Porträtserie
Der Mann mit den drei Leben

Er war preisgekrönter Schnitzer, Rekorde brechender Taucher, Pflegefall im Rollstuhl und ist heute ein gesuchter Fotograf.

01.07.2017 | Stand 16.09.2023, 6:29 Uhr
Steffi Bauer

Benjamin Franz mit einigen der von ihm geschaffenen Holzskulpturen Foto: Steffi Bauer

Was alle wissen: Benjamin Franz war ein rekordbrechender und weltbekannter Apnoetaucher und ist heute ein gefragter Fotograf. Was nur wenige wissen: Davor hatte er eine ganz andere Berufslaufbahn eingeschlagen.

Für unsere Porträtreihe treffen wir uns mit Menschen, die auf ihren Lebenswegen die unterschiedlichsten Abzweigungen genommen haben – sei es, weil sie es so geplant hatten oder weil das Schicksal sie dorthin geführt hat. Aber so unterschiedlich die Berufe, die er ausgeübt hat beziehungsweise heute ausübt, auch sind: Benjamin Franz hat immer das gemacht, wofür sein Herz schlägt. Schon seinen Lehrberuf, die Holzbildhauerei, wählte er aus Leidenschaft, und vielleicht liegt die Begeisterung dafür in den Genen. Denn bereits sein Urgroßvater, ein gelernter Schreiner, war ein talentierter Schnitzer: Einige der Figuren in der Rimbacher Kirche stammen von ihm.

Der Wunsch war früh klar

In sehr jungen Jahren bereits auf eigenen Beinen zu stehen, weg von daheim, wie war das? „Man wird schnell selbständig, schließlich ist man für sich alleine verantwortlich, muss selber sehen, dass man morgens pünktlich aufsteht für die Arbeit“, erinnert sich der 46-Jährige. Die kreative Tätigkeit als angehender Holzbildhauer habe ihm großen Spaß gemacht, und mit seinem Gesellenstück wurde er sogar Landessieger. Ein gutes Jahr arbeitete er in seinem Lehrbetrieb weiter, dann wechselte er zu einer Schreinerei in Bad Kötzting.

Eine ganz neue Richtung

Aber schon allein das war beeindruckend: „Das Wasser war so klar, ich konnte die Fische über den Wasserpflanzen schwimmen sehen, dieser Anblick hat mich einfach gefesselt.“ Der Blauberger See, der Steinberger See, der Murner See folgten. In einem Hallenbad probiert er erstmals das Tauchen mit der Flasche aus. Dort fällt außerdem auf, wie lange er unter Wasser die Luft anhalten kann.

1996 suchte die Zeitschrift „Unterwasser“ anlässlich der WM in Südfrankreich nach Deutschlands besten Apnoetauchern: „Da wurde ich auf Anhieb Zweiter.“ Im gleichen Jahr wollte Benjamin Franz es genau wissen: Was lag im Bereich des Möglichen? Beim Tieftauchen im Attersee wurden es 27 Meter, bei der WM in Nizza schon 35 Meter.

„Der Schlüssel zum Erfolg ist die Entspannung.“Benjamin Franz

Mit diesen 35 Metern lag er im Mittelfeld, erzielte aber einen großen Erfolg im Luftanhalten und wurde Vize-Weltmeister. Über fünf Minuten lang nicht einatmen – für die meisten kaum vorstellbar. Entsprechend groß war das Medieninteresse an diesem Mann aus dem Bayerischen Wald, den es immer weiter hinab in die Tiefen der Seen und und bald auch der Meere zog. Franz trainierte weiter und holte 1999 den Weltrekord im Stunden-Apnoe. Dann ging es nach Ägypten, wo er als erster Deutscher eine Tiefe von 100 Meter erreichte. Hatte er nie Angst bei seinen Tauchgängen? „Nein“, sagt er. „Der Schlüssel zum Erfolg ist die Entspannung.“ Dabei wären diese Tiefen für einen untrainierten Menschen absolut tödlich.

Entspannung in der Tiefe

„Man muss seinen Körper nach und nach daran gewöhnen. Es ist unglaublich, an was der sich anpassen kann.“ Unglaublich ist auch, was ihm 2001 gelang: Der Weltrekord im Freitauchen, 117 Meter variabel. „Der Zustand, den man in diesen Tiefen erreicht, hat etwas von Entspannung und Meditation“, erinnert sich der 46-Jährige. „Und wenn man wieder die Oberfläche erreicht, warten da Leute auf dich, die kaum glauben können, was du gerade geschafft hast. Diese enorme Bestätigung hat Suchtcharakter.“ Er gibt zu, er hätte selbst nicht willentlich aufhören können mit diesem Extremsport.

„Wenn ein Mediziner mein MRT von damals sieht, heißt es: Du kannst froh sein, dass du noch dastehst.“Benjamin Franz

Aber Benjamin Franz gab nicht auf: Nach drei Wochen sprach er wieder sein erstes Wort. „Im Nachhinein hat der Unfall mein Leben bereichert und mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Es war eine zweite Chance“, sagt er. Die Reha-Phase, die zwei Jahre dauerte, schloss er mit einem Halbmarathon ab. „Aber: Ich habe auch einsehen müssen, dass es nie wieder so wird, wie es einmal war“ – gewisse körperliche Einschränkungen bleiben.

Fotografie als Therapie

Benjamin Franz hat diese Therapie, dieses Hobby, das ihn so begeistert, zum Beruf gemacht, ist das ganze Jahr über als Fotograf unterwegs. „Es war eine Herausforderung, das anzunehmen, aber jetzt kann ich wieder das machen, was mir Spaß macht“, sagt er. „Früher war meine Zufriedenheit abhängig von der Resonanz von außen. Heute brauche ich das nicht mehr.“

Im nächsten Teil unserer Serie berichten wir über Alexander Maria Wagner (22). Seit frühester Kindheit bewegt er sich in der Welt der klassischen Klänge. Der junge Mann aus Höhhof beherrscht den Flügel wie selten jemand in diesem Alter.

Weitere Themen aus Willmering lesen Sie hier