Corona Wenn der neue Impfstoff alt aussieht
Möglicherweise müssen die Covid-19-Vakzine an die Mutationen angepasst werden. Was würde das für die Zulassung bedeuten?

Frankfurt.Kaum waren die ersten Impfstoffe auf dem Markt, bekam die Hoffnung einen Dämpfer: Schnell tauchten Mutationen des Sars-CoV-2-Virus auf, die Anlass zur Sorge gaben. Wirkt die Immunisierung auch gegen die Mutationen? Und was tun, wenn nicht? Besonders relevant scheint eine jüngst auch in Großbritannien registrierte Mutation mit der Bezeichnung E484K zu sein, die erstmals in Südafrika aufgetaucht war. Sie stärkt das Coronavirus nach Angaben des Virologen Alexander Kekulé. „Das Virus entkommt dem Immunsystem einfacher.“
Dass Viren sich permanent umbauen, ist normal und wenig beunruhigend. Problematisch werde es nur dann, wenn die Mutationen die Eigenschaften des Virus verändern, erklärte die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek im NDR. Das trifft zur Zeit auf mehrere Varianten des ursprünglichen Virus zu. Sie wurden zuerst in Großbritannien, Südafrika und Brasilien entdeckt. Bei einer Mutation namens N501Y handelt es sich um eine leichte Veränderung an einer Stelle des sogenannten Spike-Proteins auf der Oberfläche des Virus. Diese Veränderung gilt als Grund dafür, dass sich das Virus dann so schnell ausbreiten kann. Sie war zunächst in Großbritannien entdeckt worden. Dass das Virus unabhängig an verschiedenen Orten beispielsweise die Mutation E484K gebildet hat, spricht aus Kekulés Sicht dafür, dass diese einen Vorteil für das Virus hat.
Sinkt der Impfschutz?
Auch hier ist das Spike-Protein betroffen. „Das Virus wird schlechter neutralisiert“, erklärt der Virologe. Antikörper können es nicht so gut angreifen. Die Mutation E484K würde zum Beispiel bedeuten, dass sich Genesene neu infizieren könnten, dass Impfstoffe nicht so gut wirken oder Antikörper-Therapien nicht gut anschlagen. Preprint-Studien legten nahe, dass die Wirkung nicht komplett aufgehoben ist, sondern nur schwächer, sagt Ciesek. Wie stark der Schutz durch die Impfstoffe bei E484K sinke, wisse man noch nicht, sagt Kekulé. „Vielleicht geht die Wirksamkeit nur von 95 auf 90 Prozent zurück.“ Dann wäre es eine Frage der Dosis. Man brauche mehr Antikörper, um den gleichen Effekt zu erzielen, sagt Ciesek.
Die beiden in Deutschland eingesetzten mRNA-Impfstoffe seien dafür gut aufgestellt: Sie sorgten ohnehin dafür, „dass wir einen Überschuss an Antikörpern bilden“. Die Hersteller haben sich trotzdem schon ans Werk gemacht. Biontech/Pfizer meldete Ende Januar, ihr Impfstoff habe im Labor eine neutralisierende Antikörperantwort auch bei den Schlüsselmutationen der britischen und der südafrikanischen Varianten ausgelöst. Die Ergebnisse „deuten nicht auf die Notwendigkeit eines neuen Impfstoffs gegen die neu auftretenden Varianten hin“.
Curevac und der britische Pharmakonzern Glaxosmithkline kündigten am Mittwoch an, gemeinsam weitere mRNA-Impfstoffe zu entwickeln, die vor mutierten Varianten des Coronavirus schützen. Der Anbieter Moderna plant eine Art „Booster“, der als zusätzliche Dosis verabreicht werden könnte. Sollte in Zukunft ein neuer Impfstoff benötigt werden, um andere Varianten zu adressieren, wäre das machbar, behauptet Biontech. Man gehe davon aus, „dass die Flexibilität von Biontechs unternehmenseigener mRNA-Impfstoffplattform eine solche Anpassung ermöglichen würde“.
Auch das für Impfstoffe zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) erklärt, „dass die genetischen Impfstofftechnologien, die bei DNA-, RNA- und Vektor-Impfstoffen eingesetzt werden, eine zügige Umstellung der Impfstoffe auf neue Virusvarianten erlauben würden“. Was das für die bedingte Zulassung bedeuten würde, ist noch nicht klar. In der Europäischen Arzneimittelagentur würden „die regulatorischen Voraussetzungen einer Anpassung“ diskutiert, heißt es.
Impfstoffe anpassen
Kekulé geht davon aus, dass spätestens im Herbst neue Impfstoffvarianten wegen der mutierten Virustypen nötig würden. Die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt ist heikel. Nicht zu früh, wenn es vielleicht gar nicht nötig wäre – aber auch nicht zu spät, wenn die Wirksamkeit schon zu stark beeinträchtigt ist. Impfstoffe werden auch nach der Zulassung weiter überwacht.
Dabei würde auffallen, wenn es bei Geimpften plötzlich viel mehr Erkrankungsfälle gibt. Gibt es ein „Risikosignal“ für eine schwerwiegende Reaktion, bedeutet das nicht zwingend, dass das Zulassungsverfahren von vorne beginnen muss. Möglich wäre auch ein sogenanntes Variationsverfahren. Das war schon einmal der Fall, als es nicht um Nebenwirkungen ging, sondern um die Frage, ob statt fünf sechs Dosen pro Fläschchen entnommen werden dürfen. Ohne erneute Studien ginge es aber nicht. Diese müssten nicht nur nachweisen, dass der angepasste Impfstoff gegen die Mutation erfolgreich ist, sagt Ciesek. Sie müssten auch zeigen, „dass dieser neue Impfstoff, der auf die Variante abzielt, auch noch das ursprüngliche Virus, also den Wildtyp neutralisieren kann“.
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