Verschiedene Farben, Stoffe und Räder. Neuwagenkäufer können sich bei vielen Herstellern ein Auto individuell zusammenstellen. Doch es geht auch extremer: mit Einzelstücken. Das hat seinen Preis.
Zwei Sitze, verkürzte Frontscheibe und eine breite Heckabdeckung. Flach wirkt der Porsche 911 Speedster der Baureihe 993. Und irgendwie fremd. Denn das Modell hat es so als Serienauto nie gegeben. Auch die Farbe „Ottoyellow“ ist bisher einzigartig bei Porsche. Und dennoch wollte ein italienischer Autosammler genau solch ein Fahrzeug besitzen.
Doch statt bei einem Tuning- oder Karosserie-Unternehmen fragte der Autofan bei Porsche an – und wurde fündig. Die „Sonderwunsch“-Sparte des Stuttgarter Autobauers verwirklicht selbst ungewöhnliche Anfragen. Gegen entsprechendes Honorar.
Ist Fahrzeugindividualisierung ein neuer Trend?
Fahrzeugindividualisierung ist nicht neu. Unikate gibt es schon fast so lange wie das Auto. Autokäufer können sich bei Neufahrzeugen ihr Lieblingsauto zusammenstellen. Mit der Wahl aus Motor, Getriebe, Karosserie, Rädern, Stoffen und Farben gibt es eine Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten – als bezahlbares individuelles Modell-Menü für die Masse.
Einige Hersteller setzen da noch eins drauf und erhöhen die Möglichkeiten: Anspruchsvolle Kunden stellen sich ihr Fahrzeug abseits des Katalogs individuell zusammen – mit selbstgewählten Farben, außergewöhnlichen Stoffen, besonderen Ausstattungen oder gleich Karosserieänderungen.
Individualisierte Fahrzeuge kosten viel Geld – Einzelstücke Millionen
„Einzelstücke sind ein absolutes Nischensegment für sehr solvente Kunden. Sie wollen sich damit differenzieren und ein Fahrzeug schaffen, das wirklich einzigartig ist“, sagt Professor Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach.
Nachteil: Die Autos werden sehr, sehr teuer. Zwischen einer und vier Millionen Euro kann ein eigener Fahrzeugneuentwurf kosten. Doch nicht alles ist erlaubt. Voraussetzungen für die Extrawünsche sind unter anderem, dass sie rechtlich und technisch umsetzbar sind sowie keinen Artenschutz verletzen. Letzteres könnte etwa exotische Lederbezüge betreffen. Auch Wünsche nach bestimmten Tropenhölzern können eventuell nicht machbar sein.
Vielzahl von Farben, Stoffen und Motoren schafft nahezu Einzigartigkeit
Das Basisprogramm: Bei Porsche lassen sich Ledersorten, Farben und Ziernähte individuell zusammenstellen, ebenso wie eine eigene Farbe für den Lack. Am häufigsten wünschen sich Kunden der Baureihen 718, 911 und Taycan neue Sitze mit anderen Stoffen: Schottenkaro, Hahnentritt oder Pepita, dazu andere Nähte oder Leder. Auch einen belederten Kofferraum oder verschiedene Designelemente bestellen Kunden häufig.
Rund 600 individualisierte Porsche verlassen Zuffenhausen pro Jahr, dazu kommen zwei bis vier One-off-Modelle (Karosserieeinzelstücke). Die Auswahl ist nahezu grenzenlos. Dafür setzt die Abteilung Sonderwunsch unter anderem auf eigene Sattler und Lackierer, die die Aufträge in Handarbeit erledigen.
Mehre Tausend stark veredelte - kaum ein Dutzend One-offs
„Die Änderungswünsche müssen unseren Qualitätsvorgaben entsprechen und unsere Sicherheitsstandards erfüllen. Bewusst gewählte Beleidigungen oder Themen, die nicht zum Kern der Marke passen, schließen wir aus“, sagt Alexander Fabig, Leiter Individualisierung und Classic bei Porsche. Bis zu 2.500 Fahrzeuge wollen die Stuttgarter perspektivisch im Jahr besonders veredeln, dazu kommen bis zu zehn One-off-Modelle – eine Nische innerhalb der rund 320.000 Fahrzeuge, die Porsche pro Jahr herstellt.
Über drei Jahre entwickelte der Italiener Luca Trazzi mit Designern von Porsches Sonderwunsch-Programm Konzepte und Details, bis er sein Karosserieeinzelstück Mitte August frisch lackiert übernehmen konnte – als originalen Porsche mit allen nötigen Zertifikaten und Werksgarantie.
Einzelstücke stammen meist von Luxus- und Sportwagenherstellern
Bei den One-off-Modellen erhält der Kunde ein einzigartiges Fahrzeug. In den vergangenen Jahren waren das in der Regel Spezialanfertigungen renommierter Sportwagen- oder Luxuswagenhersteller, weniger Autos von Volumenherstellern wie Ford, Opel oder VW. Zu den Höhenpunkten der individuellen Gestaltung der vergangenen Jahre zählen unter anderem Aston Martin Victor, Bugatti La Voiture Noire, Rolls-Royce Sweptail, Ferrari SP38 Deborah, Lamborghini SC20 sowie der Porsche 911 993 Speedster.
Je exklusiver also das Fahrzeug, desto eher wird veredelt. „Ob sich Einzelstücke für Autohersteller wirtschaftlich rechnen, lässt sich schwer ermitteln. Sie rentieren sich nur, wenn der Preis sehr hoch ist und das Modell auf einem bestimmten Baukasten basiert“, sagt Professor Bratzel. Dennoch sei die Arbeit eher eine Manufaktur-Tätigkeit und habe wenig mit der Massenfertigung der Industrialisierung zu tun. „Aber auch wenn die Hersteller bei besonderen Einzelstücken kaum Geld verdienen – die Projekte steigern das Image der Marke“, sagt Bratzel.
Und für die Kunden - lohnen sich die Unikate am Ende sogar finanziell?
Starke Individualisierungen bei Fahrzeugen, Kleinserien oder gar Einzelstücke rentieren sich mit den Jahren nur selten. „Bei der Entwicklung von Einzelstücken kalkulieren die Hersteller meist großzügig, sodass das Fahrzeug für den Erstkunden sehr teuer wird. Nicht jedes Auto erfährt später automatisch eine Wertsteigerung“, sagt Frank Wilke als Geschäftsführer von Classic Analytics, einem Unternehmen zur Marktbeobachtung und Bewertung von Oldtimern.
Viele Umbauten sind Herzensangelegenheiten und speziell auf den Erstkunden zugeschnitten. „Die treffen nicht jeden Geschmack, daher kann ein Weiterverkauf schwierig werden.“ Einzelanfertigungen können mit der Zeit wertvoller werden, eine Garantie dafür gibt es aber nicht. Neben emotionalen Gründen könne daher auch ein wirtschaftliches Interesse bestehen – mit der Hoffnung, dass das der Wert über die Jahre steigt.
Ein individuell gestaltetes Auto dient dennoch in erster Linie dem Autoliebhaber. „Er wird mit seiner automobilen Schöpfung kaum zum Bäcker fahren, sondern es in seine Sammlung fein säuberlich integrieren“, sagt Professor Bratzel.
So wie der Porsche 993 Speedster. Nicht nur seine Form ist ungewöhnlich, sondern auch seine Farbe. Den strahlend gelben Fahrzeuglack benannte Luca Trazzi übrigens nach einem Hund seiner Ex-Freundin: Otto.
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