Schüler, die wie ein wandelndes Lexikon durchs Schulleben düsen, sind selten. Die meisten stöhnen eher, wie sie den ganzen Stoff nur behalten sollen. Doch das geht. Eine Anleitung zum Nachmachen.
Auch wenn man im digitalen Zeitalter so ziemlich alles sofort googeln kann, bleibt auch Schülern von heute nicht erspart, Wissen und Lehrstoff ganz klassisch in sich hinein zu pauken. Doch wie soll man sich das alles merken? Und wie klappt es, dass man Vokabeln für den nächsten Englischtest, Staatsformen für den Geschichtsunterricht oder die Unterschiede von tierischen und pflanzlichen Zellen abrufbereit hat und 1a aufs Papier bringt?
Lara Emily Lekutat (19) weiß es. Sie war früher eine mittelmäßige Schülerin, die keine Hausaufgaben mochte und sich darüber ärgerte, wie viel Zeit man mit ineffektiver Lernerei verplempert. „Das muss doch auch schlauer gehen“, dachte sie sich und probierte diverse Lernmethoden aus. Mit cleveren Tricks überlistete sich die Brandenburgerin selbst. Das sensationelle Ergebnis: ein 0,8er-Abitur - also besser als 1.
Die Top-Abiturientin studiert inzwischen Jura in Berlin, gilt als Lern-Influencerin auf mehreren Social-Media-Kanälen und avancierte zur Buchautorin („Bestnoten ohne Stress: Mit minimalem Aufwand zum 1,0-Abitur“).
Hier stellt sie ihre zehn erfolgreichsten Tricks vor:
1. Mit dem 10-Minuten-Trick in den Flow kommen
„Egal, welches Lernpensum - das Schwierigste ist immer, überhaupt anzufangen“, erklärt Lekutat das Problem. Man habe meist zu viel auf der Liste stehen und denke: „Oje, das dauert mindestens 2 bis 3 Stunden.“ Das demotiviert. Also müsse man sich austricksen - mit der 10-Minuten-Methode: „Ich sage mir: Diese Aufgabe mache ich jetzt 10 Minuten lang. Das klingt nach so gut wie nichts, aber man hat erst einmal angefangen“, erklärt Lekutat.
Ergebnis: Man kommt in den Flow, hat ein Erfolgserlebnis, dass man überhaupt begonnen hat, und bekommt Lust auf mehr von diesem tollen Gefühl. Im Idealfall ist man dann schon so im Thema drin, dass man die Aufgabe bis zum Ende durchzieht. Falls man wirklich keine Lust mehr hat, könnte man ja wieder aufhören, aber das passiert laut Lekutat so gut wie nie.
2. Pomodoro-Methode
Auf der Suche nach effektiven Lernmethoden ist Lekutat auf die Pomodoro-Methode (nach dem tomatenförmigen Küchenuhrmodell) gestoßen. Entwickelt hat sie der Italiener Francesco Cirillo vor rund 40 Jahren. Sie besagt, dass man die Arbeit in 25-Minuten-Abschnitte unterteilt – die sogenannten pomodori. Dazwischen kommen dann immer 5-minütige Pausen. „Ich habe diese Methode nach dem Ausprobieren allerdings abgewandelt. 25 Minuten waren mir viel zu kurz. Ich habe für mich herausgefunden, dass für mich Abschnitte von 90 Minuten ideal sind“, sagt der Lern-Profi.
Danach sei ein Switchen in ein anderes Fach eine gute Idee. Denn die Wissenschaft habe herausgefunden, dass das Durcheinanderlernen verschiedene Gehirnbereiche aktiviert, sodass das Gelernte besser hängen bleibt, sagt Lekutat.
3. Karteikarten statt Lernzettel
Karteikarten klingen in Zeiten von Lern- und Wiederholungs-Apps irgendwie anachronistisch, aber die Einserschülerin schwört darauf. Lara Emily Lekutat schreibt sich ihre Karteikarten nach dem Frage-Antwort-Prinzip, etwa auf der Vorderseite die Frage: „Was ist Deutschland für ein Staat?“ Auf der Rückseite werde dann die Antwort „demokratisch und sozial“ notiert.
Diese Methode sei grundlegend anders als Lernzettel, auf denen ganze Zusammenfassungen aufgeschrieben werden. „Wenn man sich die immer wieder durchliest, bringt das nichts. Aber wenn man sich zum Thema Fragen selbst ausdenkt und sich dann mit der Rückseite selbst abfragt, bleibt es besser hängen“, so die Top-Abiturientin. Dieses System nutzt sie auch jetzt beim Studium: „Ich habe schon 2000 Jura-Karteikarten. Immer, wenn ich Bahn fahre, habe ich welche dabei und frage mich selbst ab.“
Überhaupt hat sie sich antrainiert, bestimmte Tätigkeiten im Kopf mit Karteikarten zu verknüpfen, etwa das Zähneputzen: „Danach schnappe ich mir immer ein paar Karten.“
4. Sprachnachrichten
Knifflige Themen aus dem Lehrbuch übersetzt Lekutat in einfache Worte, nimmt sie als Vortrag in einer Sprachnachricht auf und schickt sie Freunden. Die sollen ihr dann spiegeln, ob sie das ganz ohne Vorwissen verstanden haben. Auch wenn es Freunde nerven sollte, hat diese Methode laut der Lern-Expertin zwei Vorteile: „Man merkt schon beim Erklären, ob man das Thema verstanden hat und dann die Kontrolle durch die Freunde.“
Weiterer Pluspunkt: Vor Klausuren oder Prüfungen kann man sich die Sprachnachrichten wie Hörspiele noch mal reinziehen. Ist es aber nicht komisch, wenn man sich selbst hört? „Ich höre mich so oft selbst auf Social Media, dass ich darüber noch gar nicht nachgedacht habe“, entgegnet die Lern-Influencerin.
5. In Lehrer hineinversetzen
Ob Lehrbuch oder ein ganzer Themenkomplex: Bevor man wild darauf loslernt, ist es laut Lekutat schlauer, von hinten anzufangen. Sie fragt sich: Was denkt der Lehrer? Wie wird er die Klausur aufbauen? „Und dann schreibt man sich seine eigene Probeklausur. So lernt man gleich in Fragen-Antworten-Strukturen Textanalysen, Matheaufgaben oder Vorträge auf Englisch.“
6. Fokus-Pokus-Stunde
Wie jeder Schüler hat auch eine Super-Abiturientin Fächer, die sie nicht mag - Mathe etwa. Lekutat: „Dafür habe ich mir die Fokus-Pokus-Stunde ausgedacht. Das ist eine Stunde am Tag, die ich für blöde Aufgaben reserviere. Einfach eine Stunde - und keine Minute länger - durchziehen und überstehen. Das ist ein Motivationstrick, weil die Zeit überschaubar ist.“
7. Streber suchen Streber
Muss es unbedingt ein Streber sein, mit dem man zusammen übt? Ja! „Es ist besser, man sucht sich zum Lernen Leute, die ähnlich ticken, als jemanden, der gar keine Lust zum Lernen hat“, so Lekutat. Man könne sich gegenseitig mit Karteikarten abfragen oder den Stoff erklären. Auch hier gelte: „Da merkt man schon beim Erklären mit eigenen Worten, ob man es selbst richtig verstanden hat.“ Laras Lern-Freund zum Beispiel war gut in Mathe, sie in Englisch. „Eine Top-Kombi“, sagt sie.
8. Ablenkung und Handy verbannen
Für die Zeit des Lernens heißt es: Handy weg, ganz weit weg! „Am besten, man packt es in die Schublade“, rät Lekutat. Denn jegliche Ablenkung sei hinderlich. Deshalb sei auch wichtig, dass man den Schreibtisch aufräumt. Am besten, er ist ganz leer, nur Material für das momentane Thema dürfte darauf liegen. „Denn fällt der Blick vom Material zu anderen Aufgaben, macht es das Lernen schwieriger und man denkt ständig: Oje, das muss ich ja auch noch machen.“
9. Spaced Repetition: App managt die Wiederholungsintervalle
Damit Erlerntes im Kopf bleibt, braucht es Wiederholungen. Für unterschiedliche Themen und Fächer benötigt man individuelle Wiederholungszyklen. „Welche da am effektivsten ist, kann man sich sogar mit technischer Unterstützung anzeigen lassen“, sagt Lekutat.
Dafür kann man dann das Handy nutzen: Es gebe Apps für Spaced Repetition („verteilte Wiederholung“), die einem die jeweils idealen Zeitabstände nach Algorithmen berechnen. Man müsse nur die Karteikarte einscannen und das Programm zeigt einem dann an, wann man die Infos auffrischen soll. Lekutat: „Meist heißt es anfangs täglich, später alle drei Tage, dann wöchentlich und so weiter.“
10. Fehler machen hilft weiter
Ob im Unterricht oder beim Erklären für Lern-Freunde oder in Sprachnachrichten: Die Super-Abiturientin hat gemerkt, dass Fehler sehr beim Lernen helfen. Lara Emily Lekutat: „Habe ich etwas Falsches gesagt, ist das so mit Emotionen verbunden, dass ich das gar nicht vergessen kann und mich in der Klausur daran erinnere.“
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