Theologie
Fragen Außerirdische nach Gott?

Selbst Atheisten kamen im Kloster Ensdorf bei der Diskussion über die Religionsfreiheit von Aliens ins Grübeln.

31.07.2019 | Stand 16.09.2023, 5:38 Uhr
Hans Babl

Dr. Jürgen Kemmerer, Salesianerpater Alfred Lindner und Dr. Alexander Loichinger (v. l.) Foto: Hans Babl

EnsdorfAm Anfang des Diskussionsabends über die Religionsfreiheit von möglichen Außerirdischen, der im Kloster Ensdorf vom Bibelkreis im Zuge des 50-jährigen Gedenkens der ersten Mondlandung 1969 organisiert wurde, stand ein blauer Luftballon im Mittelpunkt. Der explodierte mit einem Knall. Das sollte den wissenschaftlichen „Urknall“ vor 13,7 Milliarden Jahren symbolisieren. Die biblische Gesprächsrunde mit 30 Teilnehmern im Kloster Ensdorf befasste sich mit sehr anspruchsvollen spirituellen Gedanken zu einer Thematik, die direkt an den innersten Kern christlicher Glaubenserfahrungen rütteln.

Dr. Jürgen Kemmerer von der Sternwarte in Regensburg führte aus, dass bis etwa 1988 noch kein Planet außerhalb unseres Sonnensystems entdeckt worden war. Seit diesen 30 Jahren wurden in 3000 Sternensystemen rund 4000 „Exoplaneten“ gefunden: „Ja, zu 100 Prozent gibt es im riesigen Universum habitable Planeten, das heißt Orte, auf denen Leben entstehen kann. Und ich denke auch, dass sich darunter intelligentes Leben – sprich religionsfähiges Leben – entwickeln kann“, bekannte Dr. Jürgen Kemmerer.

Pastorale Konsequenzen

Diese Aussage nahm Dr. Alexander Loichinger aus München, Fundamentaltheologe und Religionswissenschaftler an der Universität Mainz, zum Anlass, seine theologischen Gedanken vorzutragen und pastorale Konsequenzen zu ziehen. „Wenn wir eines Tages über den Mond hinaus fliegen, etwa zum Mars oder noch viel weiter, dann würden wir uns sehr wundern, wenn wir nur tote Materie feststellen müssten. Die moderne Astrophysik redet schon heute von vielen außerirdischen Planeten, auf denen intelligentes Leben entstehen kann. Solche möglichen Aliens würden dann eher unseren irdischen Schöpfungsglauben bestätigen, da im christlichen Verständnis ja Gott der ursächliche Urheber von Leben sein will – und nicht nur für tote Materie zuständig sein kann“.

Dr. Loichinger trat für einen Bewusstseinswandel in der christlichen Religionserfahrung ein, wer denn die besseren Abbilder Gottes im Universum seien. Er erinnerte an die berühmte jüdische Geschichte, dass beim Jüngsten Gericht auch die Tiere vor den Schöpfer hinträten und die Menschen anklagten, warum sie die Umwelt und die Tiere so schlecht behandeln. „Gott ist so groß und souverän, dass er selbstverständlich über unsere kleine Erde hinaus im wunderbaren Kosmos für vernünftiges Leben sorgen möchte. Warum sonst hätte er über die an sich brutale Evolution vom Urknall her den interstellaren Raum so unendlich groß werden lassen wollen?“

Über diese Thesen der Referenten aus Regensburg und München ergab sich eine leidenschaftliche Diskussion. Eine bunte Lava-Lampe war zu sehen, wie sie als perfektes Zeichen und Symbol für den Zustand unserer heutigen Erde im Weltraum erlebbar ist, da wir ja keinen „Planet B“ haben und allein auf unsere Erde angewiesen sind, wie auch Astronaut Alexander Gerst sehr eindruckvoll darstellt. Was jeder auf Erden hier macht, auch unbewusst, hat direkte Auswirkungen auf die ganze Welt. Die „Friday-for-future-Generation“ ermahnt vor allem die Politiker, etwas Spürbares gegen den gefährlichen Klimawandel zu unternehmen. Und Papst Franziskus wird nicht müde, alle darin zu bestärken: „Planet earth first – und nichts anderes gilt“.

Ein Teilnehmer brachte es für sich selber ganz humorvoll auf den Punkt: „Ich bin eigentlich als Atheist in den heutigen so interessanten, ja außergewöhnlichen Vortragsabend gekommen. Aber diese konkreten Überlegungen zu unserem Problem der Religionsfreiheit möglicher Außerirdischer haben mich total überrascht und sehr nachdenklich gemacht, weil ich diese kirchen-kritischen und so tiefen religiösen Gedanken gerade von einem Theologen Dr. Loichinger als sehr glaubwürdig anerkennen muss und mich in meiner atheistischen Meinung regelrecht ausgehebelt sehe.“

Religionslehrerin Marianne Moosburger aus Hahnbach verwies auf Pater Guy Consolmagno, den Leiter der vatikanischen Sternwarte. Dieser Jesuit in Diensten von Papst Franziskus erklärt, dass mögliche Wesen im Weltraum, wenn sie wie wir nach dem Wesen der Existenz Gottes fragen würden, „eben keine Aliens mehr sind, sondern vielmehr unsere Geschwister“.

„Ein noch größeres Gottesbild“

Bei vielen Teilnehmern war eine sehr persönliche Zugangsweise zu spüren, wie denn Religion in der Auseinandersetzung mit den neuesten Erkenntnissen von moderner Naturwissenschaft und Astronomie nicht in Widerspruch mit den bekannten biblischen Aussagen vom Sieben-Tage-Schöpfungsbericht, von Adam und Eva, der Sintflut und so weiter geraten müsse.

„Wir müssen immer mehr lernen, die Bibel in unserem heutigen Weltbild richtig zu lesen. Dann kommen wir sogar zu einem noch größeren Gottesbild und zu einem Erlebnis von motivierender Frömmigkeit, die direkt auf das Vorbild Jesu selber, des guten Hirten gerade im Johannes-Evangelium, wie zu einer erfrischenden Quelle für den Sinn unseres modernen Lebens zurückführt“, sagte Salesianerpater Alfred Lindner vom Kloster Ensdorf.