Gespräch
25 Jahre „Frauenpower“ in Lam

Die „Unabhängige Frauenbewegung“ (UFB) verschiebt die große Jubiläumsfeier. Drei Mitglieder blicken zurück und nach vorne.

04.06.2021 | Stand 16.09.2023, 2:32 Uhr
Auf eine Vielzahl von Veranstaltungen und Kommunalwahlen der UFB Lam können Fraktionsvorsitzende Petra Pritzl, Gründungsmitglied Eva Obermeier und Vorstandsmitglied Maria Kuchler (v. r.) nach 25-jährigem Bestehen zurückblicken. −Foto: Marietta Hutter

Etwas Einzigartiges ereignete sich vor 25 Jahren in Lam. Hatten die Entscheidungen in der Marktgemeinde immer eine CSU-geführte bürgerliche Wählervereinigung und ein starkes SPD-Team in der Opposition getroffen, so hatte sich Anfang 1996 eine neue reine Frauenliste formiert. Als „Unabhängige Frauenbewegung“ (UFB) bei der Kommunalwahl im März angetreten, hatte sie sich ein bis zwei Sitze erhofft, nach dem Endergebnis stand fest: vier Sitze für die Frauen gab es, vier für die SPD und fünf für die CSU. Auf den Tag genau vor 25 Jahren wurde die UFB als gemeinnütziger Verein gegründet, der heute 107 Mitglieder zählt. Fraktionsvorsitzende Petra Pritzl, Gründungsmitglied Eva Obermeier und Vorstandsmitglied Maria Kuchler stehen Rede und Antwort.

Was hatte Sie bewogen, eine eigene Frauenliste zu gründen?

Obermeier: Wir waren damals eine Revoluzzergruppe und wollten den Forderungen und Anliegen von Frauen, Jugendlichen und Senioren eine bessere Vertretung bei politischen Entscheidungen geben, auf den Männerlisten kam fast nie eine Frau ins Gremium. 80 Unterstützungsunterschriften hatten wir am zweiten Tag beisammen. Der erste auf der Liste war Pfarrer Zitterbart, der war immer offen für die Anliegen der Frauen.

War es schwierig, Kandidatinnen für eine Frauenliste zu finden?

Damals hatte Lam noch über 3000 Einwohner mit 16 Markträten, so brauchten wir auch nur 16 Kandidatinnen. Bei der ersten Informationsversammlung im Januar 1996 kamen fast 100 Leute, darunter viele bekannte Frauen aus dem Gemeindegebiet. Bei der Wahl hatten wir knapp vor der SPD das zweitbeste Stimmenergebnis hinter der CSU-Liste. Seit der Wahl 2008 wurde die Anzahl der Räte auf 14 gekürzt, seitdem brauchen wir 28 Kandidatinnen, auch das haben wir immer geschafft. Aber es wird schwieriger, die Frauen zu bewegen und für politisches Engagement zu begeistern.

Sie waren eingespannt als Chefin des Sonnbichl. Wie schafft man die Doppelbelastung?

Ich hätte das alles nicht geschafft ohne die guten Vorsitzenden Anneliese Neumeier, Maria Rohloff und Emmi Kollross. Für mich war auch sehr wichtig der gute Zusammenhalt mit den ehemaligen Markträtinnen Erika Bergmann und Sonja Stipanitz, die die UFB bis heute unterstützen. Auch die Familie hat mich immer unterstützt und bestärkt. Dass meine Tochter mir 2014 in den Marktrat nachgefolgt ist, erfüllt mich ein klein wenig mit Stolz.

Ein Höhepunkt war die Bürgermeister-Kandidatur 2002. Wie würde Lam heute aussehen, wenn Sie Bürgermeisterin geworden wären?

Mein großes Thema war zum Beispiel die anstehende Marktplatzsanierung, hier ist bis heute nichts passiert, obwohl der überalterte Kanal dort eine tickende Zeitbombe ist. Viele Gasthäuser und Geschäfte dort fürchten lange Zeit Einbußen durch umfangreiche Baumaßnahmen, einige haben bereits bei der Sanierung der Rosengasse erhebliche Beiträge als Anlieger bezahlt. Diese würden ja nun durch die geänderte Rechtslage wegfallen, aber es ist ja noch nicht mal mit Planungen begonnen worden. Eine Verschönerung des Kurparks und öffentliche Toiletten dort haben wir gefordert. Die Wiedervereinigung der Werbegemeinschaft der drei Lamer-Winkel-Gemeinden und die Gründung eines Tourismusvereins sowie Flächen für Gewerbe- und Baugebiete standen auch auf meiner Agenda 2008. Das Lamer Feuerwehrhaus hätte ich beim Bauhof-Gelände angesiedelt in langfristiger Hinsicht auf eine Einsatzzentrale der Wehren Engelshütt und Lam zusammen mit BRK und der Bergwacht, die dann einen Neubau bei der Schule platziert hat. Aber diese Dinge waren für die Männer im Gremium nicht akzeptabel. Einiges wurde nun in der letzten Periode unter dem neuen Bürgermeister Paul Roßberger umgesetzt, wir haben jedoch viel Zeit verloren und müssen aufpassen, den Anschluss als ein führender Fremdenverkehrsort in Ostbayern nicht zu verlieren. Doch jetzt stehen mit der fälligen Schulsanierung und einem veralteten Osserbad Großprojekte an, die uns finanziell über Jahre fesseln werden.

2014 ist Emmi Kollross als Bürgermeisterkandidatin knapp mit 44 Prozent unterlegen. Damals hat noch ein ganz anderes Großprojekt die Gemüter erregt.

2014 nahm die unglaubliche Idee eines Investors konkrete Formen an, unterhalb des Ossergipfels und am Ortsrand von Engelshütt zwei riesige Wasserbecken mit dazwischen überdimensionalen Rohrleitungen für ein Pumpspeicherkraftwerk zu bauen. Die UFB hat sich von Anfang an ganz klar dagegen ausgesprochen. Die Bürgerinitiative „Schutzgemeinschaft Osser“ hat sich gegründet und die Emotionen sind hochgekocht. Die Gemeindeverantwortlichen haben keine Stellung bezogen. Erst ein Bürgerentscheid mit 85 Prozent Neinstimmen hat die Diözese als Grundstückseigentümerin bewogen, ihren Wald am Ossergipfel nicht mehr zur Verfügung zu stellen. Im August 2015 war der Spuk vorbei.

Sie mussten aber auch Niederlagen einstecken.

Dass ich im Marktratsgremium mit unqualifizierten Beschuldigungen lautstark angeschrien werde und mich gerichtlich wehren musste, hätte ich mir nie träumen lassen. Aus so manchen emotionalen Tiefs haben mich immer meine Familie und Freunde herausgeholt.

Maria Kuchler, Sie wohnen in Thürnstein. Warum engagieren Sie sich bei der Lamer UFB?

Kuchler: Ich bin 2012 der Lamer Frauenbewegung beigetreten, als die Satzung schon geändert war und Mitgliedschaften auch außerhalb der Lamer Gemeindegrenze erlaubt waren. Auch Männer dürfen bei uns Mitglied im Verein sein, wir haben auch einige dabei. Unsere Veranstaltungen oder Ausflüge sind ja für jeden offen, daher kamen auch öfter Anfragen. Ich bin durch mein früheres Engagement beim Elternbeirat der Mittelschule, der Zugehörigkeit zur Lamer Pfarrei und durch den nahen Wohnort schon immer der Gemeinde Lam sehr verbunden. Die sozialen Aktivitäten der UFB haben mich beeindruckt und tun es immer noch.

Nach zehn Jahren hat Vorsitzende Emmi Kollross 2020 die Führung abgegeben. Wie geht es weiter?

Kuchler: Die Jahresversammlung mit den sowieso fälligen Neuwahlen konnten wir aufgrund der Corona-Verordnungen nicht mehr durchführen. Die restlichen Vorstandsmitglieder arbeiten weiter als Team, verstärkt durch Eva Obermeier, Petra Pritzl und Sylvia Miethaner. Wir peilen im Juli eine Jahresversammlung an. Eine große Jubiläumsfeier werden wir auf das nächste Jahr verschieben.

Petra Pritzl, Sie sind aktuell die „dienstälteste“ Markträtin und Sprecherin der UFB-Fraktion. Aktuell stehen vier UFB-lerinnen zehn Männer gegenüber. Können Sie sich behaupten?

Pritzl: Der krankheitsbedingte Rücktritt von Erika Bergmann kam 2011 für mich überraschend. In diese Fußstapfen zu treten bzw. nachzurücken war anfangs nicht einfach, aber lehrreich. Information und Wissen ist die Grundlage für gute politische Arbeit, die muss man sich auch erarbeiten. Wir sind in allen Ausschüssen vertreten und haben Stimmrecht, leider immer in der Unterzahl. So müssen wir mit Vorschlägen, Ideen und Überzeugungskraft arbeiten, vielleicht noch mehr als die Vertreter der anderen Listen. Wichtig ist uns, im Gremium auf Augenhöhe zu argumentieren und sachlich zu diskutieren, um zu einem Konsens zu kommen.

Welche Ziele haben Sie für die nächsten fünf Jahre?

Pritzl: Die Schulsanierung ist eine große Herausforderung. Für die Sicherung des Schulstandortes und die Förderung der Kinder und Jugendlichen im Lamer Winkel ist die Baumaßnahme unbedingt erforderlich. Im Osserbad laufen in den nächsten Jahren ebenso große Renovierungen auf, die wir mit einem jährlich sehr hohen Betriebsdefizit kaum stemmen können. Einen Antrag auf Dorferneuerung hat der Marktrat im letzten Herbst gestellt, hier sieht es im Fördertopf zurzeit sehr blank aus. Alles keine guten Voraussetzungen, wir werden hier um gute Lösungen und Konzepte ringen müssen. Um die junge Generation im Ort halten zu können, sind Arbeits- und Bauplätze wichtig. Für unser Hauptgewerbe „Tourismus“ müssen wir für ein attraktives Ortsbild und gute Angebote sorgen. Auch wünschen wir uns von den Bürgerinnen und Bürgern ein gewisses Maß an Eigeninitiative und ein „Wir-Gefühl“, dass sie sich mit ihrem Heimatort gerne identifizieren.

Wird es auch 2026 wieder eine UFB-Liste mit 28 Frauen geben?

Pritzl: Für die UFB sitzen aktuell vier Markträtinnen im Gremium, Emmi Kollross sogar im Kreistag. Das ging nur, weil uns die Bürgerinnen und Bürger über 25 Jahre ihr Vertrauen geschenkt haben und sich auf uns verlassen konnten. Das wird auch in Zukunft so sein. (cme)