Heimatgeschichte Als der Tatzenstock im Unterricht tanzte
Ein Gossersdorfer blättert in Erinnerungen an die Schulzeit. Festtag war der Samstag: Da gab es bei der Schulspeise Kakao.

Zandt.Ein altes Foto einer Gossersdorfer Schulklasse im Album von Peter Friedl, das Anfang der 1950er Jahre entstand, zeigt eine Schulklasse mit Lehrerin Doris Dörfl. Gut in Erinnerung ist auch noch Hauptlehrer Balthasar Ehm, seine unvermeidliche Tabakpfeife im Mund, mit der er auch das Klassenzimmer vollqualmte – heute undenkbar.
Als Heimatvertriebener kam Ehm nach Gossersdorf und wohnte dort im Schulhaus. Er war ein gerechter, aber auch sehr strenger Lehrer. Wollten die Schüler, hauptsächlich die größeren Buben, nicht recht parieren, hatte er schnell den sogenannten Tatzenstock bei der Hand. „Ei, ei, der Stab tanzt“, waren dann seine Worte und schnell waren die Schüler folgsam.
96 Kinder in zwei Klassen
Oberlehrerin Marianne Potschek, die jahrzehntelang in Gossersdorf und später, als die Schule aufgelöst wurde, in Konzell unterrichtete, erzählte einmal, dass während des Zweiten Weltkriegs und danach der Lehrermangel überaus groß war. Viele der Pädagogen waren als Soldaten gefallen oder kamen in Gefangenschaft, sodass sechs Tage in der Woche im Wechselunterricht Schulbetrieb war – am Vormittag und am Nachmittag. Für sämtliche Klassen standen nur zwei Räume zur Verfügung.

Einmal musste Oberlehrerin Marianne Potscheck gleichzeitig 96 Kinder in zwei Klassen unterrichten, und das sei keine Seltenheit gewesen. „Die meisten Schüler kamen sommers barfuß und winters in Holzschuhen zum Unterricht. Zur Pause hatten sie ein Stück trockenes Brot dabei oder einen Apfel“, erinnerte sie sich später. An bedürftige Kinder wurde während und auch noch einige Zeit nach dem Krieg die sogenannte Schulspeise ausgegeben, und ein besonderer Festtag war für die Buben und Mädchen immer der Samstag, denn da gab es Semmeln mit Kakao.
Gossersdorf
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Lage:
Gossersdorf liegt im Bayerischen Wald etwa zwei Kilometer nordwestlich von Konzell.
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Brauerei:
Georg Wörner von Birnbrunn erbaute um 1600 in Gossersdorf eine Weißbierbrauerei. 1602 verkaufte er die Hofmark und das Bräuhaus an Herzog Maximilian I. Das Kloster Oberalteich erwarb 1776 die Brauerei. Mit der Säkularisation fiel Gossersdorf wieder an den Staat, der sie verkaufte. Die Geschichte der Brauerei endete erst mit dem Tod von Brauereibesitzer Max Brandl 1964.

Um die Schulspeise bezahlen zu können, sammelten die Kinder im Sommer fleißig Beeren und Schwammerl, verkauften sie an die Händler Hans Heigl aus Kasparzell oder an Hans Schollerer und dessen Frau Liesl vom Stockerbauernhof; oft wurden Steinpilze und Rotkappen getrocknet und an den Deser Ferdl aus Hochfeld-Kasparzell verkauft, der im Herbst als Schwammerl-Aufkäufer mit dem Fahrrad unterwegs war. In großen Säcken transportierte der die Pilze nach Hause und veräußerte sie anschließend an Großhändler weiter .
Lehrer-Beruf reichte als Einnahme nicht
Die Tätigkeit als Schullehrer – heute ein angesehener Beruf und oft Sprungbrett in die Politik – war einst mit allerlei Nebenbeschäftigungen verbunden, unter anderem mit Orgelspiel, Mesnerdienst oder als Gemeindeschreiber, denn das Schulamt allein konnte seinerzeit einen Lehrer kaum ernähren, geschweige denn seine Familie. In einer Familienchronik wird über das Leben eines Lehrers vor nahezu 200 Jahren berichtetet.
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