Geschichte
Die geheime Nazi-Fabrik im Wald

Tief im Einsiedler Forst ließ Messerschmitt im Zweiten Weltkrieg lange unentdeckt an seinem Jagdflugzeug Bf 109 bauen.

20.04.2018 | Stand 16.09.2023, 6:07 Uhr
Jakob Moro

Unser Mitarbeiter hat einen Spaziergang zum früheren Waldlager Mappach gemacht. Außer einem Häuschen und einem Schild am Baum ist dort nichts mehr zu finden. Foto: Moro

Vieles, was an die unselige Zeit des Nationalsozialismus erinnern würde, wurde auch in unserer Heimat vernichtet. So gibt es nur noch wenige, die sich daran erinnern können, dass tief im Wald zwischen Bruck und Neubäu einmal gut getarnt Flugzeuge produziert wurden. Zum Schutz vor dem alliierten Bombenhagel verlegte Hitlers Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg ihre Flugzeugproduktion in versteckte Waldlager.

Die ersten Waldwerke zur Produktion der Messerschmitt Bf 109 entstanden südlich von Regensburg – etwa „Gauting“ bei Hagelstadt. Noch vor Flossenbürg mussten die Insassen des KZ Mauthausen für Messerschmitt produzieren. In ein „kleines Dorf“ im Einsiedler Forst zwischen Bruck, Neubäu und Bodenwöhr wurde die Montage verlegt. Verborgen unter riesigen Tarnnetzen haben hier, im Waldlager Mappach, hunderte russische Kriegsgefangene Teile der berühmt-berüchtigten Jagdflugzeuge gebaut.

Akribisch suchten die amerikanischen Verbände nach diesen Produktionsstätten. Doch das Waldlager bei Bruck blieb, im Wald verborgen, unentdeckt. Die Teile wurden hauptsächlich in Neukirchen angeliefert. Der Abtransport der Rümpfe erfolgte in Bodenwöhr. Die Endmontage und Abnahme geschahen in Cham. In Bodenwöhr wurden fertige Flugzeuge ohne Tragflächen montiert.

Kurz vor Kriegsende rückte die 3. US-Armee, genauer die 11. Armored Division, in Bayern vor. Mit jedem Kilometer, den die Soldaten weiter nach Osten vordrangen, entdeckten sie mehr Flugzeuge. Halbfertige oder zerstörte Maschinen, die verlassen auf Waldwegen oder vor Bahngleisen standen. Im Dickicht fanden sie Fertigungshallen, Montagekräne oder Baracken unter Tarnnetzen.

Alliierte Bomber hatten zwar die meisten Flugzeugfabriken in Bayern dem Erdboden gleichgemacht, aber den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Die Amerikaner waren sich der Existenz der fast 100 Verlagerungsbetriebe der Messerschmittwerke Regensburg und Augsburg bewusst. Nur wussten sie nicht genau, wo sie sich befanden.

So hielten die Rüstungsfirmen auf Druck des Reichsluftfahrtsministeriums zwischen Mitte 1944 bis Ende 1944, in den letzten Kriegsmonaten war kaum mehr ein Produktionsausstoß möglich, unsichtbar für die Aufklärer des Feindes den Betrieb aufrecht. Es gibt kaum Fotos aus der Me-109-Produktion. Aus Bodenwöhr sind gar keine Aufnahmen bekannt.

Die Düsenjägerproduktion der ME 262 ist wesentlich besser dokumentiert. Von den meisten Waldwerken ist heute nicht mehr viel zu sehen. Nur Betonfundamente lassen erahnen, wo sich die geheimen Fabriken einst befanden.

Heute kaum noch vorstellbar

Das Werk im Wald bei Mappach war bei der Einnahme am 23. April 1945 schon nicht mehr in Betrieb. Kaum vorstellbar, wenn man heute die B 85 entlangfährt, dass dort einst Flugzeuge produziert wurden: komplette Rümpfe samt Luftschraube, Fahrwerk und Motor. Sie wurden anschließend zum Bahnhof Bodenwöhr gebracht. Die Fertigung konzentrierte sich auf den Fliegerhorst Obertraubling.

Es soll am 17. August 1943 gewesen sein, als die Regensburger durch Sirenengeheul aufgeschreckt wurden. Der Luftangriff galt den Messerschmitt-Flugzeugwerken im Südwesten der Stadt. Sie waren Ziel der amerikanischen Luftwaffe und wurden bei dem Angriff so schwer beschädigt, dass nach der ersten Bombardierung damit gerechnet werden musste, dass weitere folgen würden und die Produktion in Regensburg nicht mehr möglich wäre.

So kamen die Aussiedelungspläne auf. Bodenwöhr war nur ein kleiner Teil der Verlagerung. Die Fertigungskreise Nord (Flossenbürg, Vilseck), Mitte (Bodenwöhr, Cham), Süd (Waldwerk Gauting und Fliegerhorst Obertraubling entstanden. Bevor die Waldwerke geschaffen wurden, wurde auf dem Fliegerhorst Obertraubling produziert.

Parallel entstanden viele Fertigungsstätten für die ME 262. Das Waldwerk Bodenwöhr, mit dem Tarnnamen TO, entstand im September 1944. Die Alliierten flogen zu dieser Zeit pausenlos Einsätze gegen die deutsche Flugzeugindustrie. Die bis heute anhaltenden Bombenfunde in und um Regensburg zeugen von dieser Zeit. Wann wohl die letzten Bomben, die vor 70 Jahren über Regensburg abgeworfen wurden, gefunden sind?

In der Nähe des ehemaligen Waldlagers Mappach gibt es noch einen Baum, in den ein Stück Stacheldraht der Lagerumzäunung eingewachsen ist, sonst sind keine Spuren der damaligen Zeit mehr zu finden. Da fast alle wehrfähigen deutschen Männer 1944 im Kriegseinsatz waren, wurden russische Kriegsgefangene zur Arbeit eingesetzt. Diese brachte man in dem erwähnten Lager mit seinen rund 30 Baracken unter.

Bei einer Belegungsannahme der im Grundriss fünf mal zehn Meter großen Baracken von 15 bis 20 Gefangenen kommt man für das ganze Lager auf eine Zahl von etwa 500 Menschen, die dort gearbeitet haben könnten.

Abtransport per Hand

Diese waren zum einen in den zwei riesigen Montagehallen beschäftigt, zum anderen beim Abtransport der gefertigten Flugzeuge. Es gab lediglich ein kurzes Feldbahngleis zwischen den Montagehallen. Die Flugzeuge wurden per Hand nach Blechhammer gezogen. Die eine Fertigungshalle war etwa 60 mal 15 Meter groß, die andere weit über doppelt so lang, nämlich 150 mal 15 Meter. Die Betonfundamente der größeren Halle sind noch zu erkennen, wenn man die etwa zehn bis 15 Zentimeter dicke Humusschicht entfernt.

Als die Amerikaner Ende April 1945 das Gebiet rund um Bruck/Neubäu eroberten, besetzten sie auch die Produktionsstätte tief im Wald bei Mappach. Sie errichteten in unmittelbarer Nähe ein Kriegsgefangenenlager im ehemaligen Zwangsarbeiterlager, in dem vor allem Angehörige der Waffen-SS untergebracht worden sein sollen. Über einzeln stehenden Bäumen als Pfosten wurde ein etwa vier Meter hoher Stacheldrahtzaun gezogen. Dieses Lager bestand allerdings nur bis Ende 1945.

Nach dem Krieg fanden auf dem Gelände der ehemaligen Flugzeugproduktion der Messerschmitt-Werke Heimatvertriebene eine neue Bleibe. Das Flüchtlingslager, an das ab diesem Sonntag eine Ausstellung in Mappach erinnert, bestand bis 1953 – also bis vor 65 Jahren.

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