Krankheit
Kollektive Psychose

Eine Erkrankung für das Unwort 2019 „Klimahysterie“ zu missbrauchen, überschreitet Grenzen, sagt Schusser-Lober.

27.01.2020 | Stand 16.09.2023, 5:12 Uhr
Monika Schusser-Lober

Die Autorin ist Vorstandsmitglied des Landesverbands Bayern der Angehörigen psychisch Kranker e. V.

Vor kurzem ging das Unwort des Jahres 2019 durch die Presse. Erwählt durch die Technische Universität Dortmund wurde das Wort „Klimahysterie“. Erklärend fügte die Jury hinzu, dass der Begriff „… pauschal das zunehmende Engagement für den Klimaschutz als eine Art kollektive Psychose pathologisiert“.

Psychose ist schwerste psychische Erkrankung

Eine Psychose ist eine schwere psychische Erkrankung, die beispielsweise mit Wahrnehmungsstörungen, Gefühlsstörungen, Körpermissempfindungen, Halluzinationen, Wahnsymptomatik und oftmals dadurch hervorgerufenen Ängsten einhergeht. Meiner Meinung nach ist sie die schwerste psychische Erkrankung. Diese Erkrankung schränkt das Leben von betroffenen Menschen und auch ihrer Angehörigen oftmals erheblich ein und ist mit sehr viel leidvollen und schmerzlichen Erfahrungen auf allen Seiten verbunden.

Betroffenen- und Angehörigenverbände kämpfen seit Jahrzehnten für bessere Behandlungen in psychiatrischen Einrichtungen, bessere Betreuungsmöglichkeiten und eine Entstigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und insbesondere von an Psychosen Erkrankten. Auf jede positive Meldung, auf jeden Artikel, der auf realistische und damit auch positive Weise über Menschen mit einer solchen Erkrankung berichtet, folgt meist die doppelte Anzahl an Negativmeldungen. Wir müssen daher einen großen Aufwand betreiben, um Betroffene und ihre umsorgenden Angehörigen gesellschaftlich in ein angemessenes Licht zu rücken. Diese Erkrankung daher von wissenschaftlichen Mitarbeitern als Begründung für das Unwort 2019 zu lesen und mit dem aktuellen Klimatrend gleichzusetzen, fühlt sich nicht richtig an und wird bei vielen Betroffenen und Angehörigen Empörung ausgelöst haben.

Fachleute müssen Wortwahl überdenken

Für mich wurde eine empfindliche Grenze überschritten. Natürlich ist klar, dass mit der Formulierung eine kollektive Wahrnehmungsstörung gemeint war und die Wortwahl unglücklich und offenbar unüberlegt gewählt wurde. Doch gerade von wissenschaftlich arbeitenden Menschen, von Fachleuten, kann man verlangen, dass sie bei einer Äußerung mit einer solchen Breitenwirkung ihre Wortwahl genau überdenken, bevor sie eine ernsthafte und schwerwiegende Erkrankung für eine „coole“ Begrifflichkeit missbrauchen.

Die Außenansicht gibt die subjektive Meinung des Autors wieder und nicht unbedingt die der Redaktion.