Entsorgung
Ärger am Altkleider-Container in Cham

Chams BRK-Verantwortlichen fehlen die Worte: Hausmüll, Farbeimer und sogar Fischreste sind im Kleider-Behälter zu finden.

07.07.2021 | Stand 16.09.2023, 1:56 Uhr
Stellvertretender BRK-Kreisgeschäftsführer Dominik Lommer zeigt es: Die Textilien gehören in möglichst reißfeste Plastiktüten. −Foto: Frank Betthausen, BRK

Bauschutt im Altkleider-Container? Farbeimer zwischen losen, kaputten Schuhen? Verdreckte Wäsche vom letzten Ölwechsel mitten unter Bettbezügen? Das kommt vor? Ja, mittlerweile viel zu oft. Und wer glaubt, das sei schon alles, sollte sich einmal mit Oliver Schien unterhalten.

Er ist Prokurist der Textilrecyclingfirma FWS GmbH aus Bremen, die als zertifizierter Partner bei der Weiterverarbeitung der Kleiderspenden mit dem Roten Kreuz zusammenarbeitet. Er berichtet sogar von Fischresten, die Angler auf dem Nachhauseweg dreist in Containern für Gebrauchttextilien entsorgen. Oder von Hausmüll, den die Leute hinter die Einwurfklappe stopfen, weil zu Hause die Tonne überquillt…

Auch in der Region – davon kann BRK-Referatsleiter Stefan Raab von der BRK-Kreisgeschäftsstelle ein Lied singen – häufen sich die Fälle, in denen die Behältnisse am Straßenrand oder auf Parkplätzen frech zwecktentfremdet werden, um Abfall und Sperrmüll loszuwerden. Das Chamer BRK beteiligt sich deswegen an einer Qualitätsoffensive, mit der Kreisverbände bayernweit auf die Problematik hinweisen wollen. Die Aktion in den sozialen Medien soll die Menschen dafür sensibilisieren, dass sie nur das in den Kleidercontainer werfen, was auch wirklich benötigt wird und weiterverwendet werden kann. Wer weiß, dass das Rote Kreuz in Bayern mehr als 3700 Container betreibt – im Landkreis Cham sind es 26 an neun Standorten – und auf diesem Weg fast 16 300 Tonnen Altkleider pro Jahr erhält, der bekommt eine Ahnung davon, weshalb der Leidens- und Handlungsdruck für die Hilfsorganisation so groß geworden ist.

Oliver Schien, der seit 22 Jahren in der Branche tätig ist, meint, einem „normal denkenden Bürger“ müsse klar sein, dass bei Abfall im Gebrauchtkleider-Container keine Wiederverwertung möglich sei und so etwas in die Mülltonne gehöre. Was das Rote Kreuz und sein Unternehmen FWS benötigen? „Ihr könnt das anliefern, was Ihr eurem Freund guten Gewissens als Sachspende übergeben könntet“, formuliert es Schien, der seit Jahren mit Stefan Raab und dem BRK Cham zusammenarbeitet.

100-prozentige Verwertung

Für Mitmenschen sei seit jeher ein Teil der Kleiderspenden aus den Containern vor Ort bestimmt. Gut erhaltene Ware, die in den Containern darin oder bei Straßensammlungen anfällt, werde in den Kleiderkammern und -läden des BRK aufbereitet, verkauft oder an Bedürftige ausgegeben. Auch von der weiteren Verarbeitungskette profitiert das Rote Kreuz.

Was über den Bedarf in den Kreisverbänden hinausgeht, werde über Partnerfirmen wie die FWS weiterverwertet. Die Mittel daraus finanzieren ebenfalls die Arbeit der Ortsvereine und die satzungsgemäßen Aufgaben des Deutschen Roten Kreuzes.

„Gebrauchtkleider zu sammeln – das bedeutet, aktiven Umweltschutz und einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten.“Stefan Raab, Referatsleiter beim BRK-Kreisverband Cham

„Wir sorgen mit dem DRK für eine nahezu 100-prozentige Verwertungsquote“, sagt Schien. Nach einer aufwändigen Vollsortierung, die immer noch per Hand geschieht und geschehen muss, teilt sich die Ware zu jeweils 50 Prozent in tragfähige, wiederverwendbare Bekleidung „und Textilien zur stofflichen Weiterverwertung“ auf.

Schien ruft in Studien in Erinnerung, nach denen sich etwa 70 Prozent der Weltbevölkerung mit gebrauchter Kleidung versorgen. Die Wäsche, die nicht mehr für diese Zwecke verwendet werden kann, wird zu Putzlappen (20 Prozent), Recyclingmaterial zur Herstellung von Reißtextilien (20 Prozent), Füll- und Dämmstoffen oder Material zur Ersatzbrennstoffproduktion (sechs Prozent) verarbeitet. Vier Prozent müssen über den Restmüll entsorgt werden.

Generell, diesen Trend bestätigt der Fachmann und BRK-Partner, hat das Aufkommen an gebrauchter Kleidung in den vergangenen Jahren extrem zugenommen. Schien nennt das Fast Fashion-Geschäftsmodell der Bekleidungsindustrie und merkt kritisch an: „Wir reden ja nicht nur von Altkleidern. Die Leute haben ja auch schon den Bezug zu ihrer Neukleidung verloren, weil sie zu billig ist.“

Ressourcen werden eingespart

„Mit jedem Alttextil, das wieder als markt- und tragfähiges Produkt genutzt wird, werden wichtige Ressourcen eingespart, die bei der Produktion von Neuware erforderlich sind“, heißt es in einer Veröffentlichung der GmbH aus Bremen. Die Textilproduktion inklusive des Baumwollanbaus verbrauche jährlich rund 93 Milliarden Kubikmeter Wasser. Das seien rund vier Prozent des globalen Frischwasserverbrauchs. Allein für die Herstellung eines handelsüblichen T-Shirts werden laut FWS bis zu 4400 Liter Wasser benötigt.

Zahlen, die auch Stefan Raab nachdenklich stimmen und den Referatsleiter überzeugt sagen lassen: „Gebrauchtkleider zu sammeln – das bedeutet, aktiven Umweltschutz und einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten.“ Auch in Cham könne etwas für die große Welt getan werden, meint er.

Ganz nebenbei verweist er mit Blick auf die BRK-Qualitätsoffensive auf eine Serviceleistung, die der Kreisverband anbietet. „Wir holen die Kleiderspenden gerne auch direkt bei Bürgern zu Hause ab, die nicht mobil und körperlich eingeschränkt sind. Auch hier gilt der gegenseitige Vertrauensgrundsatz“, sagt Raab.