Vortrag
Der Ukraine-Krieg fordert die Landwirte

„Die erste und wichtigste Aufgabe ist die Produktion von Agrarrohstoffen und von Lebensmitteln“, betonte Dr. Michael Mederle.

22.04.2022 | Stand 15.09.2023, 5:49 Uhr
Jakob Moro
Dr. Michael Mederle vom Kuratorium Bayerischer Maschinen- und Betriebshilferinge sprach über den Ukraine-Krieg und dessen Auswirkungen auf die Landwirtschaft. −Foto: Jakob Moro

Einen Vortrag hörten die rund 200 Landwirte bei der Versammlung des Maschinenrings in der Stadthalle in Roding. Dr. Michael Mederle, Leiter Agrar und Beratung vom Kuratorium Bayerischer Maschinen- und Betriebshilferinge, referierte zum Thema „Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf die globale, europäische und deutsche Landwirtschaft“.

Die Ukraine sei die „Kornkammer Europas“, so Mederle. 25 Prozent der weltweiten Schwarz-Erde-Böden seien in der Ukraine vorhanden. Die Ukraine sei der weltweit größte Exporteur von Sonnenblumenöl und einer der größten Getreideexporteure. Vor allem Weizen, Mais und Gerste kämen aus der Ukraine, 40 Prozent des Roggens auf der Welt, 24 Prozent des Sonnenblumenöls, 20 Prozent des Maises und des Rapses sowie 17 Prozent des Weizens. Gering sei der Anteil von Soja mit einem Prozent.

Drittgrößter Getreideexporteur

Die landwirtschaftliche Fläche der Ukraine ist laut Mederle gut doppelt so groß als in Deutschland, sie beträgt 41,5 Millionen Hektar. Die Ukraine habe dreimal soviele landwirtschaftlich Beschäftigte als Deutschland. Die staatliche Förderung der Landwirtschaft sei verglichen mit Deutschland sehr gering. Die Ukraine sei mit 70 Millionen Tonnen der drittgrößte Getreideexporteur der Welt. Entwicklungsländer seien besonders negativ vom Krieg in der Ukraine betroffen. Dies bedeute mehr Armut bei all denen, die von der Landwirtschaft abhängig sind. Die Ukraine sei der wichtigste EU-Lieferant für Raps, ausbleibende Lieferungen beeinträchtigten die globale Rapsverfügbarkeit. Mederle zur aktuellen Situation: „Treibstoff geht ans Militär oder wird angezündet. Die Ersatzteilversorgung ist unterbrochen. Die Aussaat müsste eigentlich schon laufen, doch es fehlt an Personal, Treibstoff und Dünger. Blindgänger, Minen und Raketen auf den landwirtschaftlichen Flächen behindern den Anbau des Saatgutes.“

Auch wenn der Krieg beendet wäre, gäbe es Probleme wegen zerstörter Silos und des Verladens in den Häfen in Mariupol, Odessa, Mykolajiw und Cherson. Der ukrainische Landwirtschaftsminister Leshchenko habe prognostiziert, dass die Ernte 2022 und die Exporte stark zurückgehen werden. Die Anbaufläche z. B. gehe von 5,5 Millionen Hektar auf 3,3 Millionen Hektar zurück. Von den rund 6,5 Millionen Hektar Weizen, die im Herbst 2021 gesät wurden, könnten vermutlich nur circa vier Millionen Hektar geerntet werden. Die Landwirte sollten mehr Sommer- und Buchweizen anbauen, auch mehr Hafer, Hirse und Sommergerste, so der Landwirtschaftsminister. Auch das trockene Wetter beeinträchtige die Aussaat. All dies habe massive Auswirkungen auf die Preise, so Mederle. Getreide werde immer teurer. Auch der Export über die Schiene sei nicht so leistungsfähig wie über die See. Der Export von Getreide aus der Ukraine gehe um rund ein Drittel zurück, vermutet der Experte. Weltweit sei auch die Dürregefahr in Kanada nicht unbeachtlich.

Düngemittelpreise steigen

„Die Düngemittelpreise sind kräftig im Steigen begriffen“, sagte Mederle. So bestehe ein Lieferstopp für N-Dünger aus Russland. Russland falle als Lieferant von Dünger aus. Auch erfolge eine Drosselung der landwirtschaftlichen Produktion wegen hoher Preise für Energie. Im Ergebnis führe all dies zu steigenden Lebensmittelpreisen und zu einer globalen Ernährungskrise. Auch beim Diesel komme es in Europa zu einer Verknappung, vermutlich zu einer Rationierung. Die Hälfte des europäischen Diesels komme aus Russland. Es könne zu staatlichen Energiespar-Maßnahmen im Fall eines russischen Lieferstopps kommen, mutmaßte der Referent.

„Die erste und wichtigste Aufgabe der Landwirtschaft ist die Produktion von Agrarrohstoffen und von Lebensmitteln, danach kommt der Klima-, Umwelt- und Naturschutz“, sagte Mederle. Möglich wäre auch in dieser Situation, den Fleischkonsum zu senken. Wenn der Bedarf für das Getreide für Tiernahrung sinke, werde Getreide für die Lebensmittelerzeugung frei. Auch die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung wäre hilfreich. „Die Welternährung wird sich verändern, vor allem auch in hochentwickelten Industrieländern, aber nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine“, so ein Fazit des Referenten. (rjm)