Gemeinde Chamerau

Grobe Arbeit mit Fingerspitzengefühl an sensiblem Ort – Totengräber vor dem Aus?

30.03.2023 | Stand 15.09.2023, 0:59 Uhr
Ein Spezialbagger hilft auf dem Chamerauer Friedhof, ein Grab auszuheben. −Foto: Hermann Schropp

Florian Kreutner gehört zu einer inzwischen selten gewordenen Spezies. Er ist Totengräber, wie es einst hieß. Männer wie ihn gab es früher in nahezu jeder Gemeinde. „Der Beruf des Totengräbers wird einmal aussterben“, ist sich Kreutner sicher.

Immerhin 15 Urnen und bis zu zehn Erdbestattungen müssen sie übers Jahr hinweg schultern. Urnen sind seit Jahren ein Trend. Mit den Erdbestattungen sterben auch die Totengräber langsam aus. Die Folgen für Grabbesitzer und Kommunen werden immer deutlicher.

Ein eingespieltes Team

Den modernen Totengräbern steht als Hilfsmittel mittlerweile ein kleiner Bagger zur Verfügung. Das funktioniert aber nur dort, wo auf Friedhöfen genügend Platz ist. Ein Bagger muss zwischen den Gräberreihen durchkommen, also zu 80 Prozent in neueren Friedhofsteilen. Der Friedhof ist ein sensibler Ort, und das Beerdigen eines nahestehenden Menschen eine Ausnahmesituation.

Nach der Beerdigung würden ihnen viele Angehörige ihre Dankbarkeit ausdrücken, berichten sie. „Dann wissen wir, dass wir unsere Aufgabe erfüllt haben und den Hinterbliebenen eine gedankliche Last abnehmen konnten.“

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Jede Arbeit in diesem Umfeld erfordert Fingerspitzengefühl. Aber auch körperliche Kraft. Schließlich müssten vier bis fünf Tonnen Erdreich je Grab bewegt werden. Mit dem einstimmigen Beschluss des Gemeinderats hat sich Chamerau deshalb einen gebrauchten „Boki Spezialbagger“ der Firma Keller für Friedhofsarbeiten zugelegt. Die Gemeinde hat viel Geld für den generalüberholten Bagger ausgegeben. „Für die Gemeinde ist das eine Investition in die nächsten 15 bis 20 Jahre. Die Dienstleistung des Totengräbers wird immer seltener, und was rar ist, wird schnell teuer.“

Florian Kreutner und sein Kollege sind ein eingespieltes Team. Beide arbeiten für die Gemeinde Chamerau nebenberuflich. Ihre Aufgabe ist bei Beerdigungen fast immer gleich: Sie heben neue Gräber auf den Friedhöfen in Chamerau und Lederdorn aus, öffnen bestehende Gräber und schließen sie wieder, wenn die Särge nach der Beerdigung ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.

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Bis zu zwei Meter tief gräbt das Team, und wer schon einmal im Garten ein Loch gebuddelt hat, weiß, wie beschwerlich das Graben mit der Schaufel ist.

Längst hat daher auch am Friedhof moderne Technik Einzug gehalten: Ein kleiner Bagger übernimmt die Erdbewegungen. Nur dort, wo der Bagger nicht hinkommt, müssen Kreutner und sein Kollege noch selbst schaufeln.

Was machen Totengräber?

„Unsere wichtigste Aufgabe auf dem Friedhof ist es, die Gräber bereitzustellen. Wir wissen erst einige Tag vor der Beerdigung, um welches Grab wir uns kümmern sollen. Dann fahren wir mit einem Auto und einem Bagger zur freien Grabstelle und graben eine etwa zwei Meter tiefe Grube aus. Die Grube befestigen wir mit Dielen, damit keine neue Erde hineingerät.“

„Wenn ich erzähle, dass ich als Totengräber arbeite“, so Florian Kreutner, „bekomme ich erst skeptische Blicke ab. Viele zollen mir Respekt dafür, dass ich es schaffe, mich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Blöde Sprüche habe ich dagegen noch nie gehört.“ Von jüngeren Menschen höre er oft die Frage: „Was machst Du da eigentlich genau?“ Dann erkläre er, dass er mit Baggern Gruben grabe und befestige.

„Von älteren Menschen höre ich öfter die Frage: Was bleibt noch vom Leichnam übrig? Wie sieht der Körper nach all den Jahren aus? Ich erzähle dann, dass das vom Boden abhängt. In einem lehmigen Boden wird der Körper besser konserviert, weil weniger Feuchtigkeit und Luft eindringen. Dann bleiben auch noch Überreste der Kleidung und der Schuhe übrig. Wenn der Boden feucht ist, wird das Holz faul, und der Sargdeckel stürzt ein. Dann bleibt meist nur das Skelett übrig. Wie der Körper aussieht, hängt auch davon ab, wie lange der Körper unter der Erde liegt.“

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