Heimatgeschichte
Als Cham bayerische Residenzstadt war

Der neue Gelbe Band deckt wieder Orte im ganzen Landkreis ab. Cham wäre Fürstensitz geblieben – wären nicht die Hofdamen...

07.04.2021 | Stand 16.09.2023, 3:23 Uhr
Das Pfleggerichtsgebäude Cham: Cham war um 1800 Residenzstadt, blieb es aber nicht – Schuld waren die Hofdamen. −Foto: Archiv Reinhold Meier

Das Coronavirus konnte zwar die Vorstellung des 38. Bandes der „Beiträge zur Geschichte im Landkreis Cham“ der im Arbeitskreis Heimatforschung zusammengeschlossenen Heimatforscher verhindern, nicht aber die Veröffentlichung. Auf 178 Seiten vermitteln 14 Autoren aus dem gesamten Landkreis auf spannende Weise heimat-, zeit- und kulturgeschichtliche Informationen des Landkreises Cham von Tiefenbach bis Traillingmühle und von Neukirchen b. Hl. Blut bis Cham. Die Beiträge sind chronologisch aufgebaut und reichen von Untersuchungen zum Spätmittelalter bis zu Ereignissen zur Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts. Ein Register erschließt den Band.

Die mutigen Ritter des Geschlechts der „Zenger von Schneeberg“

Die Reihe der Beiträge wird von Richard Bierl eröffnet, welcher sich des Geschlechts der „Zenger von Schneeberg im Volksmund und in der Literatur“ angenommen hat. Vom 13. bis ins 16. Jahrhundert besaßen die Zenger, so genannt nach der Zange in ihrem Wappen, in der mittleren Oberpfalz viele Burgen, darunter Schneeberg-Tiefenbach. Sie waren streitbare und streitlustige Ritter, die sowohl mit den bayerischen Herzögen, den Hussiten und Städten als Gegner oder Mitstreiter kämpften. Zahlreiche Hofämter versahen sie zuverlässig und pflichtbewusst. Josef Ederer erstellte mit „Geiganter Landsassen bzw. Hofmarksherren im 16. Jahrhundert“ eine spezielle Beschreibung der Geiganter Hofmark mit ihren Herren im 16. Jahrhundert sowie die Rechte dieser Hofmark.

Wie sich Sengenbühl entwickelte – vom Mittelalter bis heute

Ein Anliegen von Werner Perlinger ist, den Ort Sengenbühlmit seiner Geschichte vorzustellen. In Teil 2 seiner Ausführungen bringt er die Zeit von 1538 bis in die Gegenwart dem Leser nahe. Bisher nicht oder nur wenig bekannte Steuerlisten aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv München sowie aus dem Staatsarchiv Landshut informieren über die hausansässigen Bewohner Sengenbühls vom frühen 16. bis zum 19. Jahrhundert. Josef Eckl ermöglicht mit „Haibühl“ Einblicke in ein facettenreiches Dorfgeschehen, welches ab dem Jahr 1600 durch mehrere Besonderheiten gekennzeichnet ist. So bildete die Lage an der „Salzstraße“ von der Donau nach St. Katharina in Böhmen sowie an der regionalen Hauptverbindungsstraße von Kötzting in den Lamer Winkel die Voraussetzungen für eine Zollstation sowie auch die sehr frühe Ansiedlung eines Wirtshauses.

Wer einem Neukirchner Ratsherrn blöd kommt, den erwartet die „Bockpfoatzn“

In „Die Markträte zu Neukirchen b. Hl. Blut waren Herren“ lässt Ludwig Baumann die Leser einen Blick in die Sitzungsprotokolle des 18. Jahrhunderts werfen. So setzte der Marktschreiber vor dem Namen seiner damaligen Kollegen immer das respektvolle „Herr“ und wer einen Ratsherrn öffentlich mit „Du“ ansprach oder ihm mit dem Hut auf dem Kopf den „Respekt verweigerte“, wurde in Arrest oder in die „Bockpfoatzn“ gesperrt. Weiter zeigt der Autor einige der doch erstaunlichen Aufgaben der Ratsherren auf.

„Der Zungen wachtsamster Beschützer…“ nenntHans Wrba seinen Beitragaus Anlass der Seligsprechung des hl. Johannes Nepomuk vor 300 Jahren. 1721, wurde Johannes Nepomuk seliggesprochen, 1729 erfolgte die Heiligsprechung. Schon kurz danach hat ihn Kurfürst Karl Albrecht auch zum bayerischen Landespatron erklärt. Der Beitrag von Stefan Münsterer „Die Pfarrei Blaibach und ihre Filialkirche Weißenregen in der Bistumsbeschreibung von 1723/24“ nennt viele interessante Details über die damaligen Verhältnisse in der Pfarrei Blaibach. Grundlage seiner Forschungen ist das Antwortschreiben des damaligen Blaibacher Pfarrers Joseph Cölestin Schmidpauer, der ein etwas „eigenwilliges“ Latein verwendete, und des Benefiziaten Andreas Wagner auf einen entsprechenden Fragebogen des Regensburger Weihbischofs Gottfried Langwerth von Simmern an alle Pfarreien der Diözese.

Den Hofdamen war es in Cham zu langweilig – so blieb der Fürst nur kurz in der Stadt

Der „Traillingmühle in der Schmalzgrub“ widmet Josef Altmann seinen Beitrag. Neben der bekannten, 1722 erbauten St. Anna-Hofkapelle existiert eine zweite, heute allerdings stark ruinöse Kapelle an der Westgrenze der Traillinger Hofflur. Sie verdankt ihren Standort einem Inwohnerhaus, das als Außenstelle des Traillinghofes errichtet wurde.

Der 38. Band der „Beiträge zur Geschichte im Landkreis Cham“ veröffentlicht 14 Beiträge zur Zeit- und Kulturgeschichte des Landkreises Cham und zu vielen Orten des Landkreises und ruft nahezu 700 Jahre Geschichte in Erinnerung. Er umfasst einschließlich Register 178 Seiten und kostet 14 Euro. Er ist im Buchhandel erhältlich (ISSN 0931-6310) oder beim Landratsamt Cham, Kulturreferat, zum Versand zu bestellen, Tel. 09971-78 218.

Cham war im Juli 1800 für wenige Tage bayerische Residenzstadt und hätte das auch einige Zeit bleiben können, wäre es nicht zu provinziell gewesen. Reinhold Bucher zeigt in seinem Beitrag „Kurfürst Max IV. Joseph von Bayern wollte in Cham Residenz aufschlagen – allein der Kurfürstin und ihren Damen war es in der kleinen Stadt zu langweilig“ die Umstände auf, weshalb der Landesherr seinen Regierungssitz in die Kleinstadt verlegte und auch weshalb Cham diese Ehre nicht allzulange widerfuhr.

Helmut Schnabl hat sich der „Geschichte der Hofmark Lederdorn“ angenommen. Der zweite Teil des Beitrages beginnt mit den Montgelas-Aufzeichnungen von 1811/12 und endet mit der Inbetriebnahme der Umgehungsstraße im Jahr 2020.

Aufstieg und Niedergang der Windorferfamilie

Im 6. Teil seiner Abhandlung „Die Windorfer – eine Kötztinger Erfolgsgeschichte“ befasst sich Clemens Pongratz mit der vierten Generation der Unternehmerfamilie: Franz und Josef Windorfer und ihre Firma. Nach dem wirtschaftlichen Erfolg der Windorferfamilie mit der beginnenden Industrialisierung im Bayerischen Wald folgt der Abschwung. Der Aufsatz „Die Ausstellung werde die Kauflust anregen“ von Stadtarchivar Timo Bullemer beschäftigt sich mit der Chamer Gewerbeschau von 1921. Diese Messe war die erste derartige Veranstaltung in der Oberpfalz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Die Organisatoren wollten damit dem einheimischen Gewerbe eine Bühne bieten und Wiederaufbauarbeit leisten.

Der Beitrag von Dr. Markus Gruber „Kindersoldaten als Panzervernichter im April 1945“ behandelt den Einsatz einer Panzervernichtungsbrigade der Hitlerjugend aus Hessen auf dem Gebiet des Altlandkreises Waldmünchen. Volker Skibba setzt mit „Der Denkmalschutzpreis des Landkreises Cham 2020“ den Schlusspunkt Der Beitrag stellt ausgezeichnete Denkmäler aus Arnschwang, Waldmünchen und Tiefenbach vor.