Tiere
Chamerauer Jungstörche werden flügge

Im Horst trainieren Jungvögel ihre Muskeln. Sie wollen sobald wie möglich in die Freiheit abheben. Ein Geheimnis aber bleibt.

08.07.2021 | Stand 16.09.2023, 2:08 Uhr
Flattern für den großen Tag: Die Jungstörche in Chamerau trainieren für ihren ersten Flug. In den nächsten Tagen rechnen Beobachter mit dem ersten Ausflug. Ende August wird vielleicht die Reise ins Winterquartier angetreten. −Foto: Hermann Schropp

Diesen Winter verspürte das Chamerauer Storchenpaar offenbar kein Fernweh. Es flog nicht in den Süden, sondern blieb im Chamerauer Horst. Deshalb war es auch eines der ersten Storchenpaare im Kreis Cham, das mit der Brut früher beginnen konnte. Die Brutdauer beträgt in der Regel 32 bis 37 Tage. Die vier Jungstörche dürften in der 13. Kalenderwoche geschlüpft sein.

Die Natur kann manchmal grausam sein, denn eines der vier Storchenbabys starb im Mai. Bis dahin konnte man davon ausgehen, dass die Welt der Storchenfamilie auf dem Heroldkamin in Chamerau in Ordnung war. Es ist nicht hundertprozentig sicher, aber doch sehr wahrscheinlich, dass der Jungstorch im nassen Mai bei den kalten Temperaturen verendete.

Die Größe der Jungstörche ist zum Beispiel ein Merkmal für den Entwicklungsstand; die Jungen in Chamerau sind schon fast so groß wie die Altstörche. Außerdem würden die jungen Störche häufig auf dem Horst stehen und nur noch wenig hocken und sich ausruhen, auch ihre Körperhaltung ähnelt der der Altstörche. Die jungen Störche stehen jetzt mit flatternden Flügeln auf dem Horst, um ihre Muskulatur zu trainieren.

Wenn der Storchennachwuchs das erste Mal in die Luft gestartet ist, bleibt er die ersten Tage noch in der Nähe des Nests. Die Jungen kommen oft abends zurück, um dort zu schlafen. Es kann sein, dass sie zwischendurch von ihren Eltern gefüttert werden, weil sie das Jagen erst noch trainieren müssen.

Hochsprünge vorm ersten Flug

Vor dem ersten Flug stehen Hochsprünge auf dem Programm. Die Sprünge gehen teils vier, fünf oder gar noch mehr Meter in Richtung Himmel. Dies ist gar nicht mal so ungefährlich. Besonders das Landen muss geübt werden. Ein Fehltritt und ein Absturz vom Schornstein hätten fatale Folgen.

Die warmen Temperaturen sind in der Regel für die Jungstörche kein Problem, es sei denn, es wird zu trocken, so dass das Nahrungsangebot zu klein wird. Wenn die Eltern gut und fit sind, würgen sie bei großer Hitze sogar zuvor gesammeltes Wasser über den Jungen aus, um sie zu duschen und dadurch abzukühlen, was in Chamerau schon beobachtet wurde. Auch beim Füttern bringen die Eltern gegebenenfalls nur Wasser, um die Jungen mit ausreichend Flüssigkeit zu versorgen. Bei großer Hitze werden die Ständer (Beine) bekalkt, das heißt, der Storch überzieht sie mit einer sichtbaren weißen Schicht Kot. Dadurch wird bei extrem hoher Umgebungstemperatur eine drohende Überhitzung des Körpers verhindert.

Brutzeit: Junge:
Störche legen in der Brutzeit jeden oder jeden zweiten Tag ein Ei und beginnen sofort mit der Brut.So kommt es bei den Jungen zu Altersunterschieden von etwa zwei bis drei Tagen, ein weiteres Storchenküken könnte dann schon mal fast eine Woche jünger sein, als sein ältestes Geschwisterkind. Das letzte Junge ist meist das schwächste, das sogenannte Nesthäkchen.

Die Klimaanlage der Störche

Der Grund für dieses nach menschlichen Maßstäben als unrein erscheinende Verhalten ist, dass sich die roten Ständer in der Sonne aufheizen, sodass das zurückströmende Blut den Körper nicht ausreichend kühlen könnte. Durch das weiße, wasserhaltige Geschmeiß wird der Lauf weiß eingefärbt und reflektiert wie beim Gefieder das Sonnenlicht, sodass sich die Läufe und das zurückströmende Blut nicht weiter erwärmen können. Das im Geschmeiß enthaltene Wasser bewirkt, wie bei dem Abhecheln, durch die Verdunstungswärme eine Abkühlung.

Das Storchenbein besitzt am befiederten Teil des Unterschenkels das sogenannte Wundergeflecht oder Wundernetz, das das Gegenstromprinzip der Wärmetechnik ausnutzt. Es ist ein in sich verflochtenes, arterielles und venöses Netzwerk, das in warmen wie in kalten Zeiten ein hervorragender Wärmeregulator ist.

Ein Geheimnis ist bislang nicht geklärt: Weshalb steht der Storch so gern auf einem Bein? Scherzbolde antworten: „Weil er das andere hebt.“ Man kann sich aber gut vorstellen, dass das Heben eines Beins im Winter wie im Sommer der Feinregulierung der Körpertemperatur dient und auch dem Eitransport in der Legeperiode dienlich ist. Das arterielle Blut strömt aus dem Körper durch den Lauf der Störche bis in die Zehen, wobei es sich dort großflächig bis unterhalb der Körpertemperatur abkühlt. In warmen Zeiten kann durch Bekalken der Kühleffekt noch verstärkt werden, sodass das Blut eine Temperatur von unterhalb der Umgebungstemperatur annimmt.

Auf dem Rückweg zum Körper – im venösen Schenkel der Beingefäße – wird das Blut weiterhin abgekühlt. Das so vorgekühlte Blut durchströmt nun im Unterschenkel das venöse Wundergeflecht, das vom arteriellen Teil umgeben wird. Hier erfolgt ein Wärmeaustausch zwischen warmem arteriellen und kühlem venösen Anteil des Wundergeflechts, sodass das vorgekühlte Blut bereits wieder etwas vorgewärmt wird. Dieses vorgewärmte Blut hat eine Temperatur, die unter der Körpertemperatur liegt und somit für die Kühlung des Storchs sorgt. Die Spannung steigt: Die vier Storchenjungen in Chamerau könnten in der nächsten Tagen jeden Moment den Horst für ihren ersten Flug verlassen. Die Storchenbeobachter sind sich sicher: „Die Jungen sind fit, bald geht es los.“ (che)