Corona-Pandemie
In Amberg macht sich Impfmüdigkeit breit

Die Inzidenzwerte steigen wieder. Der Ärztliche Leiter der Impfzentren rät daher dringend zum Piks.

21.07.2021 | Stand 16.09.2023, 1:38 Uhr
Dr. Michael Scherer schätzt, dass es ab September ein besonderes Impfangebot für Abschlussklassen geben könnte. −Foto: Sven Hoppe/picture alliance/dpa

Im Landkreis Amberg-Sulzbach und in der Stadt Amberg ließen sich zuletzt immer weniger Menschen impfen. Dr. Michael Scherer, Ärztlicher Leiter der Impfzentren in Stadt und Landkreis, hat dafür kein Verständnis und versucht, Skeptiker von der Corona-Schutzimpfung zu überzeugen.

Herr Dr. Scherer, beobachten Sie als Ärztlicher Leiter der Impfzentren Amberg/Amberg-Sulzbach eine gewisse „Impfmüdigkeit“ bei den Menschen?

Absolut. Am 16. Juli 2021 erschienen im Impfzentrum Sulzbach-Rosenberg von 8 Uhr bis 17 Uhr lediglich 13 Personen ohne Termin und neun Personen mit Termin zu Erst- oder Zweitimpfungen. Dafür wurden jeweils zwei Ärzte und zahlreiche Medizinische Assistenzkräfte und Verwaltungskräfte vorgehalten.

Haben Sie Verständnis für Impfskeptiker?

Überhaupt nicht. Die im Bereich der Europäischen Arzneimittelbehörde zugelassenen Impfungen gegen das Coronavirus SARS Cov-2 sind wirksam und sicher. Sie sind die am besten überwachten Impfungen in der Geschichte der Impfungen. Die Geschichte der Impfungen ist eine Erfolgsstory im Kampf gegen tödliche Erkrankungen und reicht zurück bis 1000 Jahre vor Christus, wo in Indien erste Impfungen gegen das Pockenvirus vorgenommen wurden. Nebenwirkungen, auch ernsthafte wie zum Beispiel Blutgerinnsel in Hirnvenen können – wie bei jeder anderen Impfung auch – auftreten, sind aber auch erfolgreich zu therapieren, sofern sie rechtzeitig erkannt werden.

Liegt es an der Jahreszeit, an den niedrigen Inzidenzwerten oder warum scheinen sich die Menschen weniger Sorgen angesichts einer möglichen Coronavirusinfektion zu machen als noch vor einigen Wochen?

Es liegt an der Sorglosigkeit des Sommers, den niedrigen Inzidenzwerten und an der Sehnsucht der Bürger nach „Normalität“ und Freiheit. Leider aber auch an den unreflektierten Äußerungen zahlreicher Politiker und meist selbst ernannter „Experten“ – darunter bedauerlicherweise auch Ärzte und Professoren, welche die nach wie vor bedrohliche pandemische Lage nicht erkennen (wollen) und möglicherweise auch einfachste statistische und mathematische Funktionen nicht interpretieren können.

Das Robert-Koch-Institut hält eine Impfquote von rund 85 Prozent für unerlässlich, um eine vierte Welle im Herbst zu verhindern. Schaffen wir das noch?

Ja, wir schaffen das, falls die derzeitige Impfmüdigkeit überwunden werden kann. Die Angebote sind da. Bei Hausärzten, Fachärzten, Betriebsärzten und in den Impfzentren. In den Impfzentren kann man ohne Termin erscheinen und sich eine Impfung jederzeit „abholen“.

Seit dem 7. Juni können sich in Deutschland Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren gegen das Coronavirus impfen lassen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt den Impfstoff aber nur bestimmten Risikogruppen mit Vorerkrankungen. Welchen Rat geben Sie besorgten Eltern?

Die betroffenen Kinder und Jugendlichen sowie ihre Eltern sollten sich beim behandelnden Kinder- und Jugendarzt beraten lassen. Falls Vorerkrankungen oder Risikofaktoren bestehen, rate ich persönlich zur Impfung. Für gesunde Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren kann auch ich keine generelle Impfempfehlung geben. Es sind noch nicht genügend wissenschaftlich Daten verfügbar.

Wird es für Schülerinnen und Schüler von Abschlussklassen und Vorabschlussklassen ein besonderes Impfangebot geben?

Im September könnte es nach meiner Auffassung für Abschlussklassen in Mittel- und Realschulen sowie für Oberstufenklassen der Gymnasien und für die Fachoberschulen ein spezielles Impfangebot in ihrer jeweiligen Schule geben. Sinnvoll ist ein solches Angebot nur, falls Schüler ab dem Alter von 16 Jahren ausdrücklich einbezogen sind. Hier warten wir auf eindeutige Aussagen der Stiko und der Bayerischen Staatsregierung. Voraussetzung ist weiterhin, dass die mobilen Teams der Impfzentren dann noch einsatzbereit sind.

Inzidenzwerte:Infizierte:
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet am 21. Juli für die Stadt Amberg einen Sieben-Tage-Inzidenzwert von 33,2 (am Dienstag Vortag: 30,8). Im Landkreis Amberg-Sulzbach liegt er bei 11,6 (Vortag: 14,6).Laut RKI haben sich seit Beginn der Pandemie insgesamt 1767 Menschen aus der Stadt Amberg und 4854 aus dem Kreis Amberg-Sulzbach mit dem Coronavirus infiziert.

Was halten Sie von sogenannten „niederschwelligen Impfangeboten“ und wo in der Region können Sie sich diese vorstellen?

Das niederschwelligste sinnvolle Impfangebot ist in unserer ländlichen und klein- und mittelstädtischen Region die Impfung beim Hausarzt. Ich halte persönlich überhaupt nichts davon, ein Bierzelt in der Fußgängerzone, in der „Systemgastronomie“ oder vor dem Supermarkt aufzustellen, damit man seine Impfung „mitnehmen“ kann, wenn man einkaufen oder Kaffeetrinken geht. Die Impfzentren sind täglich ohne Terminanmeldung offen.