Debatte
Der ewige Zoff um Chamer Landschaft

Darf eine Gemeinde ihre Entwicklung vor den Schutz der Landschaft stellen? Der Bund Naturschutz streitet mit dem Landrat.

28.04.2021 | Stand 16.09.2023, 3:08 Uhr
So sehen Herausnahmen aus dem Landschaftsschutzgebiet in der Realität aus: In Roding-Altenkreith ist das Schutzgebiet „Sanddickicht" betroffen und seit Jahren heftig umstritten. Rechts vorne sieht man die Firma Crown und die benachbarten Abholzungen. −Foto: Josef Kerscher

Seit 2007 gibt es im Landkreis das Landschaftsschutzgebiet. Ursprünglich sollte es den Begehrlichkeiten der Gemeinden nach einer Erweiterung durch Baugebiete und Gewerbegebiete enge Grenzen setzen. Zu eng, sagen die Bürgermeister heute. Damit sind sie gefühlt seit ewigen Zeiten auf Kollisionskurs mit Naturschützern und Grünen. Jetzt geht diese Auseinandersetzung in eine neue Runde. Der Bund Naturschutz Cham konfrontiert in einer Stellungnahme Landrat Franz Löffler mit seinen jüngsten Äußerungen im Kreisausschuss.

Der stellvertretende Vorsitzende des Bundes Naturschutz Cham, Roger Mayer, sieht Klärungsbedarf. Er kritisiert, dass nur einzelne Kreisräte die Herausnahmen aus dem Landschaftsschutzgebiet hinterfragen und dabei bei den anderen – im Besonderen beim Landrat – nur auf Unverständnis und Ablehnung. Im Zusammenhang mit dem Thema Sanddickicht sei zu beobachten, wie versucht werde, mit falschen Behauptungen diesen Umweltskandal schönzureden. Landrat Löffler rechtfertige erneut die Ausnahmegenehmigung zur Rodung des Waldbiotops mit der drohenden Abwanderung des US-Unternehmens Crown nach USA. Tatsache sei aber, so Mayer, dass Crown seinen Rodinger Betrieb auf den großflächig vorhandenen Freiflächen des bestehenden alten Industriegebietes im Sanddickicht erweitern konnte – außerhalb des LSG. „Die umstrittene Rodung des gesetzlich geschützten Flechten-Kiefernwaldes und die LSG-Herausnahme wurden 2015 mit der Betriebsverlagerung einer Eierfärberei und einer Firma zur Sandaufbereitung begründet. Das hatte mit der Rettung der Firma Crown nichts zu tun. Erst 2018 wurde eine weitere Erweiterung der Firma Crown in Betracht gezogen“, so Mayer.

Keine Ansiedlung zu erkennen

Stand heute sei jedoch noch keine einzige Industrieansiedelung auf dem doch so wichtigen Standort des gerodeten Waldbiotops zu erkennen. Aus Sicht des BN sei die erteilte Ausnahme eindeutig ein Abwägungsfehler. Noch bevor das Oberverwaltungsgericht in München das Vorhaben stoppen konnte, habe der damalige Bürgermeister Reichold mit der vorgezogenen Rodung vollendete Tatsachen geschaffen. So hätten nach Ansicht des BN Flächen-Potenziale im Bereich des B 85-Ausbaus bei Altenkreith und bei der Ortsumgehung Neubäu berücksichtigt werden müssen.

„Hier geht es nicht um Verhinderung oder Abwanderung von Industrie, sondern um eine nachhaltige umweltverträgliche Planung. Der Landkreis Cham ist bayernweit für seine Genehmigungspraxis bekannt. Entsprechend prägen Flächenverbrauch und Zersiedelung seine Entwicklung. Es hat sich gezeigt, dass der Landkreis hier keine Vorbildfunktion übernehmen kann. Der Druck aus den Amtsstuben der Bürgermeister ist zu groß. Die Genehmigung von Flächennutzungsplänen muss wieder auf die Regierung übergehen“, fordert Mayer.

Die AnträgeDie Flächen:
: Das Landschaftsschutzgebiet wurde 2007 geschaffen. Seitdem wurden 75 Anträge auf Herausnahme von Flächen zur Weiterentwicklung der Gemeinden in Form von Bau- und Gewerbegebieten im Kreistag eingereicht. Alle wurden genehmigt.Bei seiner Schaffung war das Landschaftsschutzgebiet 148 271 Hektar groß. Seitdem wurden 139 Hektar entnommen. So sind nun 148 128 Hektar übrig. Das entspricht umgerechnet 1481 Quadratkilometern.

Unser Medienhaus hat den Landrat mit der Argumentation konfrontiert. Pressesprecher Friedrich Schuhbauer hat folgende Stellungnahme abgegeben: „Die von Herrn Mayer aufgeworfenen Fragen rund um das Sanddickicht betreffen ein Bauleitplanverfahren, das von der Stadt Roding im Rahmen ihrer Planungshoheit durchgeführt wurde. Die Herausnahme von Flächen aus dem Landschaftsschutzgebiet war lediglich Teil dieses Verfahrens. Das Verfahren ist nach sorgfältiger Abwägung abgeschlossen worden, die Argumente wurden hinreichend ausgetauscht. Die Fragen zum Bedarf, zur Rodung und zu Alternativen kann nur die Stadt Roding beantworten. Im Übrigen hat das Unternehmen damals sehr deutlich gemacht, dass das neue Investment in Roding von einer ausreichenden Erweiterungsmöglichkeit abhängig war.

Bauleitplanverfahren der Stadt

Was die Zuständigkeit für die Genehmigung von Flächennutzungsplänen kreisangehöriger Gemeinden betrifft, hat die Bayerische Staatsregierung diese den Landratsämtern übertragen. Das Landratsamt Cham erteilt im Rahmen dieser Zuständigkeit die erforderliche Genehmigung dann, wenn das Flächennutzungsplanverfahren von der Gemeinde ordnungsgemäß durchgeführt worden ist und der Plan den geltenden Rechtsvorschriften nicht widerspricht.“