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Die Angst vor dem Sterben

Die Angst vor einem grausamen Tod ist unbegründet, findet der Autor. Er hält Sterbekliniken in Deutschland nicht für nötig.

30.03.2021 | Stand 16.09.2023, 3:44 Uhr
Klaus Schäfer
Die Angst vor einem grausamen Tod ist unbegründet, findet der Autor. Er hält Sterbekliniken in Deutschland nicht für nötig. −Foto: Matthias Leidert

Ich habe keine Angst vor dem Tod, aber vor dem Sterben.“ Diesen Satz oder inhaltlich ähnliche Aussagen höre ich öfters von Menschen, denen gesagt werden musste, dass ihnen die Medizin nicht mehr die volle Gesundheit zurückgeben kann, noch nicht einmal teilweise. Die medizinische Versorgung muss daher von kurativ auf palliativ umgestellt werden. Den eigenen Tod vor Augen, haben mich einige Patienten gebeten, für sie Kontakte in die Schweiz oder in die Niederlande zu einer „Sterbeklinik“ herzustellen. Dort wollen sie sich ein todbringendes Mittel geben lassen und dann sterben. Diese Patienten haben mir immer diese Gründe genannt:

1. Sie haben Angst vor Schmerzen.

2. Sie haben Angst vor dem Ersticken (bei Patienten mit schwerer Lungenerkrankung).

Da man mit der Angst Geld machen lässt, haben Geschäftsleute versucht, auch in Deutschland „Sterbekliniken“ einrichten zu dürfen. Da eine „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ nach § 217 StGB strafbar ist, musste sich der Bundestag damit beschäftigen. .2015 lehnte er dieses Ansinnen ab. Wer dennoch geschäftsmäßig Beihilfe zum Suizid begeht, dem „droht bei einer Verurteilung eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Angehörige oder dem Suizidwilligen nahestehende Personen, die im Einzelfall handeln, sind hingegen von der Strafandrohung ausgenommen.“

Hierauf reichten die Antragsteller eine Verfassungsbeschwerde ein. Am 26. Februar 2020 entschied das Bundesverfassungsgericht: „Die Vorschrift ist mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig.“ Damit ist die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ in Deutschland doch möglich. Aufgrund der jahrelangen Erfahrung in der Sterbebegleitung – insbesondere von onkologischen Patienten – konnte ich den o.g. Patienten glaubhaft versichern, dass ihre Ängste unbegründet sind. Es gibt Mittel (insbesondere Morphine), die nicht nur Schmerzen nehmen, sondern auch die Atemnot. Der „Preis“, den der Patient dabei zu zahlen hat, ist, dass er müde wird, dass er immer wieder kurz einschläft, dass er im schlimmsten Falle in der Endphase nur noch schläft. Aber er leidet nicht und er erlebt bewusst, was maximal möglich ist. Wenn dem Patienten dieses Wissen glaubhaft vermittelt wird, verschwindet der Wunsch nach einer Sterbeklinik.

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