MZ-Serie
Zu zwoat san sie a Weltmacht

Schon als Kinder standen Tanja und Susanne Raith auf der Bühne. Früher mochten sie es laut, jetzt schlagen sie leise Töne an.

06.09.2016 | Stand 16.09.2023, 6:51 Uhr
Seit 2003 gemeinsam auf der Bühne: Die Raith-Schwestern Tanja und Susanne mit Andreas Blaimer −Foto: privat

Die Dahlien haben ihre prächtigen, handtellergroßen Blüten geöffnet. Gelb, Orange, Rot leuchtet es am Hauseingang. Die Rosen, ihre Lieblingsblumen, sagt Tanja Raith, hat der Regen heuer versaut. „Die haben jetzt so ziemlich jede Rosenkrankheit.“ Überhaupt ist das ein August, wie ihn die Raith-Schwestern in ihrem „August-Frust-Song“, schon vor vier Jahren besungen haben. „I war net oamal no im Weiha heia. Wo bleibt da Summer, i könnt Scheiße schreia.“ Dennoch blüht und leuchtet es im Garten der Familie Raith-Blaimer auch in diesem Jahr in allen Farben. Sie mögen's eben bunt – so wie sie auf ihrer aktuellen Tour, die noch bis November läuft, singen.

Schluss mit den Lederhosen

Dann ist Schluss. Nicht nur mit dem Programm, sondern auch mit den Lederhosen. Tanja und Susanne wollen die speckig abgewetzten Buxen nicht mehr über die Ringelstrümpfe ziehen, sagen sie im Gespräch mit unserer Zeitung. Fast 15 Jahre war es ihr Markenzeichen, jetzt sind sie angekommen, bei sich selbst, bei ihrem Publikum. Die optischen Reize braucht es nicht mehr, denn es geht ja um die Musik, um das Gefühl, das sie vermitteln wollen. Sie erfinden sich gerade neu, so scheint es. Dabei ist es wohl eher eine Rückkehr dorthin, wo sie eigentlich hergekommen sind. Sie haben sich weit von der Volksmusik ihrer Kindertage entfernt, haben Jazz- und Rockmusik inhaliert, haben Pop- und Salsaklänge mit Traditionellem verwoben, waren auf der Bühne auch schrill und laut. Und mussten sich dafür von manchem Hardcore-Trachtler anfeinden lassen. Weiber in Lederhosen, das geht ja gar nicht!

Schon als junge Volksmusiksängerinnen hatten sie unter den Oberpfälzer Gruppen einen besonderen Ruf. In einem Interview erzählte Tanja Raith einmal, dass sie bei den Heimatpflegern und dem Oberpfälzer Volksliedkreis nicht besonders hoch im Kurs standen. „Die wollten stade, besinnliche Lieder, aber wir haben mit unserer Mutter meist lustige Wirtshauslieder und Gstanzln mit kracherten Texten gesungen.“ Deshalb hieß es dann bei Auftritten: „Jetz kemman de Blärrgoscherten vo da Familie Raith scho wieda.“ Dabei wurden viele Auftritte auch für den Bayerischen Rundfunk aufgezeichnet. Beinahe jedes Wochenende sangen und spielten sie woanders. Tanja und ihre sechs Jahre jüngere Schwester ließen sich von dummen Bemerkungen sowieso nicht in ihrem Weg beirren – zumal sie von ihrer Mutter bestärkt wurden, das zu tun, woran sie Spaß haben.

Das sei wohl auch der Grund, warum sie nie die Lust an der Musik verloren hätten, sagt Tanja Raith. Sie brachten sich selbst Akkordeon, Hackbrett und Gitarre bei. Der Wille war so stark, dass sie auch keinen Plan B hatten, für den Fall, dass die Musik sie nicht ernähren könnte. Den Erfolg auf der Bühne mussten sich die Schwestern und der 2003 dazugekommene Andreas Blaimer, der Mann von Tanja, hart erarbeiten, und auch von Misserfolgen blieben sie nicht verschont. Ein Trash-Jodelprojekt mit dem Namen „Die Alpenköniginnen“ entglitt ihnen, erinnert sich Susanne Raith. Aus dem Debakel nahmen sie mit, sich auf der Bühne auf keinen Fall verbiegen zu lassen. Nur das, was sie aus voller Überzeugung machen, das wird auch das Publikum berühren, sind sich die Schwestern sicher. Deshalb beendeten sie auch die Zusammenarbeit mit einem Management, weil sie sich zu sehr unter Druck gesetzt fühlten. „Jedes Jahr eine neue CD, das kann auf Dauer nicht gut werden“, sagt Andreas Blaimer. Jetzt managen sie sich wieder selbst. „Wir sind ein erfolgreiches Familienunternehmen“, sagt Tanja Raith.

Etwa 80 Auftritte absolvieren sie im Jahr, reisen von ihrem Wohnort in der Gemeinde Bernhardswald (Lkr. Regensburg) durch ganz Bayern. In diesem Jahr mit drei verschiedenen Programmen. Neben „I mag’s bunt“ spielten sie das überaus erfolgreiche „Wisst’s wou mei Hoamat is“ mit alten Liedern aus ihrer Kindheit und in der Vorweihnachtszeit gehen sie erstmals mit dem „Altbayerischen Advent“ auf Tour.

Vom Kracherten und Lauten haben sie sich inzwischen ziemlich weit entfernt. Sie werden leiser – das spiegeln die traditionellen Volksmusiklieder, die sie sich und ihrem Publikum nun gönnen, wider. Die älteren Zuhörer weinen, weil sie so berührt werden, sagt Tanja Raith. Aber auch diejenigen, die die forschen Kabarettistinnen schätzen, folgen ihnen auf diesem Weg. „Unser Publikum hat uns immer angenommen und ist uns bei allem, was wir gemacht haben, treu gefolgt“, sagen die Schwestern.

Besinnliches zum Advent

In Zukunft geht der Weg in zwei Richtungen. Das eine tun und das andere nicht lassen. Deshalb werden die nächsten Monate auch besonders stressig. Denn gleich nach dem Adventsprogramm kommt mit „Hart aber herzlich“ die neue CD auf den Markt und dann geht es gleich weiter auf Tour – diesmal mit Band. Zum Reinschnuppern gibt es bereits den Song „Zu zwoat samma a Weltmacht“.

Aber was werden die Raith-Schwestern auf der Bühne tragen, wenn die Lederhosen ausrangiert werden? Möglicherweise einen „Schnuggler“, eine Erfindung von Tanja Raith. Der kuschelweiche Pullover mit großem Schalkragen, den sich die Sängerin eigentlich wegen ihres empfindlichen Nackens nähte, ist zu einem Selbstläufer geworden. Inzwischen sind zwei Näherinnen damit beschäftigt, die ständig wachsende Zahl von Bestellungen abzuarbeiten. Der Name des neuen Labels lautet übrigens „Raithswäsche“. Einen der ersten Pullis orderte Kabarettist Ottfried Fischer. „Da haben wir drei Meter Stoff vernäht“, schmunzelt Tanja Raith. Und auch das rosa Exemplar für „Haindling“ ist gerade fertig geworden. Die Raith-Schwestern mögen's eben bunt.

„I mogs bunt“ ist nochmal am 5. November in Neumarkt (Reitstall) und am 6. November in Regensburg (Leerer Beutel) zu sehen. Am 11. Dezember sind die Raith-Schwestern mit der „Altbayerischen Weihnacht“ im Regensburger Kolpingsaal.

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