Landessynode in Amberg
Evangelische Kirche stützt Klima-Schützer – und sieht Tempolimit als Option

21.11.2022 | Stand 15.09.2023, 2:49 Uhr
Im Tagungsmarathon: Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. −Foto: Tino Lex

Die 108 Mitglieder der Landesynode sind zwar hauptsächlich zusammengekommen, um den 948-Millionen-Euro Haushalt der evangelischen Landeskirche für 2023 und den Nachtragsetat 2022 zu verabschieden. Doch schon bei den ersten Beratungen Sonntagnacht schiebt sich derKlimaschutz ins Zentrum.



Der Erhalt des Planeten bewegt viele Gläubige. Nicht minder stark gilt das für Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Er gibt in Amberg Klimaaktivsten Rückhalt, stellt sich gegen die Präventivhaft, die im Freistaat zuletzt mehrfach verhängt worden ist und kritisiert Zuspitzungen aus der CSU. Dort hatte Alexander Dobrindt das Gespenst einer „Klima-RAF“ an die Wand gemalt, nachdem sich Aktivisten auf Hauptverkehrsstraßen festklebten oder Kunstwerke in Museen mit Kartoffelbrei oder Suppe bewarfen. Klima-RAF? „Unsinn“, sagt Bedford-Strohm.

Verständnis für „Alarmrufe“

Menschen, denen es um die Bewahrung von Leben gehe, würden in die Ecke von Gewalttätern gestellt, ergänzt er bei der Pressekonferenz am Montag. Der Landesbischof plädiert für eine Versachlichung der Debatte, unabhängig davon, ob man die angewandten Protestformen für richtig oder falsch hält. Es sei kein Zufall, sagt er, dass die „Alarmrufe“ der jungen Generation am dramatischsten ausfielen. In diesen Alarmrufen stecke jedoch mehr Realismus, als in den momentanen Beschwichtigungen zum Klimawandel. Anstatt Klima-Aktivsten in Präventivhaft zu nehmen, müsse über wirksame und schnelle Klimaschutzmaßnahmen gesprochen werden. Das Signal müsse sein: „Wir hören euch“ und „Wir sehen die Dringlichkeit“.

Anfang November hatte sich bereits die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum Klimaschutz bekannt. Für Aufsehen sorgte eine Empfehlung zum Tempolimit bei kirchlichen Dienstfahrten: 100 Stundenkilometer gelten auf Autobahnen als Richtschnur, 80 auf Landstraßen. „Es geht um eine intelligente Selbstbegrenzung und eine Ethik des Genugs“, sagt EKD-Präses Anna-Nicole Heinrich und verweist auf Zahlen des Umweltbundesamtes: Tempo 120 bringt danach eine jährliche CO2-Einsparung von 2,6 Millionen Tonnen, bei Tempo 100 sind es 5,4 Millionen Tonnen. „Das ist mehr als das Doppelte für ein bisschen Entbehrung“, sagt sie.

Die 26-Jährige Oberpfälzerin ist seit rund eineinhalb Jahren Präses. Bei der Landessynode fungiert sie aber als einfaches Mitglied. Der Tempo-Limit-Vorstoß stößt in Amberg auf große grundsätzliche Zustimmung, teils aber auch auf Skepsis. Wer Verantwortung für die Schöpfung spüre, rase nicht mit 220 über die Autobahn, sagt Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel. Synodenvizepräsident Walter Schnell verweist darauf, dass der sicher provozierende EKD-Beschluss Denkanstoß für die Politik sein sollte. Für den Regensburger Regionalbischof Klaus Stiegler ist Klimaschutz unabdingbar. Tempo 100 auf Autobahn sei aber in manchen Situationen schwierig. „Ich will mich niemals im Verkehr zum Hindernis und zur Gefahr für Andere machen – und will mich auch selbst nicht in Gefahr bringen.“

Etat 2023 ist krisengeprägt

Die Tagung dauert bis Mittwoch – zum Abschluss soll der knapp kalkulierte Haushalt verabschiedet werden. Konkrete Sparvorschläge will Bedford-Strohm im Frühjahr publik machen. Finanzreferent Patrick de La Lanne rechnet mit harten Zeiten, unter anderem wegen des demografischen Wandels, einer möglicherweise Halbierung der Zahl der Kirchenmitglieder bis 2040 und sinkender Kirchensteuereinnahmen. Es gelte, „Überflüssiges wegzulassen und dadurch Freiräume für Neues“ zu gewinnen, sagt Preidel dazu. Wolfgang Drewes, Synodale aus Regensburg, sieht auch die Strukturen der Kirche – sprich: die Zahl der Kirchenkreise und Dekanate – auf dem Prüfstand.

Der Etat 2023 ist krisengeprägt: Fünf Millionen Euro sollen als Heizkostenzuschuss an Gemeinden und Dekanate fließen, um exorbitante Energiepreise abzufedern. Weitere fünf Millionen Euro sind für erste Klima-Investitionen vorgesehen, um Heizanlagen umzurüsten. Errechnet ist übrigens, wie viel es kostet, alle evangelischen Kirchengebäude in Bayern bis 2035 klimaneutral zu machen: Nötig wären 800 Millionen Euro.

Fakten und Zahlen zur Landessynode

Einfluss:Die Landessynode ist neben Landesbischof, Landeskirchenrat und Landessynodalausschuss eines von vier Organen mit Entscheidungsmacht. Die 108 Synodalen sind für sechs Jahren gewählt. Sie verabschieden unter anderem den Kirchenhaushalt. Höchstens ein Drittel des Gremiums darf mit Pfarrern und Pfarrerinnen besetzt sein – die übrigen sind „Nicht-Ordinierte“.

Haushalt 2023:Bei Einnahmen von 980 und Ausgaben von 948 Millionen Euro bleibt ein Überschuss von 32 Millionen. Dennoch herrscht Spardruck, weil sich die Lage nach Einschätzung von Finanzreferent Patrick de La Lanne künftig verschlechtern wird. Bis 2030 sollen deshalb 189 Millionen Euro eingespart werden. Aktuell bleibt aber Luft für Schwerpunkte: 10 Millionen Euro werden 2022 und 2023 für Geflüchtete aus der Ukraine bereitgestellt.

Klimaschutz:Auch der Erhalt des Planeten ist in Amberg zentrales Thema: Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm positionierte sich gegen Präventivhaft für Klima-Aktivisten. Bei der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands Anfang November waren bereits Empfehlungen für ein Tempolimit bei kirchlichen Dienstfahrten gegeben worden: 100 Stundenkilometer auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen.