Märchenschlösser, abgelegene Dörfer, historische Städte und eine von Hochebenen geprägte Landschaft – das kennzeichnet die spanische Provinz Segovia. Eine Gegend, wie geschaffen für Abenteuerlustige und Kulturinteressierte.
Zwölf Uhr Mittag. Riccardo Rodrigo Martin steht vor dem Eingang seines Hauses im Bergdorf Predraza in der Provinz Segovia und bringt Kerzen an. Vorsichtig drückt er die durchsichtigen Plastikbecher gegen das Fenstergitter und befestigt sie daran mit einem Kabelbinder. Wie viele es genau sind, weiß der 71-Jährige nicht. Aber am Abend werden rund 30000 solcher Kerzen die Stadt beleuchten – zur Nacht der Kerzen.
Eigentlich lebt Martin schon seit vielen Jahren in Madrid, er war einmal Fernsehjournalist, erzählt er. Aber jeden Sommer kommt er mit seiner Frau in seine Heimatstadt Pedraza, die mit dem Auto etwa eine Stunde entfernt ist. Mitten in bergiger, grüner Landschaft liegt das Dorf auf einem Hügel. „Etwa 50 Leute wohnen hier noch“, erzählt er. Die meisten, die hier aufgewachsen sind, wohnen mittlerweile woanders, viele in Madrid. Den Sommer verbringen sie dann aber gerne in Perdaza, nicht nur wegen des Kerzenfestivals. „Die Häuser sind groß, im Sommer kühl, aber im Winter kann man sie kaum heizen.“ Das ist wohl einer der Gründe, warum es sich auch manche nicht leisten wollen, das ganze Jahr über hier zu wohnen.
Ein Lichtermeer erstrahlt am Abend im Dorf
Während über Vormittag die Straßen noch halb leer waren, füllen sich die Gassen am Nachmittag. Dutzende Autos parken am Fuß der Stadt, die Menschen wandern den Hügel hinauf. Dort in den Gassen stehen sie, reden, trinken, essen. Am frühen Abend leuchten auch schon die ersten Kerzen. Kinder legen Motive aus, so finden sich Kerzenmeere in Notenschlüsseln, Herzen und andere Bilder am Boden. An der kleinen Burg, die am Ortsende thront, finden am späteren Abend die sogenannten Kerzenkonzerte statt.
Nicht weit von Pedraza entfernt beginnt die Straße der bunten Dörfer. Sie liegen nur wenige Kilometer voneinander entfernt in einer Hochebene. Alquité heißt das gelbe Dorf, das gerade einmal sechs Einwohner zählt. Die gelbliche Farbe der Häuser kommt vom lehmartigen Material, aus dem sie erbaut worden sind. Aus Granit bzw. schwarzem Schiefer sind die Häuser in Muyo erbaut. Am belebtesten ist das rote Dorf Madriguera. Es hat seinen Namen von den roten Häusern. „Das kommt von der eisenhaltigen Erde“, weiß Fremdenführer Mark „Marcos“ Zoder (60). Der gebürtige Deutsche wanderte in den 80er Jahren als junger Student nach Spanien aus und lebt mit seiner Familie in Kastilien. „Die Region ist so geschichtsträchtig und schön. Hier hab ich mich von Anfang an wohlgefühlt.“ Er liebt vor allem Orte wie Sepúlveda, die architektonisch noch original sind.
Beeindruckend ist die Hauptstadt der Provinz: Segovia. Durch ihre architektonischen Sehenswürdigkeiten, die auf viele Jahrhunderte Geschichte zurückzuführen sind, gehört sie zum UNESCO-Weltkulturerbe. Bei einem Rundgang kann man an den mittelalterlichen Stadtmauern entlangschlendern, die einst zum Schutz vor den Mauren errichtet worden sind, weiß Fremdenführer David Segovia. Vorne an der Spitze der Stadt ist der ehemalige Königspalast. „Die Stadt ist wie ein steinernes Schiff. Der Palast ist der Bug“, erklärt Segovia. In der Mitte der Stadt steht die alte gotische Kathedrale, sie bilde das Segel. „Und das Ruder ist das berühmte römische Aquädukt.“ 160 Bögen zählt die alte Wasserleitung, die zu einem großen Teil noch aus dem originalen mörtellosen Granitblöcken besteht, erklärt der 50-jährige Madrilene, der jetzt in einem kleinen Bergdorf in Kastilien lebt. Interessierte und Touristen durch Segovia zu führen, bereitet ihm nicht nur wegen seines Nachnamens große Freude. „Ich war schon immer an der Geschichte interessiert und Segovia, aber auch die gesamte Provinz und überhaupt Kastilien haben so viel zu bieten.“
Geier beobachten in den Hoces del río Duratón
Dass es auch landschaftliche Highlights gibt, kann man bei einer Kanu- oder Kajakfahrt in den Hoces del río Duratón, den Mäandern des Duratón-Flusses, erleben. Während man gemütlich über das Wasser paddelt, lassen sich die beeindruckenden Felsformationen bestaunen und Geier beobachten, die in den Felsspalten ihren Nachwuchs versorgen oder große Kreise über den Canyon ziehen. Kerry Harper (52) hat hier in der Region ihr Glück und ihren Traumberuf gefunden, wie sie sagt. „Ich finde die Geier faszinierend. Sie haben ein ausgeprägtes Sozialleben und sind sehr intelligente Tiere“, schwärmt sie. Seit vielen Jahren schon schippert die Schottin mit Touristen durch die Flussschlingen und erzählt von den faszinierenden Tieren.
Die Provinz Segovia in der zentralspanischen Region Kastilien und León zeichnet sich durch bergige Hochebenen, historische Städte und kleine Bergdörfer aus. Die Hauptstadt der Provinz ist die Weltkulturerbestadt Segovia. Beeindruckend ist die große alte Kathedrale, die Burg an der Spitze der Stadt und das Aquädukt aus der Zeit der Römer.
ANREISEN
Mit dem Flugzeug geht es von München nach Madrid in etwa zwei Stunden und 40 Minuten. Von Madrid in die Provinz fährt man am besten mit dem Auto. Die Fahrtzeit beträgt etwa eine Stunde.
ÜBERNACHTEN
•Mit dem Charme des historischen Ortes Pedraza lädt das „Hotel de la Villa“ seine Gäste ein.
•Ländlich, ruhig und rustikal wohnen lässt es sich in der „Posada Real El caserío de Lobones“ etwa 15 Minuten von der Stadt Segovia entfernt.
www.spain.info/de/
wwwturismodesegovia.com/de
www.tourismocastillayleon.com
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