MZ-Rechtsserie
Die Arbeitszeit verlässlich erfassen

08.01.2023 | Stand 15.09.2023, 2:15 Uhr
Ein Mitarbeiter hält für die Arbeitszeiterfassung seinen Chip an einen Zeiterfassungsterminal. −Foto: Sina Schuldt/dpa

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 13. September 2022 (BAG – 1 ABR 22/ 21) rechtsverbindlich entschieden, dass in Deutschland die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen ist. Der Chamer Anwalt Georg Kuchenreuter erklärt in der MZ-Rechtsserie was es damit auf sich hat.

Grundlage dafür war ein Urteil des europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019 (EuGH Rs. 55/18 CCOO), wonach ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten ist, mit dem die täglich geleistete Arbeitszeit gemessen werden kann.

Nach Paragraf 16 Absatz zwei des Arbeitszeitgesetzes musste der Arbeitgeber bereits jetzt (vor den genannten Entscheidungen) die werktägliche Arbeitszeit über 8 Stunden sowie die gesamte Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen Aufzeichnen und die Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre aufbewahren und auf Verlangen der Aufsichtsbehörde vorlegen.

Diese Aufzeichnungen reichen nach den genannten Entscheidungen nicht mehr aus. Die neue Rechtsprechung ist bereits jetzt, auch ohne gesetzliche neue Regelung, umzusetzen.

Die Aufzeichnungspflicht erfasst dabei den weiten Arbeitnehmerbegriff nach der Arbeitszeitrichtlinie, also nicht nur Arbeitnehmer im Sinne von Paragraf 611 a BGB, sondern unter anderem auch Fremdgeschäftsführer einer GmbH. Sie gilt auch für Beschäftigte mit Vertrauensarbeitszeit (der Arbeitnehmer kann eigenverantwortlich über Beginn und Ende der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit entscheiden und der Arbeitgeber vertraut darauf, dass der Arbeitnehmer seine vertraglichen Arbeitsverpflichtung nachkommt) und für Beschäftigte im Homeoffice.

Die Zeiterfassung muss objektiv und verlässlich sein, sie muss die sichere Feststellung ermöglichen. Es müssen also zumindest der Beginn und das Ende der Arbeitszeit erfasst werden, stunden- und minutengenau. Ungefähre, pauschalierte oder geschätzte Angaben sind nicht ausreichend. Je die – nachträgliche – Veränderung der Aufzeichnung muss erkennbar sein: Was war der ursprüngliche Inhalt, wann wurde dieser verändert?.

Die Aufzeichnung muss zugänglich sein, sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Beschäftigten und darüber hinaus für die Arbeitnehmervertretung und für Aufsichtsbehörden.

Die Aufzeichnungspflicht bei Leiharbeitnehmern haben sowohl der Verleiher als auch der Entleiher zu erfüllen.

Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, die Aufzeichnungspflicht auf den Arbeitnehmer oder auch auf Dritte wie beispielsweise Vorgesetzte oder Kollegen, Abteilungsleiter zu übertragen. Dies ergibt sich aus dem arbeitgeberseitigen Weisungsrecht nach Paragfraf 106 GewO.

Die Aufzeichnung selbst unterliegt keiner besonderen Formvorschrift. Die Aufzeichnung der Arbeitszeit kann elektronisch, aber auch schriftlich und handschriftlich in Papierform oder sogar in Textform, Paragraf 126 b BGB erfolgen.

Die Aufzeichnung ist zeitnah vorzunehmen, dies ergibt sich aus der Vorgabe, dass die Aufzeichnung verlässlich sein muss. Dies bedeutet aber nicht, dass sie am Tag der Arbeitsleistung vorzunehmen ist. Es kommt hier immer auf die Umstände und Besonderheiten des Einzelfalles an. Zeitnah bedeutet, dass die Arbeitszeit allerdings spätestens innerhalb einer Woche zu dokumentieren ist. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber dies in entsprechende Regelungen umsetzen wird; die durch das Gericht gemachte Vorgaben müssen aber bereits jetzt eingehalten werden. Der Betriebsrat hat zwar kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Einführung („ob“), aber wohl hinsichtlich der Ausgestaltung der Zeiterfassung („wie“). Verstöße sind derzeit nicht unmittelbar als Ordnungswidrigkeit zu bewerten, es kommen aber behördliche Anordnungen und Individualansprüche der Arbeitnehmer in Betracht.

Deshalb sollte jeder Arbeitgeber für sich überprüfen, inwieweit er diese Vorgaben bereits erfüllt.

MZ-Serie: „Alles, was Recht ist“

Die Serie:Unsere Serie „Alles, was Recht ist“ haben wir 2017 wieder aufleben lassen – mit altbekannten und einigen neuen Autoren. Sie erscheint immer samstags im Landkreis-Teil. Am 14. Januar schreibt Rechtsanwalt Benedikt Kuchenreuter seinen nächsten Beitrag. Es geht um Sportunfälle.

Autor:Georg Kuchenreuter ist Anwalt in der Chamer Kanzlei am Steinmarkt, Kuchenreuter, Dr. Stangl, Alt PartGmbB.

Fachgebiete:Er ist Fachanwalt für Familienrecht und Arbeitsrecht sowie Mediator.

Kontakt:Kanzlei am Steinmarkt, 93413 Cham, Telefon (0 99 71) 8 54 00, E-Mail info@kanzlei-am-steinmarkt.de, www.kanzlei-am-steinmarkt.de