Reise-Reportage
Im Hinterland von Mauritius: Dem süßen Geheimnis guten Tees auf der Spur

31.01.2025 |
Christina Mendi

Paradiesisches Panorama: Am Fuße des sagenumwobenen Le Morne Brabant Berges liegt ein kilometerlanger weißer Sandstrand.

Abseits der weißen Traumstrände am türkisblauen Ozean hat Mauritius noch mehr zu bieten. Ein Besuch in der ältesten und traditionsreichsten Teefabrik des Landes, wo der berühmte Vanille-Tee noch in Handarbeit hergestellt wird.

Das Knattern der Maschinen dröhnt durch die Fabrikhalle. 30 Jahre haben sie schon auf dem Buckel. Dabei hat es den Anschein, als wären es noch deutlich mehr Jahrzehnte. Vielleicht ist es der gelb-rote Anstrich, der sie noch antiker wirken lässt. Der Lärm ist jedenfalls beachtlich. Dafür entschädigt der angenehme Duft. Es riecht, als wäre man wie „Alice im Wunderland“ in eine gigantische Teedose gefallen. Genau genommen sind wir das auch.

In der „Bois Cheri“-Teefabrik im hügeligen Hinterland von Mauritius wird gerade schwarzer Tee hergestellt. Auf der tropischen Insel im Indischen Ozean hat das nach Wasser weltweit meist konsumierte Getränk einen besonders hohen Stellenwert, genauer gesagt Vanille-Tee. Man trinkt ihn zum Frühstück – und natürlich zum Afternoon-Tea. Auch wenn Mauritius seit 1968 unabhängig ist, hat sowohl die französische (1715 bis 1810) als auch britische Vorherrschaft (1810 bis 1968) bis heute seine Spuren hinterlassen. Die Vorliebe für Tee ist jedenfalls eine davon.

Schier endlos wirkendes Meer aus saftigem Grün

Darshinee (28) führt mich durch die altehrwürdige Fabrik von „Bois Cheri“, die 1892 gegründet wurde. Ein süß-herber Duft liegt in der Luft. Die Teeblätter, die über knatternde Fließbänder, die
hierzulande vermutlich kein TÜV-Siegel mehr bekommen würden, Richtung Ofen fahren, wurden am Vortag geschnitten. Den Trocknungs-Prozess haben sie schon hinter sich. Dabei gingen 70 Prozent ihres Gewichts verloren. „Das Fermentieren beginnt beim Tee sehr schnell. Dabei ändern sich Farbe, Geruch und Geschmack. Innerhalb eineinhalb Stunden verwandelt sich die grüne Farbe in ein dunkles Braun. Dann wird der Schwarztee im Ofen bei 110 Grad zehn Minuten lang getrocknet“, erklärt Darshinee.

Draußen sorgen derweil Arbeiter für Nachschub für den nächsten Produktionstag und füllen tonnenweise die frisch gepflückten Teeblätter von heute Morgen in große, beige Netzsäcke – jeweils zehn Kilogramm schwer. Mit einer Seilbahn werden diese dann in den ersten Stock gezogen, wo sie zum Trocknen ausgelegt werden.

Im Oktober, wenn der Sommer auf Mauritius beginnt, dauert das 24 Stunden. „Im Winter müssen die Blätter 48 Stunden ruhen, bis sie weiterverarbeitet werden können“, ergänzt die junge Frau, die seit drei Jahren als Kontrolleurin hier arbeitet. Rund 150 Pflücker und 70 Fabrikarbeiter sind bei „Bois Cheri“ beschäftigt. Diese „Manpower“ ist auch zwingend nötig. Denn das Unternehmen baut auf 250 Hektar Tee an, der von Hand geerntet wird. Zum Vergleich: Monaco hat eine Fläche von 202 Hektar.

Kein Wunder also, dass die Anfahrt entlang der „Bois Cheri Road“ zur Fabrik durch ein schier endlos wirkendes Meer aus saftigem Grün führt. Überall wächst die Camellia Sinesis – die Pflanze, aus welcher Grüner, Schwarzer und Weißer Tee hergestellt wird. Während das Ausgangsprodukt für alle drei Sorten gleich ist, gibt es bei der Produktion sehr wohl Unterschiede. Schwarztee wird fermentiert, bevor er in den Ofen kommt. Danach wird der getrocknete Tee in Silos gefüllt, wo er drei Monate lang bleibt, um seinen einzigartigen Geschmack zu bekommen. Anschließend folgt die Veredelung mit Vanille.

Auf Mauritius spielt Vanille eine besondere Rolle, sowohl in der Küche als auch in der Kultur. Die tropischen Bedingungen der Insel
bieten ideale Voraussetzungen für den Anbau der kostbaren Vanille-Orchidee. Ursprünglich aus Mexiko stammend, wurde die Pflanze im 19. Jahrhundert nach Mauritius gebracht und wird seither hier kultiviert. In Kombination mit Schwarzem Tee ergibt Vanille ein harmonisches Zusammenspiel aus süßen und herben Aromen.

Gegenentwurf zum globalisierten Konsum

Die Kombination aus Schwarzem Tee und Vanille ist jedoch nur eine von vielen Möglichkeiten, wie die Teesorten in der „Bois Cheri“-Fabrik veredelt werden. Jede Sorte hat ihren eigenen Charakter und durchläuft einen ganz individuellen Verarbeitungsprozess. So wird Grüner Tee nur getrocknet. Bei ebenfalls 110 Grad kommt er für eine Stunde in den Ofen. Weißer Tee gilt als Champagner unter den Teesorten. Der Ertrag ist deutlich geringer. Bei der Herstellung wird nur das Innere der Pflanze verwendet. Mit Hilfe von Sonnenlicht werden die kostbaren Blätter 72 Stunden lang getrocknet, dann ist er fertig. Bei „Bois Cheri“ wird er nur in den Sommermonaten hergestellt, denn der Ertrag im Winter ist zu gering, der Aufwand daher zu groß. Während von Oktober bis April sechs Mal wöchentlich produziert wird, passiert es im mauritischen Winter nur einmal.

Rund 500 Tonnen Tee schafft die Fabrik so jedes Jahr. Der Großteil davon bleibt auf der Insel. Der Rest wird nach Puerto Rico, La Reunion, die Seychellen und Frankreich exportiert. In unserer globalisierten Welt, wo fast alles immer und überall verfügbar ist, hat das durchaus seinen Charme. So kommt man eben nur auf Mauritius in den Genuss eines traditionellen Vanille-Tees von „Bois Cheri“. Während die Maschinen im Hintergrund weiter knattern, wird mir bewusst, dass diese Fabrik mehr ist als ein Ort der Tee-Produktion. „Bois Cheri“ ist ein lebendiges Stück maurischer Geschichte. Einer der wenigen Orte, an dem noch Tradition und Handwerk die Zeit überdauern.


INFORMATIONEN

Mauritius liegt etwa 800 Kilometer östlich von Madagaskar im Indischen Ozean. Auf der Insel gibt es nur Sommer und Winter. Diese sind entgegengesetzt zu unseren Jahreszeiten. Amtssprache ist Englisch, zweite Amtssprache Französisch. Die Zeitverschiebung beträgt plus zwei Stunden in der Sommerzeit beziehungsweise plus drei Stunden in der Winterzeit.

ANREISEN

Die Airline Condor fliegt viermal wöchentlich ab Frankfurt direkt nach Mauritius (Preise ab 240 Euro pro Strecke).

ÜBERNACHTEN
Das JW Marriott Mauritius Resort liegt direkt am beliebten Strand von Le Mornet.

www.mymauritius.travel

www.govmu.org

Artikel kommentieren