Geschichte in Roding
Als das Platzerhaus gesprengt wurde

Hans Kirmer erinnert sich: Am Freitag, 29. April 1945, nachmittags um 5 Uhr, zerstörten die Amerikaner das Gebäude.

01.05.2022 | Stand 15.09.2023, 5:47 Uhr
Das Platzerhaus wurde am 29. April 1945 von den Amerikanern gesprengt. −Foto: Ludwig Dieß/Chronik

„Statement: On the 29th of April 1945, I was called to the Captain oft he 11. P.of the U.S. Army. Heu was located of Gasthof Lobmyer. The Captain gave me the order, to tell Mrs. Mauerer, the corner of here home an Chamer Straße is going to be wracked the same day at 2 clock PM“, schrieb Joe Kirmer, Interpreter at that time. Übersetzt heißt dies: „Am 29. April 1945 wurde ich zum Captain der Militär Polizei der U.S. Army gerufen. Er war im Gasthof Lobmeyer einquartiert. Der Captain gab mir den Befehl, der Frau Maria Mauerer zu sagen, dass die Ecke ihres Hauses in der Chamer Straße um 2 Uhr nachmittags weggesprengt wird.“

Unser Berichterstatter erhielt im Zuge des Verkaufs des Platzer-Anwesens an die Stadt Roding ein zeitgenössisches Dokument und ging der Sache nach. Die Besetzung Rodings durch die Amerikaner am 23. oder 24. April 1945 (der Tag nicht mehr feststellbar) bedeutete für den Markt Roding und das Umland das Ende des Systems und des Krieges. In Wetterfeld kam es zu Kampfhandlungen für die überlebenden Häftlinge des Konzentrationslagers Flossenbürg, die nach Dachau verlegt werden sollten. Für sie brachte der Einmarsch der Sieger die Befreiung.

Nach Auflösung der Front blieben die Besatzungstruppen. Der erste Chef der Militärregierung (Military Government Roding) war Cpt. C. R. Buchheit. Seine vordringlichste Aufgabe war, Ruhe und Ordnung herzustellen und aufrechtzuerhalten. Der amtierende Bürgermeister wurde seines Amtes enthoben. Der Militärgouverneur bestellte als Nachfolger den Volksschullehrer Andreas Gierl und schließlich den Kaufmann Jakob Wittmann, schrieb Josef Kilger in seinem Buch „Roding – Stadt im Königsland“.

„Roding erst einnehmen“

Doch bis Buchheit dies tun konnte, musste er „Roding erst einnehmen“. Am Montag 23. April, überschritt das 104. Infanterie-Regiment der 26. US Infanterie-Division die Regenbrücke in Roding (Helga Klitta: Kriegsende in der Oberpfalz – Januar bis Mai 1945. „Der Heimaterzähler“, Jg. 21/1970; Josef Kilger: Aus der Geschichte Rodings 1945- 1948, Rodinger Heimat, Band I/1984 Seite 97ff.) und marschierte kampflos in Roding ein. Das 328. Infanterie-Regiment erreichte Walderbach und Reichenbach. Beim Beschuss von Wetterfeld kam es zu zivilen Opfern. Für Roding war der Weltkrieg am 23. April zu Ende. Verdunkelung, Fliegeralarm und die Gefahr eines Beschusses bei Kampfhandlungen sowie die ideologische Einflussnahme durch die NSDAP waren vorbei. Die Militärregierung unter Leitung von Captain Buchheit richtete sich im Haus des Bezirksarztes Dr. Friedrich Klotz in der Regensburger Straße ein.

Doch dann sollten die Panzer, „schwere Tanks“, durch Rodings enge Straßen rollen. Buchheit bestellte Josef Kirmer zu sich ins Gasthaus Lobmeyer und beauftragte ihn, der „Platzerin“, der verwitweten Maria Mauerer (ihr Mann starb am 16. Oktober 1939) zu erklären, dass ihr Haus gesprengt werde müsse, damit „die großen Panzertanks“ durchkämen. Dazu fand unser Berichterstatter bei der Familie Mauerer ein entsprechendes Dokument.

29. April 1945:
Josef Kirmer, der von 1905 bis 1930 in Amerika war, sprach fließend Englisch. Dies beeindruckte Captain Buchheit und er fragte nach, wo sich Josef Kirmer in den USA aufgehalten hatte. „In Buffalo“, so Kirmer. Bei näherem Nachfragen stellte sich heraus, dass Captain Buchheit in der „Straße“ (in dem Ort) gewohnt hatte, in der auch Josef Kirmer seinen Beruf als Metzger in Amerika nachgegangen war. Da war das Eis gebrochen.“ In Roding fiel kein einziger Schuss, so Hans Kirmer, dessen Vater Sebastian der Bruder von Josef Kirmer war. (rjm)

Am Freitag, 29. April 1945, nachmittags um fünf Uhr (17 Uhr) wurde das Platzerhaus gesprengt. Hans Kirmer blickt zurück: „Auch mein Elternhaus sollte gesprengt werden, doch mein Onkel Josef (der Bruder meines Vaters) erklärte den Amerikanern, dass dieses Haus meinen Vater gehöre. So wurde es von der Sprengung verschont.“

Traditionsgasthaus eröffnet

An Heiligabend konnte die Traditionsgastwirtschaft Mauerer in der Chamer Straße nach dreieinhalb Jahren Eröffnung feiern. Der Bayerwald-Anzeiger schrieb u. a.: „Nunmehr ist aus den Trümmern, dank einer aufopfernden Gemeinschaftsarbeit aller Rodinger Bürger, einer großzügigen Zurverfügungstellung gemeindlicher Mittel und Mittel des Kreises eine vollkommen neue, moderne und schönere Wirtschaft entstanden. Entworfen vom Architekten Focht, Regensburg, gefertigt von der für Wertarbeit bürgenden Baufirma Schönberger, errichtet und gestaltet vom Schreinermeister Schindler, Wiesing und den Gebrüdern Dieß, Roding, wird diese Gaststätte nach Vollendung der Verputzarbeiten und dem Ausbau des 2. Stockwerkes wesentlich zur Verschönerung der Chamer Straße und der Belebung des Fremdenverkehrs beitragen.

Es wird für die Rodinger selbstverständlich sein, die hellen, freundlichen, mit altdeutschen Bauernmöbeln ausgestatteten und von unserem Heimatkünstler Ludwig Dieß reich mit Bildern und sinnigen Wandsprüchen versehenen Gastzimmer fleißig besuchen, damit die Besitzerin auch aus eigener Kraft zum vollständigen Ausbau des Hauses beitragen kann.“ (rjm)