Menschen Fürsorge ist das größte Geschenk
Hildegard Buhmann aus Tiefenbach ist 97 Jahre alt. Sie erzählt, was sich zu Weihnachten verändert hat und was wichtig ist.

Tiefenbach.Weihnachten früher... – Für Hildegard Buhmann ist das nicht nur ein „früher“. Es gibt das aus ihrer Kindheit im Sudetenland und das andere in den Jahren als Frau eines Hausarztes. Da verlief das Weihnachtsfest mitunter ganz und gar nicht still und besinnlich unter dem Christbaum.
Und zwar nicht nur dann, wenn ihr Mann Walter, der ab 1973 die Allgemeinarztpraxis in Tiefenbach führte, Bereitschaft hatte. „Die Leute sind immer gekommen, die wollten lieber zu ihrem Arzt“, schildert Hildegard Buhmann. 97 Jahre ist sie mittlerweile alt, und auch, wenn ihr das Alter mittlerweile die ein oder andere Einschränkung auferlegt: Wenn sie erzählt, ist davon nichts zu merken.
Es ist kurz vor Weihnachten, Helga Adlhoch ist zu Besuch. Jeden Tag, mindestens einmal, schaut die Seniorenbeauftragte der Gemeinde (und damit in dieser Funktion Buhmanns Nachfolgerin) vorbei. Sie kümmert sich um die gelernte Krankenschwester, kauft ein, spielt Chauffeur, kümmert sich um Essen und Pflege, kurz darum, „dass es ihr gut geht“.
Helga Adlhoch hat früher in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Buhmanns gewohnt, ihr Mann hat ein ums andere Mal geholfen, den Schnee beiseite zu schaffen, damit Dr. Walter Buhmann – der 1988 starb – zu einem Patienten „ausrücken“ konnte.

Der Hinweis auf „viel mehr Schnee früher“ ist es auch, der Hildegard Buhmann zurückdenken lässt an die Kindheit in Bohumín (deutsch Oderberg). Während zuhause nämlich alles vorbereitet wurde, „wurden wir Kinder zum Schlittenfahren geschickt“. Zwar war Hildegard Buhmann Einzelkind, den Nachbarskindern ging es aber ähnlich. Vor fünf Uhr habe sie nicht zurückkommen brauchen, erzählt sie. Dann stand erst noch Baden an. Ihr Vater war es schließlich, der vorgab, am Fenster etwas gehört zu haben. „Hast du’s gesehen, jetzt ist das Christkind rausgeflogen?“ – So leitete ihr Vater, ein „begnadeter Märchenerzähler“, die Bescherung ein.
„Schnee hatten wir immer“, erinnert sich die Tiefenbacherin. Und dass der „Berg“, den sie damals heruntergerodelt sind, nur der Bahndamm war, stört im Rückblick nicht im Geringsten. Es sei immer schön und sehr feierlich gewesen, fasst die 97-Jährige die Weihnachtsfeste ihrer Kindheit zusammen. Diese standen unter dem Vorzeichen, dass sie in einem gut situierten Elternhaus aufgewachsen ist – ihr Vater leitete ein Stahlwerk. Oft wurde bei den Großeltern gefeiert, „da gab es dann Reisekörbe voller Geschenke“. Wessen Name ausgerufen wurde, der durfte vortreten und seines in Empfang nehmen.
Einsatz im Kriegslazarett
Aber die Tiefenbacherin kennt auch die grausame Seite: Krieg – sie war an der Front in Lazaretten eingesetzt – , Flucht und Vertreibung. Dies, gemischt mit der Erfahrung, dass ihre Wünsche als Kind erfüllt wurden („Ich hab’ gesagt, was ich wollte, Wunschzettel gab’s nicht“), begründete zeitlebens ihr Anliegen zu helfen. Ob Spenden für die Kinderklinik oder Engagement im Gemeinderat, beim Museumsaufbau oder für Senioren. Auch der Wunsch, Krankenschwester, „wird wohl damit zu tun haben“.

Zum Weihnachten in der alten Heimat gehörten Karpfen, Kerzenlicht, Vanillekipferl und der Besuch der Christmette sowie die Gans am ersten Feiertag. Traditionen, die auch in Tiefenbach, wo die Mütter noch mit hingezogen waren, gepflegt wurden. Sie waren es auch, die unter den Feiertagseinsätzen ihres (Schwieger)Sohnes am ehesten zu leiden hatten. Hildegard Buhmann fungierte nämlich als Fahrerin, damit ihr Mann entlastet war, und war damit ebenso „schnell mal weg“. Man gewöhne sich daran, meint sie, dass alle Betroffenen die Unterbrechungen oder das ständige „Auf-der-Hut-Sein“ irgendwann nicht mehr störend empfanden. Eher schon unnötiges Ausrücken. Einmal sei ein als „schwerkrank“ gemeldetes Kind beim Eintreffen des Arztes quietschfidel herumgesprungen. Ein Jahr kam eine junge, der extrem übel war, die aber nur viel zu viel gegessen hatte.
Helga Adlhoch und ihr Engagement
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Seniorentreff
Zehn bis 20 ältere Mitbürger kommen zu den monatlichen Treffs, die Helga Adlhoch mit ihrem Team organisiert. Ratschen, Kaffee trinken, singen, „wir lassen es uns gut gehen “, beschreibt die Seniorenbeauftragte der Gemeinde. -
Kontaktpflege
Mindestens einmal im Jahr kümmert sie sich darum, dass die Tiefenbacher, die im BRK-Heim Waldmünchen leben, ihren Heimatort besuchen können. Oder sie bereitet ihnen im Heim ein paar schöne Stunden. -
Kümmerin
Wenn auch nicht so (zeit)aufwendig wie um Hildegard Buhmann kümmert sich die 72-Jährige doch um viele andere Senioren, schaut vorbei, hört zu, besorgt, hilft. -
Aktionen
In der 2017 eröffneten Tagespflege bringt sich Helga Adlhoch ebenso ein, organisiert beispielsweise Vorlesestunden. Auch Hildegard Buhmann hat sich daran schon beteiligt. -
Spenden
Der Erlös „ihres“ Flohmarkts beim Ferienprogramm kommt wohltätigen Zwecken zugute.
Forelle und ein Gläschen Sekt
Diesen heutigen Heiligen Abend wird Helga Adlhoch nach dem Kirchgang vorbei kommen. Sie ist froh, dass ihr Sohn diese Planung versteht und seinen Weihnachtsbesuch erst am 25. beginnt. Hildegard Buhmann begnügt sich mittlerweile mit dem Fernsehgottesdienst, zu viele Nebengeräusche machen es ihr „live“ schwer. Dann gibt es geräucherte Forelle und sicherlich ein Gläschen Sekt. „Zu dem kann ich nie Nein sagen“, gibt die 97-Jährige schmunzelnd zu. Hilft ja außerdem gegen niedrigen Blutdruck...
An früher denkt Buhmann eher und lieber nicht, „weil einem dann bewusst wird, dass man alleine ist“. Besonders deutlich wird das in diesem Jahr, nachdem ihre geliebte Hündin Jackie im Sommer gestorben ist.
Doch es gibt auch schöne Momente: Sonntags gehen die Frauen meist essen, drei bis vier Mal im Jahr gönnen sie sich einen Ausflug nach Waldmünchen, „zum Shoppen zur Alex“. Warum sollte eine ältere Frau nicht modisch gekleidet sein, fragt die 97-Jährige, als Helga Adlhoch das neue, festliche Outfit für den Heiligen Abend präsentiert, mit funkelnden Augen. Auch das ist der Glanz von Weihnachten.
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