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Wenn er stirbt, gibt’s Drama

Kabarettist Andreas Giebel ist ein scharfzüngiger Analytiker. In Filmen lässt man ihn gerne abtreten und für Chaos sorgen.

03.01.2018 | Stand 16.09.2023, 6:15 Uhr

Die Psychogramme von Menschen, das ist das Thema von Kabarettist Andreas Giebel.Foto: Marc Dietenmeier

Sterben kann er gut. Als Andreas Giebel den untoten fremdenfeindlich gesinnten Metzgermeister Franz Maisacher im Fernsehfilm „Wer hat Angst vorm weißen Mann“ verkörperte, da jubelten die Kritiker: „Dieser Mann ist eine Wucht.“ Auch für den neuen ZDF-Zweiteiler „Bier Royal“ darf er wieder abtreten und als Brauerei-Patriarch Franz-Xaver Hofstetter selig einen Erbschaftsstreit zwischen Spezl-wirtschaft und veganer Bratwurst auslösen. Und wenn er noch so schön sterben kann, das schauspielerische Fach war zunächst nicht die erste Wahl des gebürtigen Münchners. Ja, er wollte noch nicht einmal auf die Bühne, sondern eigentlich lieber dahinter.

Viele Abzweigungen genommen

In seinem Leben hat Andreas Giebel viele Abzweigungen genommen. Als Sohn eine Arztes 1958 geboren, wuchs er im Münchner Stadtteil Westend auf. Von der Wohnung aus konnte er auf die Theresienwiese schauen. Schon als Bub beobachtete er dort den Auf- und Abbau des Oktoberfestes und analysierte diese Ansammlung von skurrilen Leuten. Er konnte sich für dieses Welttheater auf einer großen Wiese sehr begeisterten. Dagegen hatte er keine großen schulischen Ambitionen. Nach neun Schuljahren beschloss er, sich hier nicht länger aufzuhalten und verließ sie ohne Abschluss. „Weil ich so richtig keine Lust mehr hatte“, wie er beim Interview für das Gipfeltreffen mit Werner Schmidbauer erzählte. Er begann eine Ausbildung zum Dekorateur, mit dem Ziel später als Bühnenbildner zu arbeiten. Doch dann kamen ihm die Frauen dazwischen und mit 19 Jahren wurde er Vater einer Tochter. Die Eltern trennten sich, das Mädchen blieb bei Andreas Giebel. Kurz darauf folgte Tochter Nummer zwei. Giebel heuerte aus der Not heraus an einer Münchner Grundschule als Hausmeister an, um die Familie zu ernähren. In seiner Freizeit probierte er sich als Kabarettist aus. Mit 26 Jahren hatte er sein erstes Bühnenprogramm „Der Mensch ist sein Fehler“ fertig. Nach Hape Kerkeling und Jörg-Martin Willnauer war er 1985 der dritte Preisträger des neu gegründeten Kabarettpreises Passauer Scharfrichterbeil. Bis heute dürfte er der einzige Hausmeister mit dieser Auszeichnung sein.

Giebel zeigte von da an enormen Fleiß, in fünf Jahren veröffentlichte er vier Kabarettprogramme. Bis heute sind es neun Soloprogramme sowie zwei Programme zusammen mit Urban Priol. Giebel referierte über den Boaznhocka, den Alpenvirus, das Sammelbecken der Leidenschaft oder zuletzt „Das Rauschen in den Bäumen“ (2011). Er gewann den Deutschen Kleinkunstpreis sowie den Bayerischen und Deutschen Kabarettpreis.

Psychogramme von Menschen, das ist sein Thema. „Für Politiker ist mir mein Programm zu schade“, sagte er einmal. In seinen Analysen wandelt er deshalb durchs Typenkabarett. Er beherrscht den Franken genauso wie den Italiener. Er schleudert Kasachen-deutsche Wortebrocken über die Bühne und verfällt dann wieder ins unverfälschte Münchnerische. Die Alltagsgeschichten spielen sich allesamt auf einem kleinen Platz in der Landeshauptstadt ab. Ein Mikrokosmos, wie ihn auch der Regisseur Franz-Xaver Bogner gerne zeichnet. Er holte Giebel zunächst ins „Café Meineid“ und von dort in die Polizeistation am Münchner Viktualienmarkt. Seit 2003 spielt Giebel den ebenso bärbeißigen wie unkonventionellen Polizisten Xaver Bartl in „München 7“. Alltagsgeschichten in der Großstadt, so wie auch Giebel sie gerne auf der Bühne erzählt. Die Bogner-Serien machten Giebel zum Fernsehgesicht, wenngleich er bereits zuvor in einer Reihe von Filmen mitwirkte. Etwa in „Schartl“ an der Seite von Sigi Zimmerschied und 1993 in seiner ersten Hauptrolle in der Tatort-Folge „Alles Palermo“. Er spielte in den Rosenmüller-Filmen „Beste Zeit“, „Beste Gegend“ und „Beste Chance“ den Vater von Kathi. Im vergangenen Jahr schlüpfte er in die Rolle des Gammelfleisch-Biometzgers Goldhammer in der vielgelobten Serie „Willkommen in Hindafing“ an der Seite von Maximilian Brückner als korrupten Dorfbürgermeister.

Das Glück in einem Mädelshaus

Privat ist in Giebels Leben längst Ruhe eingekehrt. Seine dritte Frau Karin habe er schon während der Zivildienstzeit kennengelernt, aber erst sehr viel später festgestellt, dass er mit ihr gut reden und lachen könne, verriet der 59-Jährige beim Gipfel-Interview mit Schmidbauer. Zu den beiden Töchtern aus früheren Beziehungen kamen zwei weitere Töchter hinzu. „Bei uns wird dank meiner lieben Frau viel gelacht, gekocht, geredet“, verriet er. Weil ihm das Wohl von Kindern – nicht nur seiner eigenen – sehr am Herzen liegt, engagiert sich der Kabarettist und Schauspieler seit 2008 beim Kreisjugendring der Stadt München für das Projekt „Hilfe für Kids“, das von Armut betroffene und sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche unterstützt.

Was er sich wünscht, was von ihm bleibt, wenn er diese Erde mal tatsächlich und nicht nur in einer Rolle verlassen muss? Er hoffe, sagt Giebel, dass sich seine Töchter mal an ihn erinnern werden, als einen Menschen, in dessen Nähe sie sich immer wohlgefühlt haben und bei dem sie ohne Hemmungen drauflos reden konnten.

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