Einst geprägt von florierendem Bergbau und einer gewinnbringenden Textilindustrie, kämpft Hohenstein-Ernstthal in Sachsen seit der Wende mit dem demografischen Wandel. Die Große Kreisstadt hat allerdings nicht nur viel Geschichte zu bieten, sie verwandelt sich auch regelmäßig in ein Eldorado für Motorsportfans.
Der Kreisverkehr erzählt den einen Teil der Geschichte, der Briefkopf, der offizielle Dokumente ziert, den anderen. Die knapp 14 000 Einwohner zählende Große Kreisstadt Hohenstein-Ernstthal ist ein auf den ersten Blick unscheinbares Fleckchen zwischen Chemnitz und Zwickau in Sachsen, das es wegen zweierlei Dingen zu Berühmtheit gebracht hat: Schriftsteller Karl May ist hier geboren und der Sachsenring, auf dem unter anderem das Deutschlandrennen der Motorrad-Weltmeisterschaft ausgetragen wird, befindet sich hier.
Zugleich hat der Ort die gleiche Entwicklung mitgemacht, wie viele andere Städte und Gemeinden in der Region. Oberbürgermeister Lars Kluge erzählt, dass Hohenstein 1510 gegründet wurde. Schon damals war es der Bergbau, der die Sachsen dazu veranlasste, sich niederzulassen. 1679 siedelten sich einige Hohensteiner im nahe gelegenen Wald an, da in Hohenstein die Pest grassierte. Zu Ehren von Christian Ernst von Schönburg und August Ernst von Schönburg erhielt die neue Ansiedlung den Namen Ernstthal. 1687 bekam Ernstthal das Stadtrecht. 1898 gingen die beiden Städte nach langen Verhandlungen eine Bindung ein und bildeten das heutige Hohenstein-Ernstthal.
Die Bergbauleute, so erzählt es Kluge, hätten ihre Familien mitgebracht und die Frauen begannen daheim zu weben. Daraus wiederum entwickelte sich mit den Jahren ein eigener Industriezweig und ab dem 17. Jahrhundert dominierte die Weberei, wobei der Bergbau – etwa im St.-Lampertus-Schacht inmitten der Stadt – erst 1906 eingestellt wurde.
Mit der Wende war es auch mit der bis dahin florierenden Textilindustrie schnell vorbei. Die Textilindustrie im Osten konnte nicht mit der des Westens mithalten. Die Bausubstanz war veraltet, genauso die Technik. Nach 1990 gaben immer mehr dieser Unternehmen auf. Ihre Schicksale werden anschaulich im dortigen Textilmuseum nacherzählt und auch die einstigen Arbeitsgeräte und produzierten Waren gezeigt.
Mit dem Wegbrechen eines gesamten Industriezweigs sank die Einwohnerzahl von Hohenstein-Ernstthal. Mehr als 5000 Bürger hat die Große Kreisstadt seit den 1990er Jahren verloren. „Wir werden immer weniger“, sagt Oberbürgermeister Kluge. Man kämpfe hier nicht nur auf besondere Weise mit dem Fachkräftemangel. Kluge spricht gar von einem „Menschenmangel“, mit dem man konfrontiert sei. Die Jungen fehlen, denn sie ziehen lieber in die nahen Großstädte. Die wirtschaftlichen Probleme von VW, das im nahen Zwickau ein Werk betreibt, bereiten dem Oberbürgermeister gerade zusätzliche Sorgen. Ein riesiger Arbeitgeber und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sei das Unternehmen auch für Hohenstein-Ernstthal. Wobei in Zwickau der Fokus auf E-Mobilität liegt, was Kluge vorsichtig optimistisch stimmt.
Stolz ist man in Hohenstein-Ernstthal auf einen wahren Wirtschaftsmotor vor den Toren der Stadt: den Sachsenring. Seine Geschichte wird im Rennsportmuseum erzählt, das sich im selben Gebäude des Textilmuseums befindet. Ein ganzes Stockwerk ist der Entwicklung des Rennsports in der Region gewidmet, der jedes Jahr Hunderttausende Besucher in die Gegend bringt, die wiederum für Umsätze in den Gaststätten, Hotels, im Handel und vielem mehr sorgen.
Nach einer Studie der TU Chemnitz brachten die Besucher zwischen 2012 und 2016 jährlich mehr als 23 Millionen Euro am Wochenende der Motorrad-WM in die Region; wichtige Einnahmen für Hohenstein-Ernstthal und die Umgebung, die trotz der schwierigen Bedingungen für Perspektive sorgen.
Redakteurin Johanna Richter reiste mit dem Städtepartnerschaftsverein Burghausen nach Hohenstein-Ernstthal. Burghausen im Landkreis Altötting unterhält seit mehr als 20 Jahren eine Partnerschaft mit der sächsischen Stadt. Bereits kurz nach der Wende war Kontakt dorthin entstanden. Es kam zu vielen Bekanntschaften und einer Verbindung, die bis heute währt. Regelmäßig finden Fahrten nach Hohenstein-Ernstthal statt, so zuletzt im Dezember eine Bürgerfahrt, die die Redakteurin begleitete.
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