Bildung
Auf einen Schlag verändert

In der Schule hatte lange keiner damit gerechnet, was Corona alles auslösen würde. Eine Abiturientin erzählt, wie sie klarkommt.

17.05.2020 | Stand 16.09.2023, 4:48 Uhr
Julia Stoiber
So sieht Unterricht zu Covid-19-Zeiten aus. Fotos: Julia Stoiber −Foto: Julia Stoiber

Ich heiße Julia Stoiber und bin 18 Jahre alt. Meine Hobbys sind Radfahren, Skifahren und Schwimmen, besonders Rettungsschwimmen, weshalb ich aktives Mitglied der DLRG Furth im Wald bin. Derzeit besuche ich die 12. Klasse des Robert-Schuman-Gymnasiums in Cham. Ich befinde mich in der „heißen Phase“ vor dem Abitur. Denn am 20. Mai schreibe ich Deutschabitur.

In der ersten Deutschstunde nach den Faschingsferien unterhielten wir uns mit unserer Lehrerin über Corona. Sie fragte uns, was wir davon halten. Jeder glaubte, die Hamstereinkäufe und das ganze „Drama“ um Corona sei völlig übertrieben. In der Schule lief es nach den Ferien ganz normal weiter. Ich schrieb Latein- sowie Geographieschulaufgabe und die Vorbereitungen für den Tag der offenen Tür, der am 6. März hätte stattfinden sollen, liefen auf Hochtouren.

Nie wieder normaler Unterricht

Am Freitagmorgen kam dann der erste Schock: Der Tag der offenen Tür ist abgesagt, da Südtirol über Nacht als Krisengebiet eingestuft worden war. Am Montag folgte schließlich der nächste Hammer: Wegen Covid-19 wird die Schule geschlossen. Klausuren, die in dieser Woche geschrieben werden sollten, wurden verschoben. Ich konnte es nicht fassen. Ich war völlig überrumpelt und wusste überhaupt nicht, wie es weitergeht: Wie sollen wir zu Hause lernen? Kann ich das alles alleine lernen? Wann schreiben wir die restlichen Schulaufgaben?

Die Schulleitung, der Oberstufenkoordinator, die Lehrer, keiner hatte eine Ahnung, wann wir wieder zur Schule gehen dürfen. Ich hatte mit ein bis zwei Wochen gerechnet, doch, dass ich nie wieder normalen Unterricht haben werde, hätte ich mir im Leben nicht erträumt.

Die folgenden Tage mussten sich Lehrer und Schüler erst einmal sammeln. Allmählich hat mich die Realität eingeholt. Wir bekamen für die einzelnen Fächer Arbeitsaufträge zugeschickt. Am Anfang war alles etwas chaotisch, da Mebis, eine online Lernplattform, schon am ersten Tag überlastet war. Es wurde allerdings schnell reagiert und auf OneNote umgestiegen. Dieses Programm funktioniert ganz gut.

Die Lehrer stellten uns die fehlenden Kapitel stückweise in OneNote als Hefteinträge rein. Wir durften ihnen jederzeit Fragen stellen. Ich musste meinen Tagesablauf komplett ändern. Doch schon bald fand ich einen neuen Rhythmus und gewöhnte mich daran. Ich behielt das frühe Aufstehen bei. In den ersten paar Wochen wiederholte ich den Stoff für das Abitur, dann übte ich Abituraufgaben. Am Nachmittag nahm ich mir noch ein bis zwei Stunden Zeit, um Arbeitsaufträge zu erledigen.

Da wir fast immer schönes Wetter hatten, nutzte ich das natürlich auch aus. Weil der Drachensee leider noch etwas zu kalt zum Schwimmen war, fuhr ich lieber Rad. Meistens entlang des Sees – Ich fuhr zwei- bis dreimal die Woche die Triathlonstrecke. Außerdem radelte ich nach Waldmünchen oder einfach nur über Schwarzenberg an den Drachensee. Einmal fuhr ich sogar die olympische Distanz mit dem Fahrrad und lief anschließend noch die zehn Kilometer.

Ich hatte also in der Natur einen guten Ausgleich zum Lernen. Nach einiger Zeit fand ich Homeoffice überhaupt nicht mehr schlimm. Im Gegenteil: Ich konnte mir meine Zeit frei einteilen und hatte das Gefühl, sehr produktiv zu sein. Das Schlimme war, dass ich keine Freunde mehr treffen durfte und mit ihnen am Wochenende nicht mehr weggehen durfte. An was ich mich immer noch nicht gewohnt habe, ist, dass montags kein Schwimmunterricht mehr stattfindet und dass alle Veranstaltungen der DLRG weggefallen sind – auf unbestimmte Zeit. Das soziale Leben ist einfach nur traurig.

Als wir schließlich die Nachricht erhielten, das Abitur wird um drei Wochen verschoben, war ich etwas enttäuscht, denn ich wäre froh gewesen, wenn es endlich vorbei ist. Allerdings war ich über die Nachricht, die noch ausständigen Schulaufgaben nicht mehr schreiben zu müssen und bald wieder in die Schule gehen zu dürfen, glücklich. Es war ein schönes Gefühl, zu wissen, noch einmal in Latein, Griechisch und den restlichen Abiturfächern unterrichtet zu werden.

Der ganze Druck ist weg

Ich freute mich riesig darauf, meine Freunde bald wieder sehen zu können. Am Montag vor einer Woche war es dann so weit. Es wurden zahlreiche Vorsichtsmaßnahmen getroffen: Die Stühle in der Pausenhalle dürfen nicht verrückt werden, denn sie sind Indikatoren für den richtigen Abstand. Es muss in den Gängen eine Maske getragen werden und der Sicherheitsabstand gewahrt werden. Außerdem wurde ein Einbahnstraßensystem eingeführt, das zu viele Begegnungen meidet.

In Deutsch und Mathe wurden wir geteilt und ansonsten habe ich nur noch meine drei weiteren Abiturfächer Latein, Griechisch und Geschichte. Obwohl ich wieder in die Schule gehe, fühlt es sich komisch an. Wir haben nur noch Abiturvorbereitung, bekommen keine Mitarbeitsnoten, werden nicht ausgefragt und schreiben weder Stegreifaufgaben noch Schulaufgaben. Der ganze Druck ist weg.

Es ist hart, in den Pausen nicht mehr aufzustehen und aus dem Klassenzimmer gehen zu dürfen, um sich mit Freunden aus den anderen Kursen zu treffen. Abiturscherz und Abiturball haben wir nicht. Auch die Abiturfeier wird nicht so locker sein wie in den letzten Jahren. Aber wir versuchen, das Beste daraus zu machen. (fsj)