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SPD-Außenpolitiker Roth: „Feministische Außenpolitik vor allem Männerangelegenheit“

21.02.2023 | Stand 15.09.2023, 1:30 Uhr

„Wir wollen doch nicht das Patriarchat durch das Matriarchat ersetzen“, sagt Michael Roth. −F.: dpa

Die Leitlinien für feministische Außenpolitik werden am 1. März vorgestellt, der „Spiegel“ zitierte vorab, dass es hierfür eine Botschafterin geben soll. Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, erklärt, warum er das Thema besonders für Männer wichtig hält.



Warum ist feministische Außenpolitik so ein Kampfbegriff?

Michael Roth:Wenn ich das wüsste. Ich rate meinen Geschlechtsgenossen, mal zwei Gänge runterzufahren. Wir wollen doch nicht das Patriarchat durch das Matriarchat ersetzen, sondern einfach eine bessere Politik auf den Weg bringen. Dafür ist es wichtig, die Interessen von Männern und Frauen gleichermaßen zu berücksichtigen. Bei der feministischen Außenpolitik geht es um drei Prinzipien: Rechte, Repräsentation, Ressourcen. Das sollte ohne Schaum vorm Mund diskutiert werden.

Baerbock ist selbst mit dem Begriff unzufrieden. Bekommt das Thema nicht aber dadurch die Aufmerksamkeit, die es braucht?

Roth:Politik braucht immer auch Reibung. Insofern ist es wichtig, dass wir bisweilen auch mit plakativen Begriffen einen Schritt nach vorne gehen. Die oberflächliche Debatte um Begrifflichkeiten finde ich aber arg vorgestrig. Ich dachte eigentlich, wir sind weiter in Deutschland und in Europa.

In Schweden, dem Vorreiterland, hat die neue rechte Regierung den Rückzug von der feministischen Außenpolitik angetreten. Das Label sei wichtiger geworden als der Inhalt, hieß es. Bewegen wir uns nicht auch auf dieses Problem zu?

Roth:In Schweden ist man in der Regierung offenkundig vor den Nationalisten eingeknickt. Auch hier in Deutschland arbeitet sich die AfD populistisch an Geschlechter- und Minderheitenthemen ab. Das ist alles schlimm. Denn es geht im Kern um die Frage, wie wir vor allem in der internationalen Politik mehr zu Frieden, Stabilität und Gerechtigkeit beitragen können.

Warum reden wir eigentlich über feministische Außenpolitik und nicht feministische Innenpolitik?

Roth:Glücklicherweise sind wir in der Innenpolitik schon viel weiter. Wir reden intensiv über Gleichberechtigung, aber auch Gleichstellung der Geschlechter. Das steht uns in der Außenpolitik noch bevor. Dort ist es noch konfliktträchtiger, weil wir es auf der Weltbühne oft auch mit autoritären Regimen zu tun haben. Und die ersten Opfer von Autoritarismus, Diktatur und religiösem Fundamentalismus sind immer Frauen. Das erleben wir derzeit in Afghanistan oder Iran.

Braucht es dafür aber eine Botschafterin für feministische Außenpolitik?

Roth:Das wichtigste und glaubwürdigste Gesicht ist natürlich die Außenministerin selbst. Vielleicht wäre es sogar hilfreich, wenn die Botschafterin für feministische Außenpolitik ein Mann wäre, um zu dokumentieren, dass es vor allem eine Angelegenheit von Männern ist. Wir Männer müssen anerkennen, dass wir maßgeblich davon profitieren, wenn es in der Politik gerechtere Verhältnisse zwischen den Geschlechtern gibt.

Und das geht nur mit einem Extra-Posten?

Roth:Da ich selbst acht Jahre lang Staatsminister im Auswärtigen Amt war, kann ich sagen, dass die Bilanz des Hauses in Sachen Geschlechtergerechtigkeit miserabel war. Der Erste, der daran wirklich etwas ändern wollte, war Heiko Maas(SPD, Baerbocks Vorgänger, d. Red.). Ich würde hier keine Institutionendebatte führen, sondern fragen: Was ist die Aufgabe eines solchen Diplomaten oder einer solchen Diplomatin? Wie wird die feministische Außenpolitik ganz konkret mit Leben gefüllt? Ich jedenfalls habe viel von der damaligen schwedischen Botschafterin für feministische Außenpolitik gelernt.

Die FDP argumentiert, es gebe zu viele andere, wichtigere Themen.

Roth:Natürlich gibt es wichtige und zentrale Themen, allen voran der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Daran wird auch eine feministische Außenpolitik nichts verändern. Aber gerade bei Fragen von Krieg und Frieden ist es wichtig, die Interessen von Frauen angemessen zu berücksichtigen. Frauen tragen weltweit zum Frieden bei. Deshalb ist es auch so wichtig, das als Leitprinzip des eigenen Handelns zu nutzen.

Haben Sie Sorge, dass mehr über feministische Außenpolitik als über Sicherheits- und Außenpolitik selbst gesprochen wird?

Roth:Der Begriff wird missbraucht, um den Eindruck zu erwecken, es würde nicht mehr über die eigentlich zentralen Themen der Außen- und Sicherheitspolitik gesprochen. Das Gegenteil ist der Fall. Aber wir können doch nicht sagen, weil wir in einer Welt von Krisen und Kriegen leben, blenden wir so ein Thema aus. Gerade weil wir in einer konfliktreichen Welt leben, ist es wichtig, die Interessen von Frauen stärker in den Blick zu nehmen. Und das ist vor allem eine Angelegenheit von uns Männern.