Erbe ausgeschlagen? Häufig hört man das im Kontext eines überschuldeten Nachlasses. Es kann sich aber lohnen, vorher genauer hinzuschauen. Nicht, dass am Ende bislang unbekannte Guthaben auftauchen.
Gehen Sie davon aus, dass ein Erbe, das Ihnen zufallen soll, überschuldet ist? Dann sollten Sie es trotzdem nicht aufgrund bloßer Spekulation ausschlagen. Besser ist es, wenn Sie vorab zumindest einige Informationen darüber einholen. Haben Sie sich schlussendlich über die Zusammensetzung geirrt, stehen die Chancen besser, die Ausschlagung erfolgreich anzufechten und das Erbe doch noch anzutreten. Das zeigt ein Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (Az.: 21 W 146/23)
In dem konkreten Fall hatte eine Frau nach dem Tod ihrer Mutter die Erbschaft ausgeschlagen. Neun Monate später focht sie die Ausschlagung an und beantragte stattdessen einen Erbschein als Alleinerbin. Der Grund: Sie sei fälschlicherweise von einer Überschuldung des Nachlasses ausgegangen. Die Frau war nicht bei ihrer Mutter aufgewachsen, hatte seit dem elften Lebensjahr keinen Kontakt mehr zu ihr. Die einzigen Informationen, die sie hatte, waren die der Kriminalbeamtin, die ihr die Nachricht vom Tod der Mutter überbrachte.
Oberlandesgericht widerspricht Nachlassgericht
Diese berichtete vom chaotischen und unaufgeräumten Eindruck der Wohnung im Bahnhofsviertel. Ohne die Wohnung selbst besichtigt zu haben, nahm die Frau an, ihre Mutter sei „abgerutscht“ und habe in einem „sozialen Brennpunkt“ gelebt. Erst durch ein Schreiben des Nachlasspflegers erfuhr die Frau von Konto-Guthaben ihrer Mutter im oberen fünfstelligen Bereich. Das Nachlassgericht wies den späteren Erbscheinantrag der Tochter allerdings zurück. Die Anfechtung der Erbausschlagung sei unwirksam. Das Oberlandesgericht sah das anders.
Wer sich über die Zusammensetzung einer Erbschaft irrt, nachdem er naheliegende Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung ausgeschöpft hat, kann die Ausschlagung einer Erbschaft grundsätzlich anfechten. Das Oberlandesgericht sah das in dem vorliegenden Fall als gegeben an. Die Frau habe von den Konto-Guthaben nichts wissen können, was sie in der persönlichen Anhörung überzeugend darstellen konnte. Darum könne sie die Erbausschlagung wirksam anfechten und so das Erbe antreten.
Übrigens: Nur weil es sich bei der Frau um einen Irrtum bei der Zusammensetzung des Nachlasses handelte, gab ihr das Gericht Recht. Eine bloße Fehlannahme über den Wert eines Nachlasses hätte keinen Anfechtungsgrund begründet.
© dpa-infocom, dpa:240903-930-221670/1
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