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130 Jahre bayerische SPD: Festakt plus Tauziehen um Regensburger Direktkandidaturen

11.09.2022 | Stand 15.09.2023, 3:41 Uhr
Feierten die SPD: (v.l.) die Landeschefs Florian von Brunn und Ronja Endres, OB Gertrud Maltz-Schwarzfischer, Landtagsvizepräsident Markus Rinderspacher −Foto: Lex

Vor 130 Jahren wurde vor den Toren Regensburgs die bayerische SPD gegründet. Landtags-Vizepräsident Markus Rinderspacher schickt beim Festakt am Sonntag Parteifreunde und Gewerkschafter erst einmal für ein paar Momente zurück ins Jahr 1892.



Vor 130 Jahren gründete sich vor den Toren Regensburgs die bayerische SPD. Landtags-Vizepräsident Markus Rinderspacher schickt gestern beim Festakt Parteifreunde und Gewerkschafter für ein paar Momente zurück ins Jahr 1892: Im Schrödelsaal in Reinhausen hatten sich 70 Delegierte versammelt, um die Landtagswahl vorzubereiten und Georg von Vollmar an ihre Spitze zu wählen. Das Prozedere spielte sich in Reinhausen ab, weil in der Stadt kein Wirt seine Räume zur Verfügung stellte. Die Genossen schwören sich auf den Kampf für einen demokratischen Staat ein. Sie fordern das Wahlrecht für Frauen, ein unbeschränktes Vereins- und Versammlungsrecht, die Trennung von Kirche und Staat, kostenfreien Schulunterricht und ein Arbeiterversicherungswesen, das Lebensrisiken abfedert. Ein Jahr später werden erstmals fünf Sozialdemokraten in den Landtag einziehen. „Bei den Landtagswahlen 1912 erreichte die SPD bereits 30 Mandate bei einem Marktanteil von 19,5 Prozent“, sagt Rinderspacher.

Der Stolz der SPD

Er ruft auch den bisher stolzesten Tag in der SPD-Geschichte ins Gedächtnis: Als die Nazis 1933 den Landtag per Ermächtigungsgesetz kalt stellen, stimmen die SPD-Abgeordneten „mit heroischen Freiheitsmut“ dagegen. Der Abgeordnete Wilhelm Hoegner, der später im Exil in der Schweiz Schutz findet, kehrt im Juni 1945 mit dem Entwurf der heutigen bayerischen Verfassung zurück. Eine „sozialdemokratische Jahrhundertpersönlichkeit“, sagt Rinderspacher.

Rinderspacher ist selbst Part der Geschichte: Von 2009 bis 2018 lenkte er als Chef die SPD-Landtagsfraktion. Eine Zeitspanne, in der sich auf allen Ebenen Repräsentanten der Partei gegen die schleichende Erosion bei der Wählerschaft stemmten. Der Prozess hält bis heute an. Von Werten um die 20 Prozent wie 1893 ist man derzeit deutlich entfernt. „Die Leute vergessen oft, was wir alles erkämpft haben“, sagt der Regensburger SPD-Kreisvorsitzende Matthias Jobst. In Umfragen zur Landtagswahl 2023 rangiert die SPD derzeit bei rund zehn Prozent. Der Festakt dient auch dem Kraft schöpfen. Der designierte Spitzenkandidat, bayerische Landesvorsitzende und Landtagsfraktionschef Florian von Brunn zählt zu den Hauptrednern. Unter der Oberfläche ist aber nicht nur Feierlaune zu spüren: Ausgerechnet in Regensburg wird seit Monaten zäh um die Direktkandidaturen für die beiden Stimmkreise in Stadt und Landkreis gerungen: Brunns Co-Landeschefin Ronja Endres spielt dabei eine zentrale Rolle.

Sie möchte bei der Landtagswahl in der Oberpfalz antreten, laut Parteikreisen am liebsten in Regensburg Stadt oder Land – auch wenn sie sich selbst zu diesem konkreten Detail nicht öffentlich äußert. In beiden Stimmkreisen trifft sie jedoch auf Gegenwind, der sich seit vergangenen Freitag noch verschärft hat: In der Domstadt informierte Stadtratsfraktionschef Thomas Burger die Partei, dass er bei der Nominierungsversammlung am 16. September nun auch seinen Hut in den Ring wirft. Es brauche auf Landesebene wieder „mehr kommunalpolitische Kompetenz und auch viel mehr Erfahrung mit der Lebenswirklichkeit von Menschen“, sagt er gestern. Die Partei müsse sich weniger in „politischen Glaubenskriegen“ verlieren, und mehr auf „zeitnahe Lösungen“ konkreter Problemen konzentrieren.

Burger komplettiert das potenzielle Bewerberfeld aus Endres, der amtierenden Landtags-Abgeordneten Margit Wild und dem Wenzenbacher Bürgermeister Sebastian Koch. Im Landkreis wiederum hat ziemlich zeitgleich Kreisvorsitzender Jobst den Genossen seine Bereitschaft zur Landtags-Kandidatur angeboten – und zwar im Team mit der stellvertretenden Landrätin Petra Lutz, die in den Bezirkstag einziehen will. „Wir sind überzeugt, dass wir die Besten sind, die im Landkreis Regensburg für die SPD antreten können“, setzt Jobst ein klares Signal. Bei der Vorstandssitzung am 19.September soll ein Votum fallen, Nominierungsversammlung ist am 25. September. Eine Direktkandidatur im Raum Regensburg ist für Endres also längst nicht in trockenen Tüchern. Das könnte die Chancen bei der Listenaufstellung der Oberpfalz SPD im Oktober schmälern. Endres peilt dort Platz 1 an.

Bataillone sammeln

Die Anwärter-Riege ist beim Festakt komplett versammelt. Das Treffen bietet die Möglichkeit, Bataillone zu sammeln. Auch wenn Endres deutlich widerspricht. „Heute soll es um die bayerische SPD gehen“, sagt sie – und lässt weiter offen, ob sie am nächsten Freitag bei dichtem Bewerberfeld und dem möglichem Risiko einer Niederlage in Regensburg-Stadt antritt. „Wir werden das in aller Ruhe und unter den Respekt gegenüber allen Beteiligten intern klären.“

Ein bisschen Vorgeschmack auf den Landtagswahlkampf gibt es dann doch. „Dem Freistaat würde es verdammt gut tun, wenn ihn Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten regieren würden“, feuert Brunn die Genossen an – und attestiert CSU und Freien Wählern Versäumnissen von der Energie- bis zur Bildungspolitik. „Es ist ein Skandal, dass sich jetzt in den Ferien herausstellt, dass so viele Lehrerinnen und Lehrer fehlen“, sagt er.

Die bayerische SPD

Start:Am 26. Juni 1892 formierte sich in Reinhausen der Landesverband.

Ikone:Ausnahmefigur ist bis heute Wilhelm Hoegner, der 1945/1946 und noch Mal von 1954 bis 1957 Ministerpräsident war.

Kämpfer:Auch ein Oberpfälzer schrieb Geschichte: Der frühere Landrat Hans Schuierer lehnte sich in den 1980er-Jahren gegen die geplante WAA in Wackersdorf auf.