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Mit den Bären leben

Nach wissenschaftlichen Modellen könnten Bären in Deutschland sehr gut leben. Die Frage ist: Können wir mit ihnen leben?

22.12.2019 | Stand 16.09.2023, 5:13 Uhr
Sabrina Reimann

Sabrina Reimann, Pädagogin

Ein Sommermorgen in der Slowakei. Ich befinde mich auf einem Waldpfad in der Hohen Tatra. Plötzlich knackt ein Ast und in zehn Meter Entfernung blickt mich ein Braunbär für eine Sekunde lang an. Im nächsten Moment ist er im Wald verschwunden. In der Slowakei leben rund 1200 Bären. Die Menschen sind das Leben mit den großen Beutegreifern in unmittelbarer Umgebung seit jeher gewohnt. Deswegen haben Imker dort ihre Bienenstöcke mit stabilen Elektrozäunen gesichert, Schäfer halten Herdenschutzhunde und Mülltonnen am Rande von Bärengebieten sind spezielle bärensichere Anfertigungen.

In Deutschland gab es seit dem „Problembären“ Bruno, der 2006 wenige Wochen nach seinem Auftauchen in Bayern erschossen wurde, keine Bären mehr. Und auch vor Bruno war Deutschland über 170 Jahre frei von Bären. Doch im Juni 2019 wurde ein Braunbär 40 Kilometer vor der deutschen Grenze festgestellt. Die Populationen in Slowenien, Italien und der Schweiz wachsen. Es ist also nur eine Frage der Zeit bis wieder ein Bär die deutsche Grenze überquert.

Sehr oft höre ich bei meiner Arbeit im Alternativen Wolf- und Bärenpark Schwarzwald folgende Aussage von Besuchern: „Deutschland ist viel zu dicht besiedelt. Bären haben hier gar keinen Platz.“ Nach neuesten wissenschaftlichen Modellen hätten Bären in Deutschland in vielen Gebieten geeignete Habitate, könnten bei uns also sehr gut leben. Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist eine andere: Können WIR mit ihnen leben? Meine Arbeit mit Bären hat mir eines gezeigt: Bären sind clever, hartnäckig und haben einen hoch entwickelten Geruchssinn. Wenn wir weitestgehend konfliktfrei mit den Tieren leben wollen, dann heißt es Aufrüsten: Potenzielle Nahrungsquellen müssten für Bären schwer zugänglich gestaltet werden.

Dies bedeutet für Politik und Privatleute einen hohen Aufwand. Es gilt ein Bären-Management zu erstellen, worin geklärt wird, wie man mit den Tieren und eventuellen Schäden durch sie umgeht, wie Zuständigkeiten aufgeteilt und welche Präventionsmaßnahmen ergriffen werden. Es ist problematisch, Akzeptanz für ein Wildtier zu erreichen, wenn dieses zuvor Schaden verursacht hat. Eine frühe Investition in Präventionsmaßnahmen ist unabdingbar, wenn wir den Grundstein für eine Koexistenz legen wollen.

Die Autorin ist stellvertretende Parkleiterin und Pädagogin im Alternativen Wolf- und Bärenpark Schwarzwald.DieAußenansichtgibt die subjektive Meinung der Autorin wieder und nicht unbedingt die der Redaktion.