MZ-Kulturkantine Sie ist dem Heimatfilm längst entwachsen

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München.Rosalie Thomass ist eine der großen Nachwuchshoffnungen des Deutschen Films, ist mancherorts nachzulesen. Aber kann man die Münchner Schauspielerin überhaupt noch in die Talentschublade stecken? Mit bald 30 Jahren hat sie erreicht, wovon manche Kollegin nur träumt: Sie hat den Bayerischen und Deutschen Fernsehpreis gewonnen, den renommierten Grimme-Preis eingeheimst und mit namhaften deutschen Regisseuren wie Hans Steinbichler, Doris Dörrie und André Erkau zusammengearbeitet.

# Musik liegt in der Familie

# Thomass lernte in jungen Jahren Klavier und Blockflöte spielen, sie tanzte Modern Dance und sang im Schulchor wie in der Schülerband. Musik liegt in der Familie. Ihr Großonkel Eugen Thomass komponierte die Eröffnungsmelodien der beliebten Fernsehserien „Graf Yoster gibt sich die Ehre“, „Polizeiinspektion 1“ und „Diese Drombuschs“. Ihre ersten Erfahrungen als Schauspielerin sammelte Rosalie mit zehn Jahren am Münchner Volkstheater, später wurde sie auch Mitglied der Jugendtheatergruppe der Münchner Kammerspiele. Bereits während ihrer Schulzeit übernahm sie Rollen in Studentenfilmen. Mit 16 Jahren gab sie ihr Debüt im Kurzfilm „Emily will sterben“. Zu Beginn ihrer Laufbahn jobbte Thomass in einem Bioladen. Das praktische Arbeitsleben bereitete sie auf die Schauspielerei vor: „Im Bioladen kauften Leute mit so verrückten Eigenheiten und Sonderwünschen ein, dass ich viel über Menschen und ihr Verhalten lernen konnte.“

# Den professionellen Durchbruch schaffte Thomass sogleich mit ihrer ersten richtigen Rolle. Der Münchner Ausnahme-Regisseur Dominik Graf castete die erst 19-Jährige für die Rolle der psychisch labilen Prostituierten Maria Lorenz, die in der „Polizeiruf 110“-Folge „Er sollte tot“ Edgar Selge und Michaela May als ermittelnden Kommissaren das Leben schwermacht.

# Marcus H. Rosenmüller engagierte sie daraufhin für seinen bayrischen Coming-of-Age-Film „Beste Zeit“, dem mit „Beste Gegend“ und „Beste Zeit“ zwei Fortsetzungen folgten. In der Geschichte über das Aufwachsen in der oberbayerischen Provinz machte neben Thomass auch die Schwandorferin Anna Maria Sturm auf sich aufmerksam. Rosenmüller verpflichtete Thomass anschließend noch für seine „Räuber Kneißl“-Neuverfilmung, mit Maximilian Brückner in der Hauptrolle. Den bairischen Dialekt musste Thomass etwas üben, da sie zuhause und in ihrem Umfeld Hochdeutsch sprach. Was ihr allerdings nicht schwer fiel, da die Familie väterlicherseits aus Waging stammt. Hätte es mit der Schauspielerei nicht geklappt, hätte Thomass vermutlich Sprachwissenschaften studiert und wäre Lateinlehrerin geworden: „Ich finde Stimmen und Dialekte unheimlich faszinierend.“ Einer ihrer größten Kinoerfolge war „Eine ganz heiße Nummer“, wo sie aus Existenznot mit ihren Freundinnen Waltraud (Gisela Schneeberger) und Maria (Bettina Mittendorfer) in der niederbayerischen Provinz eine Telefonsex-Hotline gründet. Eine Fortsetzung der Erfolgskomödie ist im Gespräch.

# Das Liebchen vom Land

# Um als Schauspielerin nicht für alle Zeiten auf das Liebchen vom Land und den Neuen Bayrischen Heimatfilm festgelegt zu werden, spielte Thomass gerne auch in bayernfremden Filmen mit. In Max Färberböcks Bestseller-Adaption „Anonyma - Eine Frau in Berlin“ sah man sie an der Seite von Nina Hoss und August Diehl. Im Helmut-Kohl-Biopic „Der Mann aus der Pfalz“ verkörperte sie die junge Hannelore Kohl. Im „Herr Lehmann“-Vorläufer „Neue Vahr Süd“ spielte Thomass eine Bremer Studentin. Nach dem Abitur zog es sie wie viele Gleichaltrige nach Berlin. Ihr gefiel die kulturelle und kulinarische Vielfalt der Stadt. 2014 kehrte sie nach Bayern zurück, weil sie die unbefleckte Natur vermisste: „Umgeben von Bergen und Seen fühle ich mich sehr wohl.“ Auch wenn sie gerne ins Grüne fährt oder ihre Oma am Ammersee besuchen geht, würde sie nicht dauerhaft auf dem Land leben wollen: „Ich bin ein echtes Stadtkind.“

# Vielleicht hatte die Rückkehr nach München auch mit der Familienplanung zu tun. In Berlin hatte sie den Nachwuchsregisseur Aron Lehmann kennen gelernt, der im Nördlinger Ries aufgewachsen ist. Im Sommer 2016 bekam das Paar einen Sohn. Thomass hat in drei Filmen von Lehmann mitgespielt, auch in seinem Abschlussfilm der Filmhochschule. In „Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel“ will ein Jungregisseur die Geschichte vom betrogenen Pferdehändler Kohlhaas verfilmen. Doch als ihm der Geldhahn zugedreht wird, findet er sich selbst in der Rolle des aussichtslos gegen übermächtige Widerstände kämpfenden Sturkopfes wieder.

# Frauen, die nicht sexy sind

# „Ich bin Schauspielerin geworden, um möglichst viele verschiedene Charaktere spielen zu können“, sagt Thomass. Durch das Sich-Anverwandeln einer Filmfigur möchte sie neue Facetten auch an sich selbst entdecken: „Ich möchte meine eigene Persönlichkeit erkunden. Dazu gehören auch Rollen, die ich zunächst überhaupt nicht mag. Sie stellen eine echte Herausforderung dar.“ Thomass interessiert sich für starke, ungewöhnliche und wahrhaftige Frauenfiguren. Rollen, die nach ihrem Geschmack viel zu selten angeboten werden: „Ich wünsche mir mehr Mut für abgründige Frauenfiguren, für Frauen, die mal nicht hübsch und sexy sind. Wir sind zu oft bloß die Projektionsfläche männlicher Protagonisten.“ Thomass möchte ohne Botox und Schönheitschirurgie als Schauspielerin alt werden können. Aber dafür hat sie ja noch ein paar Jahre Zeit.

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Fred Filkorn