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EU plant schärfere Regeln für den Verbraucherschutz bei Krediten

05.12.2023
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− Foto: www.depositphotos.com

Viele Kunden tätigen Rechnungs-Käufe im Internet. Oft nutzen Verbraucher einen der angebotenen Zahlungsdienstleister, bei denen Zahlungsaufschübe zwischen 14 und 30 Tagen geboten sind. Die Verbraucher erhalten die Waren sofort. Der Rechnungsbetrag wird erst bis zu 30 Tage später fällig. Das ist aus Sicht des EU Parlaments ein Kurzzeitkredit. Dieser wird ohne Kreditvergleich vorgenommen.

Diese Kreditform möchte die EU durch eine neue Verbraucherkreditrichtlinie - in englischer Sprache "Consumer Credit Directive", kurz CCD - mit verschärften Bedingungen ausstatten. Sie sieht darin eine Möglichkeit, die zunehmende Überschuldung von EU-Bürgern zu verringern. Die bisherige Verbraucherkreditrichtlinie stammt aus dem Jahre 2008. 2023 setzte sich die EU mit der überarbeiteten Richtlinie durch.

Alle EU-Länder stimmten dem überarbeiteten EU-Entwurf zu. Verkäufer müssen Rechnungskäufe mit späterer Zahlungsfrist anders behandeln. Sie müssen aus Sicht der EU wie Kreditvergaben behandelt und mit schärferen Vergaberegeln versehen werden. Darin sieht der Handel eine Erschwernis und eine Einschränkung der Online-Kunden.

Diese müssen nun auch bei kleinen Rechnungsbeträgen für online getätigte Bücherkäufe eine Bonitätsprüfung und die Umsetzung anderer Vorschriften hinnehmen.

Bereits im Vorfeld 2021: EU-weit durchgeführte Überprüfung von kommerziellen Internetseiten ("Sweep") zum Thema "Online-Verbraucherkredite"

Im Jahresbericht der Wettbewerbszentrale wird über den "Sweep" des Jahres 2021 berichtet. Dieser wurde in Deutschland zum Thema "Werbung für Online-Verbraucherkredite" vom "Bundesamt für Justiz" koordiniert. Der sogenannte "Sweep" bezeichnet die Überprüfung von Webseiten, die der Werbung für Online-Verbraucherkredite dienen. Der "Sweep" wurde EU weit durchgeführt.

In der Folge erarbeitete die Europäische Kommission schon 2021 einen Entwurf für eine neue Verbraucherkreditrichtlinie. Diesem Entwurf stimmte das Parlament der EU im September 2023 zu. Das hat zur Folge, dass alle EU-Staaten diese Regelung bis 2026 in nationales Recht übertragen müssen. Die bisherige Praxis, Rechnungen mit verlängertem Zahlungsziel von Dienstleistern wie Klarna, PayPal oder RatePay nicht als Kreditform anzusehen, entfällt.

Im Fokus der neuen Regelungen stehen neben Kleinkrediten von Onlineanbietern auch sogenannte "buy now, pay later"-Angebote. Diese stehen im Zusammenhang mit Rechnungskäufen im Internet. Hierbei handelt es sich aus Sicht der EU um eine Abart des Kurzzeitkredits. Rechnungskredite vergeben Zahlungsdienstleister jedoch oft ohne Identitäts- und Bonitätsprüfung. Auch der Kreditvergleich entfällt, weil die Verbraucher darin keine Kredite erkennen.

Die neue Regelung soll im Sinne des Verbraucherschutzes mehr Sicherheit bei später vorzunehmenden Zahlungen von Onlinekäufen bieten. Aus Sicht der EU beinhalten diverse neue Zahlungsmöglichkeiten Risiken. Ein Risiko ist eine Überschuldung durch die Anhäufung verschiedener Kreditformen, die Verbraucher nicht als solche erkennen.

Zahlungsdienstleister, Verkäufer und Verbraucher profitierten bisher von dieser Lösung gleichermaßen. Der Zahlungsaufschub ist beliebt. Bis 2026 muss sich der Handel nun auf neue Regelungen einstellen. Wie die Zahlungsdienstleister darauf reagieren, ist nicht klar. Ob sie den Vorgaben der strengeren Richtlinien folgen oder neue Zahlungsmodelle entwickeln, bleibt abzuwarten.

Was verändert sich durch die neue Verbraucherkreditrichtlinie?

Strengere Regeln für Zahlungsmethoden im Fernabsatz

Alle Zahlungsmethoden, die Rechnungskäufe im Internet betreffen, unterliegen spätestens 2026 strengeren Regeln. Das betrifft vor allem Rechnungskäufe mit langem Zahlungsziel und die "buy now, pay later"-Angebote, die verschiedene Zahlungsdienstleister im Internet anbieten. Zukünftig unterliegen diese als Kredit-Angebote strengeren Regeln.

Ausbau von Informationspflichten

Zweck der neuen EU-Richtlinie ist der Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern vor Zahlungsschwierigkeiten und Überschuldung. Zahlungsdienstleister und Verkäufer müssen zukünftig ausführlichere Informationen zu solchen Rechnungen bereitstellen.

Die erweiterten Informationspflichten betreffen schon die Online-Bewerbungen solcher Zahlungsangebote. Jeder Anbieter muss in Zukunft Daten wie Sollzinssätze, Gesamtkreditbeträge, effektive Jahreszinsen und gegebenenfalls die Kredit-Laufzeit offenlegen.

Außerdem sind sie verpflichtet, anfallende Zinskosten in Euro und Cent detailliert auszuweisen.

Verpflichtende Bonitätsprüfung bei Kreditangeboten

Bisher wurden erlaubte Zahlungsverzögerungen von Zahlungsdienstleistern nicht als Kreditangebote behandelt. Durch die neue Richtlinie wird eine verpflichtende Bonitätsprüfung bei allen Kreditangeboten im Internet bindend. Jeder Anbieter hat damit die Pflicht, eine genaue Bonitätsprüfung durchzuführen. Ein unabhängiger Finanzradar Kreditvergleich gibt beispielsweise Einblick, welche Bonitätskriterien bei üblichen Darlehen in den meisten Fällen gelten. Ähnliche Richtlinien gelten dann auch für Ratenkäufe. Die reine Schufa-Abfrage soll nach Sicht des EU-Parlaments nicht ausreichen.

Regelungen für sämtliche Kredite bis 100.000 Euro in der Verbraucherkreditrichtlinie

Onlinekredite, die von der Neuregelung der EU-Verbraucherkreditrichtlinie betroffen sind, beginnen zukünftig bei Käufen mit "buy now, pay later"-Zahlungen. Sie betreffen außerdem online vergebene Kleinkredite und Kredite bis zu 10.000 Euro.

Inwieweit das auch online vergebene Privatkredite betrifft, ist unklar. Kredite von ausländischen EU-Banken, die keinen Zugriff auf Schufa-Daten haben, dürften aber unter die Neuregelung fallen. Inwieweit solche Kreditgeber Bonitätsprüfungen vornehmen, ist bisher nicht einheitlich geregelt.

Verbraucherkreditrichtlinie: Fokus auf Kleinkredite und sogenannte "Buy now, pay later"-Angebote

Der Fokus der neuen Verbraucherkreditlinie liegt nicht zufällig auf den beliebten "buy now, pay later"-Angeboten von Zahlungsdienstleistern wie Klarna, PayPal, Afterpay, Unter E-Com, Apple Pay Later, Billpay, BNPL und GoCardless. Wer online Waren auf Rechnung kauft, profitiert bei vielen Onlineshops von Zahlungsaufschüben. Die Begleichung des Rechnungsbetrages erfolgt erst 14 Tage oder einen Monat später.

Die Zahlungsdienstleister gehen gegenüber dem Online-Verkäufer in finanzielle Vorleistung. Sie räumen den Käufern verlängerte Zahlungsfristen ein. Dafür kassieren sie Zinsen oder Gebühren. Solche Zahlungsmodalitäten sind insbesondere unter jüngeren Menschen beliebt. Zahlungsaufschübe werden meist nicht als verdeckte Kreditform angesehen.

Daher unterliegen solche Zahlungsmodalitäten bisher keinen ausführlichen Identitäts- oder Bonitätsprüfungen. Das EU-Parlament sah darin eine Praxis, die zur Überschuldung junger Menschen beiträgt.

Folgen der neuen Richtlinie: Handel sieht "Kauf auf Rechnung" gefährdet

Onlinehändler sehen Rechnungskäufe mit Zahlungsaufschub nicht als Kreditangebote an. Die Verbraucher nehmen keinen Kreditvergleich vor. Solche Rechnungskäufe sind in Deutschland ebenso beliebt wie Ratenkäufe. Käufe mit Ratenzahlung werden aber eher für größere Anschaffungen genutzt. Die Gleichsetzung von Rechnungskäufen mit langen Zahlungszielen mit anderen Kreditangeboten im Internet sieht der Handel kritisch.

Die verpflichtende Bonitätsprüfung sei zwar sinnvoll. Wenn jedoch alle Rechnungskäufer strenger geprüft würden, weil sie online Produkte gegen Rechnung bestellen, würden zahlreiche Käufer andere Zahlungswege wählen oder auf Onlinekäufe verzichten. Die Kritik ist durchaus nachvollziehbar. Kunden möchten bei geringfügigen Online-Käufen von Vitamin B12-Zahnpastas oder einem T-Shirt-Kauf nicht ihre persönlichen Daten und ihre finanziellen Verhältnisse offenlegen.

Der Handel befürchtet, den beliebten Rechnungskauf nicht mehr oder nur noch in eingeschränktem Umfang anbieten zu können. Viele Kunden bevorzugen einen Warenerhalt vor der Bezahlung. In diesem Fall können sie Waren gegebenenfalls retournieren, ohne dass die vorab erfolgte Bezahlung erstattet werden muss.

Die Retouren-Bearbeitung ist bisher nicht kostenpflichtig. Sie ist jedoch aufwendig und zeitintensiv. Käme nun die Rücküberweisung bereits bezahlter Summen dazu, müssten Händler Retouren zukünftig kostenpflichtig bearbeiten. Amazon hat diesen Schritt bereits angekündigt.

Einigung über Verbraucherkreditrichtlinie

30. Juni 2021: EU-Kommission legt einen Vorschlag für eine neue Verbraucherkreditrichtlinie vor

Der Startpunkt der neuen Verbraucherkreditrichtlinie lag im Juni 2021. Damals erarbeitete das EU-Parlament Grundzüge einer neuen Richtlinie für Verbraucherkredite, einschließlich des Rechnungsaufschubs bei Onlinekäufen. Verschärft wurden die Informationspflichten der Zahlungsdienstleister und Verkäufer sowie die Überprüfung der Kreditwürdigkeit der Käufer, die Rechnungskäufe über Zahlungsdienstleister tätigen.


Der Grund für die neuen Regelungen war die Tatsache, dass die letzte Überarbeitung der Richtlinie im Jahre 2008 stattfand. Inzwischen hat sich der Onlinehandel als umsatzstarke Alternative zum stationären Handel entwickelt. Mit der Zeit haben sich zahlreiche Zahlungsdienstleister für Internet-Käufe etabliert. Diese bilden eine zwischen Verkäufer und Verbraucher geschaltete Instanz.

Durch interessante Zahlungsmodelle bieten sie beiden Beteiligten Vorteile. Die Verkäufer erhalten ihr Geld sofort, die Verbraucher zahlen erst später. Die gesamte Zahlungsabwicklung samt Mahnverfahren und Rückerstattung wird von vielen Händlern bei Online-Käufen auf Rechnung an einen Zahlungsdienstleister abgegeben.

Viele dieser Angebote sind prinzipiell als Kurzzeitkredite anzusehen. Diese werden ohne Kreditvergleich, verpflichtende Identitäts- und Bonitätsprüfung und ohne Schufa-Abfragen vergeben. Zugleich boomt der Onlinemarkt mit umstandslos zu beantragenden Kreditangeboten im Umfang von 10.000 Euro.

Februar 2022: Berichtsvorschlag mit Verhaltensregeln für Inkassounternehmen

Aufgrund der 2021 erarbeiteten Vorschläge der EU-Kommission für eine Modernisierung der Verbraucherkreditrichtlinie von 2008 beriet das EU-Parlament darüber. Seit der letzten Überarbeitung hatte sich der Online-Handel erheblich entwickelt. Viele Rechnungszahlungen wickeln inzwischen Zahlungsdienstleister ab. Diese räumen den Kunden Zahlungsfristen zwischen 14 und 30 Tagen ein. Zugleich wurde das Angebot zinsgünstiger Onlinekredite erheblich erweitert.

Es gab zudem 2008 nicht die die Möglichkeit, über Crowdfunding und Crowdlending an Geld im Internet zu kommen. Zudem mussten neue Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) berücksichtigt werden. Der EU-Parlamentsausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz befasste sich daher mit den Vorschlägen der EU-Kommission. Nach ausführlicher Diskussion reichte der Parlamentsausschuss Ergänzungs- und Änderungsvorschläge bei der EU-Kommission ein.

Dem Parlamentsausschuss geht es um einen höheren Verbraucherschutz. Der Ausschuss schlug beispielsweise vor, dass die Verbraucher personalisierten Angeboten von Online-Händlern, die aufgrund von Profiling-Maßnahmen erstellt wurden, erst zustimmen müssen. Die EU-Kommission hatte in ihrem Richtlinienvorschlag lediglich vorgesehen, dass Verbraucher über personalisierte Angebote informiert werden müssen.

Der Kommissionsentwurf verpflichtete alle EU-Staaten dazu, Schuldnerberatungsdienste zu etablieren. Der Parlamentsausschuss schlug vor, die Beratungsstellen auf ihre Qualität hin zu untersuchen und zu registrieren. Das EU-Parlament schlug außerdem vor, dass Inkassodienste zukünftig nach einheitlichen Verhaltensregeln vorgehen müssen.

Die Mitgliedsstaaten der EU sollten das verpflichtend sicherstellen. Diesem Vorschlag nach müsste die EU einen bindenden Verhaltenscodex für Inkassounternehmen festlegen.

August 2022: Trilog-Verhandlungen

Im Juli 2022 beschloss der zuständige EU-Parlamentsausschuss, eine Änderungsliste mit Kompromissvorschlägen zur Grundlage für die sogenannten Trilog-Verhandlungen zu machen. Einer der enthaltenen Kompromisse entschärfte die vorgeschlagenen Verhaltensregeln für Inkassounternehmen.

Es sollte demnach eine Ergänzung des Artikels 36 in der Verbraucherkreditrichtlinie geben, die Verhaltensregeln für Inkassounternehmen definiert. Es war jedoch nicht mehr die Rede von verpflichtenden Vorgaben, sondern von Vorschlägen, die nach Möglichkeit umzusetzen seien.

Zukünftig dürften Inkassounternehmen keine Verbraucher mehr einschüchtern. Die Inkassounternehmen sollten Verbraucher weder mit Anrufen noch mit anderen Nachrichten bombardieren dürfen.

Selbst der "Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen" (BDIU) legt strengere Richtlinien zugrunde, während die EU in ihrer eigenen Verbraucherkreditrichtline abgeschwächte Regeln einführen wollte.

Mai 2023: Abschluss der Trilogverhandlungen

Ende April 2023 wurden die Trilogverhandlungen betreffs einer neuen "Consumer Credit Directive" (CCD) abgeschlossen. Das abschließende Vereinbarungsdokument enthält jedoch zahlreiche Kompromisse, auf die sich die beteiligten Instanzen einigen konnten.

Es fiel auf, dass der neue Artikel 36 a über neue Verhaltensregen für Inkassodienste in der Endfassung des Dokuments fehlte. Die Lobbyisten der Inkassobranche hatten offensichtlich in Brüssel die Muskeln spielen lassen.

Nach der technischen Bearbeitung der neuen Verbraucherkreditrichtlinie wollte das Europäische Parlament die Beschlüsse im September des Jahres 2023 verabschieden.

Europäische Parlament hat die Verbraucherkreditrichtlinie (Consumer Credit Directive, CCD) am 12. September 2023 beschlossen

Der Beschluss der neuen Verbraucherkreditrichtlinie (Consumer Credit Directive, CCD) wurde durch das EU-Parlament am 12.9.2023 verabschiedet. EU-weit soll diese Richtline nun umgesetzt und in der jeweils laufenden Legislaturperiode in nationales Recht überführt werden - spätestens aber bis 2026.

Das Niveau der Verbraucherschutzregeln in Bezug auf Kreditverträge wurde angehoben. Die Informations- und Sorgfaltspflichten für Kreditvermittler und Kreditgeber wurden verschärft. Auch das "buy now, pay later"-Zahlungsmodell fand in der neuen Richtlinie Berücksichtigung.

Immerhin konnte das komplette Aus für solche Rechnungskäufe umschifft werden. Rechnungskäufe mit langem Zahlungsziel müssen nun aber als eine Form von Kredit angesehen und entsprechend behandelt werden.

EU-Länder haben die neue Verbraucherkreditrichtlinie am 9. Oktober 2023 gebilligt

Als Folge davon müssen die neuen EU-Richtlinien zur Kreditvergabe und zu Rechnungsverkäufen, die nach dem Prinzip "buy now, pay later" abgewickelt werden, bis spätestens 2026 in nationales Recht überführt werden.

Die Frist bis zur Umsetzung beginnt mit der Veröffentlichung der Beschlüsse im EU-Amtsblatt. In Deutschland muss damit gerechnet werden, dass die Bundesregierung diese Regelungen noch vor Ende der laufenden Wahlperiode umsetzen wird.