Stadtentwicklung

Eine Industriebrache wird Baugebiet

Der Bebauungsplan für das Lerag-Gelände in Regensburg steht. Was dort passieren soll, ist allerdings nicht unumstritten.

06.03.2018 | Stand 16.09.2023, 6:16 Uhr
Norbert Lösch

Für das ehemalige Lerag-Gelände zwischen Guerickestraße (links unten) und den Bahngleisen (oben) soll ein Bebauungsplan rechtskräftig werden. Am Mittwoch ist er Thema im Planungsausschuss des Stadtrats. Foto: Stadt Regensburg

Wo 15 Jahre lang die Ruinen eines ehemaligen Werks für Betonteile standen, soll schon bald ein Wohnquartier für bis zu 700 Menschen entstehen. Der Bebauungsplan für das Lerag-Gelände nördlich der Guerickestraße könnte jetzt eine entscheidende Hürde nehmen: die Zustimmung der politischen Gremien. Am Mittwoch steht das Projekt im Planungsausschuss auf der Tagesordnung, am 21. März soll dann der Stadtrat sein Plazet geben.

Das Lerag-Projekt ist eines von mehreren, mit denen auch im inneren Stadtosten dringend benötigter Wohnraum geschaffen werden soll.Die etwa 4,5 Hektar große Fläche des ehemaligen Betonteilwerks zwischen Guerickestraße und Bahn hat sich das Immobilienzentrum Regensburg (IZ) gesichert. Der schon seit 2015 „reifende“ Bebauungsplan sieht eine Aufteilung in 15 allgemeine Wohngebiete vor. Insgesamt sollen auf der Industriebrache 275 Wohnungen im Geschosswohnungsbau und 86 Reihenhäuser entstehen.

Ende vergangenen Jahres waren die Pläne öffentlich ausgelegen; Behörden, Anlieger und weitere Beteiligte konnten dazu Stellung nehmen. Die Öffentlichkeitsbeteiligung kam sogar relativ früh, weil es sich um ein sogenanntes beschleunigtes Verfahren handelt. Damit ermöglicht der Baugesetzgeber eine vergleichsweise zügige Umwandlung von Industrie- in Wohngebiete.

Ungewöhnlich an dem Baugebiet ist auch, dass parallel zum Genehmigungsverfahren ein sogenannter Gestaltungsleitfaden entwickelt wurde. „Zur Sicherstellung einer städtebaulich und architektonisch qualitätsvollen Umsetzung des Bebauungskonzepts“, wie es in der Beschlussvorlage des Stadtrats heißt, wurden Rahmenbedingungen und Vorschläge für das Bauquartier vorgegeben.

Möblierung wie in der Altstadt?

In dem Leitfaden finden sich nicht nur grundsätzliche Vorgaben zur Architektur oder der Gestaltung von Fassaden und Grünflächen, sondern auch Vorschläge, welche Bäume das Stadtgartenamt an diesem Standort für geeignet hält. Und es geht noch weiter ins Detail: „Die Ausstattung der öffentlichen Grünflächen sollte sich an der Standardmöblierung für die Altstadt orientieren“, heißt es. Das bedeutet, dass die Stadt nur Sitzmöbel aus Stahl und Holz, Baumschutzgitter oder Fahrradständer akzeptieren will, wie sie zunehmend auch auf Plätzen in der Altstadt zu finden sind. Selbst für den öffentlichen Spielplatz an der südöstlichen Ecke des Areals hat die Stadt schon konkrete Vorstellungen.

Hier sehen Sie eine interaktive Grafik zum Lerag-Baugebiet

Der Bauträger kann mit diesen Vorgaben offenbar gut leben. In einer aktuellen Stellungnahme des Immobilienzentrums heißt es, der Gestaltungsleitfaden sei im Wesentlichen vom Architekturbüro Köstlbacher & Miczka und der Stadt Regensburg entwickelt. Das ausgewählte Architekturbüro hatte sich vor einigen Jahren in einem städtebaulichen Workshop für dieses Areal durchgesetzt. „Durch diese Vorgehensweise wird gewährleistet, dass sich die städtebauliche Leitidee in der Umsetzung – sprich in der Architektursprache sowie in der Gestaltung der Freiräume – wiederfindet, was wir als Projektentwickler und Bauträger sehr begrüßen, um ein stimmiges und homogenes Gesamtkonzept sicherzustellen.“

Das Lerag-Gelände von oben:

Während des laufenden Bebauungsplanverfahrens hatte eine Vereinbarung zwischen Stadt und Bauträger für Aufsehen gesorgt. Dem Immobilienzentrum war zugestanden worden, die Sozialwohnungsquote von 20 Prozent in diesem Quartier zu unterschreiten, wenn es im Gegenzug am ebenfalls von ihm bebauten Brandlberg Ersatz schafft. Statt der üblicherweise geforderten 5716 Quadratmeter geförderten Wohnraums sollen es an der Guerickestraße nur 3340 werden – in einem einzigen von 15 vorgesehenen Bauabschnitten. Die Stadt wies Kritik an diesem Vorgehen – unter anderem vom Architekturkreis – stets zurück. Vielmehr sei bekannt, dass rund um die Guerickestraße „soziale Problemlagen gehäuft auftreten“ und deswegen „die vorrangige Errichtung von Eigentumswohnungen und Stadthäusern ein Schritt in Richtung soziale Stabilisierung“ sei (Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer).

„Unsere Kritik wird wohl keinerlei Einfluss auf den Bebauungsplan haben.“Johann Brandl, Sprecher des Bürgervereins Süd-Ost

Lediglich „zur Kenntnis genommen“ – so der Beschlussvorschlag – werden wohl in der heutigen Sitzung des Planungsausschusses Bedenken, die vor allem der Bürgerverein Süd-Ost schon seit Langem hat. Er hat sich während der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs erneut zu Wort gemeldet und kritisiert nicht nur Art, Form und Dichte der geplanten Bebauung. Tenor: Das gesamte Projekt richte sich eher an den Interessen des Bauträgers aus als an sozialen Kriterien.

Der Verzicht auf Einhaltung der Sozialwohnungsquote ist für die Kritiker nur ein Indiz dafür, dass dort eher Investoren mit Renditeerwartungen zum Zug kommen werden als einkommensschwache Familien. Die Kritik des Bürgervereins ist mehr als deutlich. In einem internen Papier heißt es unter anderem, man bedauere, „dass bei der Stadt Regensburg die Bauleitplanung anscheinend erst erstellt wird, wenn der Investor weiß, was er genau will, und wie er für das Grundstück mit Teilhabe der Stadtverwaltung und eines stets abnickenden Stadtrats eine Gewinnoptimierung herbeiführen kann“.

Kritik: „Viel zu eng und hoch“

„Unsere Kritik wird wohl keinerlei Einfluss auf den Bebauungsplan haben“, macht sich Johann Brandl, der Vorsitzende des Bürgervereins im Kasernenviertel, keine Illusionen.

„Die unheimlich eng gestrickte Bebauung provoziert ein Problemviertel.“Johann Brandl, Sprecher des Bürgervereins Süd-Ost

Zumal in der Beschlussvorlage der Verwaltung den Bedenken Punkt für Punkt widersprochen wird. Brandl bleibt dennoch bei seiner „Mängelliste“: Die geplante Bebauung sei vor allem Richtung Bahngleise „viel zu eng und hoch“, auf die Lärmschutzproblematik gebe es keine ausreichende Antwort, und mit nur einer Zufahrt werde sich bald ein ähnliches Verkehrsproblem ergeben, wie es auch von Anliegern am Brandlberg befürchtet wird (die MZ berichtete).

„Die Bebauung dort ist unheimlich eng gestrickt und bis zu sieben Stockwerke hoch. Das provoziert ein künftiges ,Problemviertel’ geradezu“, sagt der Sprecher des Bürgervereins. Ein weiterer Kritikpunkt Brandls: Dem Bebauungsplan sei auch nicht wirklich zu entnehmen, dass entlang der Bahngleise ausreichend Platz für den von der Stadt angekündigten Fuß- und Radweg bleiben wird.

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