Interview
„Wenn bessern nicht geht, dann sichern“

Der ärztliche Direktor der Jugendforensik, Dr. Christian Schlögl, über die größten Unterschiede zur Erwachsenenforensik.

27.11.2017 | Stand 16.09.2023, 6:20 Uhr

Dr. Christian Schlögl ist Direktor der Jugendforensik. Foto: Lex

Worin unterscheidet sich die Therapie in einer Jugendforensik von der in einer Erwachsenenforensik?

Es gibt viel mehr pädagogische und alltagspraktische Bestandteile. Im Zentrum stehen dabei Sport und Schule. Aber es werden auch ganz banale Dinge, wie einkaufen, busfahren und sowas trainiert. Bei Erwachsenen waren diese Kompetenzen meistens schon mal vorhanden, die jungen Menschen haben sie durch die „broken-home-Situation“ oft nie gelernt. Da muss man quasi bei null anfangen.

Unterscheiden sich dann auch die Klinikgebäude, in denen jüngere und ältere Straftäter untergebracht werden?

Die Gebäude und Sicherheitstechniken an sich nicht. Es wäre falsch zu denken, die Kinder seien ungefährlicher und es bräuchte weniger Vorkehrungen wie in der Erwachsenenforensik. Sie agieren lediglich unbedachter. Der größte Unterschied zur Erwachsenenforensik ist wohl bei den Gruppengrößen. Bei Kindern und Jugendlichen werden viel kleinere therapeutische Einheiten gebildet, meist nur mit fünf Patienten und viel Personal. Gruppendynamische Prozesse bei den jungen Menschen laufen nicht immer positiv, deswegen ist das notwendig.

Können Sie uns den Ablauf einer Therapie in der Jugendforensik skizzieren?

Alles läuft multiprofessionell, von Sport über Ergotherapie bis hin zu Psychologen. Das ist ein längerer auf aufwendiger Prozess und wenn der gut läuft, wird dem Patienten mehr Freiraum gewährt. Da steckt ein Stufenprogramm dahinter. Stufe 0 räumt, wie der Name schon sagt, keine Freiheiten ein. Da passieren Arztbesuche in Hand- und Fußfesseln. In höheren Stufen darf sich der Patient dann innerhalb des Geländes frei bewegen und das geht bis zur Tagesbeurlaubung. Grundsätzlich heißt es jedoch: Maßregeln der Besserung und Sicherung. Wenn bessern nicht geht, steht eben Sicherung an.

Wie lange werden die Kinder und Jugendlichen untergebracht sein?

Das kann man schlecht sagen, weil es natürlich sehr individuell ist. Grundsätzlich gibt es kein Entlassdatum wie im Gefängnis. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir die meisten innerhalb von vier bis fünf Jahren entlassen bekommen. Im Jugendbereich ist man allgemein optimistischer, was Entlassungen angeht.

Und was passiert dann?

Die Patienten werden ambulant noch drei bis fünf Jahre weiter betreut und kehren entweder in ihre Wohnung zurück oder besuchen eine andere Einrichtung.