Architektur
Wiederentdeckung einer Bauhaus-Perle

Zum Jubiläum „100 Jahre Bauhaus“ eröffnet die Stadt Amberg einen „Erlebnisraum“ in Walter Gropius’ Glaskathedrale.

08.05.2019 | Stand 16.09.2023, 5:36 Uhr
Peter Geiger

Die Glaskathedrale, die Walter Gropius für Philipp Rosenthal gebaut hat, gilt als einer der wichtigsten Industriebauten Bayerns. Foto: Luftmuseum

Bayerns Kunstminister Bernd Siebler schleicht nicht lang her um den heißen Brei: Sondern bekennt ganz freimütig, dass ihm trotz mehrfacher Amberg-Besuche die „Glaskathedrale“ bislang noch nicht vors Genießer-Auge gekommen war. Warum das so ist, das erklärt sich fast von selbst: Der vor einem knappen halben Jahrhundert eröffnete Industriebau – der Schlussstein im Werk von Bauhaus-Gründer Walter Gropius (1883 bis 1969) – er liegt nämlich tief verborgen in einer Senke, weitab von der Bundesstraße 85, die hineinführt in die alte Vilsmetropole.

Flug nach Boston

Das zeigt zugleich, wie notwendig und sinnvoll die Initiative war, die vor drei Jahren gemeinsam von Ambergs Kulturreferenten Wolfgang Dersch und Markus Kühne, seinem Kollegen im Baureferat, ausgegangen war: Die beiden waren nämlich kurzerhand in die USA nach Boston geflogen, dorthin, wo Walter Gropius seit seiner Flucht vor den Nazis in Deutschland sein Exil gefunden hatte. Und wo er gemeinsam mit dem Architektenbüro „TAC“ Bauten in aller Welt plante und realisierte – am bekanntesten dürfte dabei das PanAM-Building in Manhattan sein.

Gropius‘ Assistent war, als Philip Rosenthal Ende der 1960er Jahre den Auftrag für das Werk in Amberg erteilte, der gebürtige Serbe Alexander Cvijanovic. Ein polyglotter Weltbürger, einer, der aufgrund seiner Deutschkenntnisse prädestiniert war, das Projekt am Bergsteig zu verwirklichen. „Bei unseren Recherchen hatten wir festgestellt, dass Alexander Cvijanovic 93-jährig in Boston lebt!“ Bei ihrem Besuch fanden sie nicht nur Gelegenheit, den betagten Architekten ausführlich zu interviewen, sie konnten auch Pläne, Briefwechsel und andere schriftliche Dokumente im Archiv des MIT (des berühmten „Massachusetts Institute of Technology“) einsehen und dokumentieren.

Wolfgang Dersch hat noch eine besondere Anekdote parat: Als sie Howard Elkus trafen – der als ganz junger Architekt Teil des Teams um Cvijanovic war – da waren sie zunächst aufgrund eines Hörfehlers als Besucher aus „Hamburg“ angekündigt: Als der Gastgeber aber erfuhr, dass Dersch und Kühne aus „Amberg“ kämen, da faltete er sogleich seine Hände zu einem Dreieck – um zu signalisieren, dass ihm die charakteristische Gestalt des Baus in Fleisch und Blut übergegangen war.

Im neu eingerichteten Ausstellungsraum, nominell eine Zweigstelle des Stadtmuseums Amberg, erwartet die Besucher nunmehr eine Multi-Mediashow. Geboten wird eine Zeitreise, die von den Anfängen in den späten 1960er Jahren bis in die Gegenwart reicht und dabei auch historisches Foto- und Planmaterial präsentiert. Imposant, das betont auch Stadtheimatpflegerin Beate Wolters in ihrer iPad-unterstützten Führung, ist nicht nur das Gebäude selbst.

Paläste der Arbeit

Auch die Einbindung in die umgebende Landschaft ist bemerkenswert und somit Spiegel der Philosophie und Denkweise von Walter Gropius. Dessen Credo war es ja nicht nur, dass sich die Form der Funktion unterzuordnen habe – sondern dass die Produkte in Räumen entstehen sollen, die für die Arbeiter ein Maximum an Komfort zu bieten hätten. „Der Arbeit müssen Paläste gebaut werden“, lautete seine Vorgabe. Die Stadt Amberg hat es rechtzeitig zum Bauhausjubiläum geschafft, seinen Palast, die Glaskathedrale, nicht nur in vorzeigbarem, sondern vor allem in einem besuchbarem Zustand zu präsentieren.

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