdoppeln. Demnach soll sich jedes Elternteil in diesem Jahr 20 statt 10 Tage für das Kind krankschreiben lassen dürfen. Alleinerziehende bekommen 40 statt der üblichen 20 Kinderkrankentage.
Ausnahmen für Abschlussklassen möglich
„Der Betrieb von Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen hat höchste Bedeutung für die Bildung der Kinder und für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Eltern“, heißt es im gemeinsamen Beschlusspapier. Dennoch müssten die Maßnahmen entsprechend des letzten Beschlusses von Bund und Ländern vom 13. Dezember bis Ende Januar verlängert werden, heißt es weiter. Damals hatten Merkel und die Länderchefs ausdrücklich eine Ausnahmeregelung für Abschlussklassen bei geschlossenen Schulen vereinbart. Theoretisch könnten somit Klassen, die vor Prüfungen stehen, weiterhin in die Schule gehen. Das konkrete Vorgehen an Schulen und Kitas regeln die Länder wie immer selbst, weil es in ihre eigene Zuständigkeit fällt. So wurden etwa auch Kitas im bisherigen Lockdown nicht überall geschlossen. Stattdessen wurden Eltern gebeten, ihre Kinder nicht zu bringen.
An Bayerns Schulen wird es nach Ende der Weihnachtsferien keinen Präsenzunterricht geben. Das gab Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Dienstag bekannt. Es werde stattdessen zunächst bis Ende Januar Distanzunterricht sowie Notbetreuung geben, sagte Söder.
Die Kultusminister der Länder hatten bereits am Montag für die Schulen vereinbart, dass für den Fall einer Rückkehr zum Präsenzunterricht zuerst Grundschüler zum Zuge kommen und danach schrittweise die älteren Jahrgänge.
Mehrheit der Deutschen für längeren Lockdown
Eine große Mehrheit der Deutschen ist für eine Verlängerung des Lockdowns zur Eindämmung der Corona-Pandemie. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sprachen sich fast zwei Drittel der Befragten dafür aus, die Einschränkungen mindestens in der bisherigen Härte über den 10. Januar hinaus fortzuführen. 41 Prozent sind für eine unveränderte Beibehaltung, weitere 24 Prozent sogar für eine Verschärfung. Dagegen befürworten nur 17 Prozent eine Lockerung des Lockdowns und nur jeder Zehnte (11 Prozent) ist für eine komplette Aufhebung aller Einschränkungen.
Weiteres Thema der Bund-Länder-Runde waren die Impfungen. Die sind bisher nur bestimmten Gruppen zugänglich, etwa sehr alten Menschen. Strittig ist nach wie vor die Frage, wer die Verantwortung für den schleppenden Start der Covid-19-Impfungen in Deutschland trägt und wie da mehr Tempo gemacht werden kann. „Es ist entscheidend, dass Deutschland ausreichend Impfstoff zur Verfügung hat und die Impfungen koordiniert, zügig und konsequent ablaufen“, sagte der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck. „Die Produktionskapazitäten und die verfügbare Impfstoffmenge müssen schnellstmöglich erhöht werden, die Abwicklung muss laufen.“
Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen sagte: „Unabhängig davon, wie man zur Corona-Impfung steht, sollte jeder Bürger die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen.“ Die Bundesregierung habe bei der frühzeitigen Beschaffung einer ausreichenden Menge von Impfstoff versagt. Auch in anderen europäischen Staaten müssen sich Regierungsverantwortliche aktuell kritische Fragen zu ihrer Strategie für die Beschaffung und Verabreichung der Impfstoffe gegen Covid-19 gefallen lassen.
Darüber, wie es ab dem 1. Februar weitergehen soll, wollen die Kanzlerin und die Regierungschefs der Länder am 25. Januar beraten.
Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut (RKI) 11 897 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet. Außerdem wurden 944 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet.
Glückwünsche an Markus Söder
Zum Auftakt der mit Spannung erwarteten Bund-Länder-Beratungen hat Kanzlerin Merkel zunächst Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zu dessen 54. Geburtstag gratuliert. Was gebe es Schöneres, als sich an einem solchen Tag im Kanzleramt aufzuhalten, sagte Merkel am Dienstagnachmittag bei ihrer Begrüßung nach Angaben von Sitzungsteilnehmern zum CSU-Chef.
Söder wurde am 5. Januar 1967 in Nürnberg geboren. (dpa/am)
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