Menschen
Die Wahrheit hinter Schindlers Liste

Erika Rosenberg-Band war die beste Freundin von Oskar Schindlers Frau Emilie. Deren Rolle sei in der Geschichte kaum bekannt.

24.10.2019 | Stand 16.09.2023, 5:18 Uhr

Emilie Schindler, die Witwe von Oskar Schindler, hatte im Zweiten Weltkrieg gemeinsam mit ihrem Mann 1200 Juden vor dem Tod gerettet. Foto: dpa

Mit einem Buchtitel aus den Fünfzigerjahren hatte Professorin Erika Rosenberg-Band ihren Vortrag überschrieben, den sie am Dienstag im Foyer der Chamer Berufsschule vor gut 150 Schülern hielt: Gegen das Vergessen unbesungener Helden - Emilie und Oskar Schindler. Das Besondere: Sie war die beste Freundin von Emilie Schindler, begleitete sie bis zu ihrem Tod.

Das Interesse an der Geschichte des Ehepaars, das 1200 Juden als Beschäftigte in ihren Firmen in der Nazizeit das Leben rettete, war so groß, dass die Organisatorin, Deutschlehrerin Julia Wingert, einigen Schülern absagen musste. Selbst vom Schulberg kamen Gruppen gelaufen, so dass am Ende über 150 Berufsschüler den Worten der Professorin lauschten. Und nicht nur das - Erika Rosenberg-Band versuchte immer wieder die jungen Erwachsenen durch Fragen ans Publikum oder durch ihre Appelle zu Wortmeldungen mit einzubinden.

Die Rolle von Emilie Schindlers

Leben:Flucht:Buch:Kontraste:
Sie berichtete aus ihrem eigenen Leben, erzählte , dass der Vater Jurist in Berlin gewesen sei, die Mutter Ärztin in Hamburg. Bis das die Gesetze der Nazis Berufsverbote gebracht und die Eltern 1936 zum Auswandern gebracht hätten. Nur Paraguay und die Dominikanische Republik hätten Flüchtlinge aufgenommen, die USA etwa hätten ein Einreiseverbot für diese Menschen gehabt.Von Paraguay seien die Eltern dann ein zweites Mal über 1600 Kilometer per Anhalter ohne spanische Sprachkenntnisse weiter nach Argentinien geflohen. Sie fragte die Schüler, wo der Unterschied zu den heutigen Flüchtlingen und ihren Schicksalen sei: „Der Mensch hat noch immer nicht gelernt!“ Sie sei dann 1951 in Buenos Aires geboren worden.1990 habe sie als Historikerin ein Buch über die Auswanderung schreiben wollen. Dadurch habe sie von Schindlers erfahren, die 1949 nach Argentinien auswanderten. Damals habe nur noch Emilie Schindler in Buenos Aires gewohnt, die sie 1990 kennengelernt, zahllose Gespräche mit ihr geführt und sie bis zum Tod 2001 begleitet habe.Oskar Schindler kam aus Mähren und war ein Lebemann. Emilie Schindler war das Gegenteil, aufgewachsen auf einem reichen Hof und eine Klosterschülerin. Und auch wenn die Ehe gescheitert sei, so Rosenberg-Band Oskar Schindler lebte ab 1957 allein in Deutschland sei sie doch nie geschieden worden, wie von Spielberg und der Filmfirma später behauptet.

„Sie hatte nicht einmal eine Nebenrolle im Film“, erinnerte Erika Rosenberg-Band. Dabei habe sie mindestens ebenso dazu beigetragen, die Menschen zu retten, war von 1939 bis 1945 immer vor Ort. Das weiß die Historikerin genau. Zahlreiche Gespräche hat sie mit Emilie Schindler geführt, Dokumente eingesehen und auch mit 22 Überlebenden, die Schindlers vor dem Tod retteten, gesprochen. Zahlreiche Stunden an Aufzeichnungen von Gesprächen hat sie archiviert.

Alle Menschen sind gleich

Gleich zu Beginn gab sie ihre erste von einigen Botschaft an die Berufsschüler weiter: „Ich sage Menschen, nicht Juden.“ Es sei egal, welche Religion einer habe, welche Nationalität oder welche Hautfarbe - alle Menschen seien gleich. Eine zweite Botschaft schloss sich gleich an: Wolle man etwas erreichen, müsse man immer dranbleiben. Nur so habe sie Emilie Schindler ausfindig gemacht.

Auch eine finanzielle Beteiligung Emilie Schindlers am Erfolg von Spielbergs Film gab es nicht. Der Film habe nur Verluste gebracht, zudem habe sie kein Anspruch, weil sie geschieden gewesen sei, schrieb ihr die Filmfirma, was aber nicht stimmte. Eingeladen nach Jerusalem zur Filmgala sei Emilie Schindler nicht einmal begrüßt worden. Doch ein Mann, ein Überlebender, habe ihre Freundin erkannt und ihr von Herzen gedankt: „Sie waren unsere Mutter. Sie haben uns gerettet!“

Fehler im Film

Auch die Dramaturgie brachte manchen Fehler in den Film. So überreichten die Arbeiter Schindler nach der Rettung im Mai 1945 einen goldenen Ring zum Dank. „Für solche Arbeiten gab es gar keine Zeit in den Firmen“, so Prof. Rosenberg-Band. Oskar Schindler sei ein Lebemann gewesen, der seine Frau belog und betrog. Er habe nach der Heirat 1927 nicht gearbeitet, sondern von der Mitgift seiner Frau gelebt. Man müsse nicht anständig sein, um anderen das Leben zu retten, so die Referentin - und als Merksatz für die Jugend: „Jeder von uns kann Großes leisten!“

Abtreibung als einzige Lösung

Seine Kontakte halfen Schindler auch, aus dem Gefängnis zu kommen. Dorthin war er auch wegen dunkler Geschäfte und auch wegen Bevorteilung von jüdischen und polnischen Arbeitern gekommen. Emilie Schindler habe etwa einer schwangeren Arbeiterin geholfen. Denn Kinder unter 14 Jahren wurden getötet. So hatten alle Frauen Angst vor Schwangerschaft. Die einzige Lösung sei die Abtreibung gewesen, auch wenn Emilie Schindler das sonst ablehnte. Man habe nie offen nett zu den Gefangenen sein dürfen, habe ihr Emilie erzählt. Selbst als sie eine Zigarettenkippe wegwarf und ein Jude sie weiterrauchte, sei sie von einem SS-Mann beschimpft worden wegen angeblicher Begünstigung.

Berufsschulleiter Siegfried Zistler hatte seine Schüler bei der Begrüßung an die eigene Geschichte in deren Familien erinnert. „Meine beiden Opas sind damals gefallen“, sagte er. Wer damals Jude gewesen sei, habe Pech gehabt. Er schlug den Bogen zum aktuellen Ereignis in Halle. Es gelte, aus der Geschichte zu lernen.