Diskussion
Chamer Nazi-Kunst: Übermalen oder nicht?

Der Stadtrat will das Fresko in Cham vernichten lassen – doch so einfach gehe das nicht, sagen die Denkmalschützer.

19.10.2018 | Stand 16.09.2023, 5:58 Uhr

Zum Gedenken oder Kriegsverherrlichung? Für die 153 Gefallenen der Stadt malte der Maler Spitzner aus Parsberg den sich von seiner Familie verabschiedenden Soldaten. Fotos: Klöckner

Über Nacht ist die Diskussion losgebrochen: Soll die Nazi-Kunst in der Nische im Rathaus-Foyer übermalt werden oder nicht, lautet die Frage. Und viele in den „Sozialen Netzwerken“ regen sich darüber auf, dass der Chamer Stadtrat hier auf Vorschlag der Bürgermeisterin Karin Bucher eine eindeutige Antwort gefunden hat.

Das nach Meinung Buchers auch künstlerisch nicht erhaltungswürdige Gemälde des Soldaten, der sich von Frau und Kind verabschiedet, um in die Schlacht zu ziehen sei kriegsverherrlichend. Deshalb soll es übermalt werden. Das haben nach dem II. Weltkrieg bereits die Amerikaner getan, die es ebenfalls als nicht erhaltungswürdig und als Relikt der Nazi-Diktatur sahen und kurzerhand überweißten. Später wurde es „wiederentdeckt“ und sogar saniert – nun soll es ganz weg.

Fresko wurde als „erhaltenswert“ eingestuft

Doch so einfach, wie sich das Stadtrat und Bürgermeisterin vorstellen, gehe das gar nicht – darauf hat jetzt Kreisheimatpfleger Hans Wrba hingewiesen. Das Rathaus sei denkmalgeschützt – deshalb brauche die Stadt die Zustimmung der Denkmalbehörden. Er habe am Donnerstag einige Anrufe zu dem Thema bekommen, die sich gegen eine Vernichtung ausgesprochen hätten. 2002 sei das Fresko des Parsberger Malers Siegmund Spitzner vom Denkmalamt als „erhaltenswert“ eingestuft worden. Darauf habe auch der damalige Bürgermeister Leo Hackenspiel hingewiesen.

Letztlich sei die Malerei deshalb auch saniert worden. Der Maler, so Wrba, sei ein begeisterter Anhänger der Nazi-Ideologie gewesen. Doch gehe es hier um ein „Zeitzeugnis, ob es einem lieb ist oder nicht!“ Es sei eine Erinnerung an die Gefallenen des I. Weltkriegs. Wenn man solche Erinnerungen beseitigen wolle, müssten auch Kriegerdenkmäler weg. Der gleiche Künstler habe das Deckengemälde im Kleinen Sitzungssaal und die „Hussitenschlacht bei Satzdorf“ im Flur gemalt. „Was passiert mit denen?“, fragte Wrba. Stein des Anstoßes für Bürgermeisterin Karin Bucher ist die Kriegsverherrlichung, die im Fresko in der Foyer-Nische dargestellt werde. Hier werde der Tod im Krieg verherrlicht als Heldentum, so Bucher. Das sei bei den anderen beiden Gemälden nicht so – die Hussitenschlacht sei historisch überliefert und diene ihr etwa beim Besuch von Schulklassen auch, um auf die Übel des Krieges hinzuweisen. Das Foyer-Fresko sei zudem künstlerisch alles andere als wertvoll: „Es sieht aus wie ein Kindergemälde!“

Alternative: Bild einfach verhängen

Sie habe auch schon eine Email vom Landratsamt bekommen, aus dem Bauwesen von Gabriele Berlinger-Möck. Die habe diverse, besorgte Anrufe wegen der Sache erhalten. Und sie als Bürgermeisterin darauf hingewiesen, dass sie sich eine Erlaubnis einholen müsse, wenn sie das Fresko überstreichen wolle. Sie habe ihr geantwortet, dass sie es für einen „übertriebenen Denkmalschutz“ halte, solche Nazi-Kunst erhalten zu wollen. Mit solch übermäßigem Bürokratismus, der hier zutage komme, „schafft sich Deutschland ab“, sagte Bürgermeisterin Bucher. Gebe es keine Genehmigung für so etwas, werde man das Bild einfach verhängen.

Zudem habe sie die Diskussion im Internet verfolgt, sagte Bucher. Darin werde auch versucht, sie als Gegnerin des Gedenkens an die toten Soldaten hinzustellen. „Ich bin seit über 20 Jahren beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“, wies Bucher das zurück. Sie würde sich freuen, all die Ratgeber im Internet einmal bei Gedenkveranstaltungen zum Volkstrauertag begrüßen zu können. „Mein Opa ist gefallen, als meine Mama vier Jahre alt war. Sie hätte es sicher einfacher gehabt, wenn ihr Vater am Leben geblieben wäre!“, sagte Bucher. Sie lasse sich jedenfalls nicht vorwerfen, die Kriegstoten nicht genug zu würdigen.

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