Unterhaltung
Gruselige Zeitreise ins Mittelalter

Bei der Sagenwanderung lernten die Teilnehmer Chamerau von einer ganz anderen Seite her kennen.

06.10.2021 | Stand 16.09.2023, 0:11 Uhr
Vor dem großen Auftritt: die Darsteller der Sagenwanderungen der Theatergruppe 2021 −Foto: Hermann Schropp/Hermann Schropp

Die Mühen der Vorbereitung wurden reich belohnt. Die Resonanz bei der Sagenwanderung war für die Theaterfreunde überaus erfreulich. Teilnehmer jeden Alters fanden sich zu der Zeitreise in die Vergangenheit ein. Und die war unterhaltsam wie lehrreich mit den Spielszenen. Am Treffpunkt Bahnhof begrüßte Regisseurin Petra Oswald die Gäste.

Wer ans Mittelalter denkt, dem fallen meist Ritter und Burgen ein. Die spannendste Art, etwas über die Menschen einer Region zu erfahren, ist, in ihre Sagenwelt einzutauchen. In Chamerau sind es besondere Felsformationen, aber auch die dunkle Geschichte des Schlossbugls, die die Fantasie der Menschen beflügelten. Dass diese „sagenhafte Stimmung“ auch heute lebendig werden kann, wurde bei der Führung mit der Theatergruppe am Wochenende deutlich.

Die Mitwirkenden; Sagenerzählerin Apollonia: Ingrid Fersch; de zwoa Riesn: Martin Purschke und Manfred Purschke; Ritter: Ferdinand Thomas Heigl; Nachtwächter: Albrecht Michael Kurnoth; Müllerstochter: Verena Bauer; da Bsuffa Ma: Alexander Tannert; die Weiße Frau: Daniela Kirsch; Laternenträger und Toningenieur: Maxi Kirsch; die acht Schrazln: Hanna, Emma, Ida, Emma, Magdalena, Jana, Paula und Mona. Uta Tannert war die Erzählerin der Geschichte. Marion Purschke und Silke Kraus als Betreuerinnen der Schrazl machten die Sagen erlebbar.

Die Schattenseite

Dass nicht alles zur damaligen Zeit schön war, erzählte Apollonia Engelwurz den Zuhörern auf dem Schlossbugl: „De Ritter ham alles verspielt und versoffen, ein richtiges Lumpenpack sans gwesen. Die Leute hams ausgraubt und betrogen. So warns wirklich, de Herrn von Chamerau“. Zu den reichsten und angesehensten Geschlechtern im Oberen Bayerischen Wald zählten vom 11. bis 15. Jahrhundert die Ritter von Chamerau. Das weit verzweigte Geschlecht erscheint in den Turnier-Büchern 1019. Als ihren Stammsitz betrachten sie die ehemalige Burg Chamerau. Diese stand auf einem Hügel am Regenufer. Anfang des 14. Jahrhunderts war die Blütezeit der Chamerauer Ritter; sie hatten hohe Regierungsämter inne.

Im gemeindlichen Park am Wasserrad vor groben Granitsteinen hörten die Teilnehmer, dass es in Chamerau vor langer Zeit zwei Riesen gegeben haben soll: „Von de zwoa Riesen hat a jeder a Burg baut, der eine am Haidstein, der andere am Lamberg, und weils aber nur oa Werkzeug ghabt ham, hams des immer hin und her gworfa.“ – Bis sie eines Tages zu streiten begannen und mit den Werkzeugen aufeinander warfen. Ein paar Steine, die die beiden Riesen warfen, liegen heute noch im Regen, so Apollonia Engelwurz.

Weiter ging es am Regenufer nach Roßbach, wo früher eine Mühle stand. Zur selben Zeit hauste auf der Burg in Chamerau der Ritter Ferdinand, er war weithin der Schrecken im Bayerland. Doch liebte er nicht nur das Gold, er war auch den lieblichen Dirnen hold. Ritter Ferdinand hatte sein Auge auf die schöne Tochter des Müllers geworfen. Er beschloss, mit Gewalt zu nehmen, was er anders nicht bekam. Das Mädchen versuchte zu fliehen. Mit dem Ruf „Gott, Gnade meiner Seele!“ stürzte sich die Jungfrau in die Fluten. Doch war sie noch nicht gerettet, denn der Verfolger setzte ihr nach. Bald hörte sie hinter sich das Schnauben der Rösser und das Hohngelächter der wilden Schar. Mit einem Mal aber war alles still. Die Jungfrau sah weder Ritter noch Knappen, wohl aber eine lange Reihe ungestalter Felsblöcke vom Ufer bis über die Mitte des Flusses. Die Hand Gottes hatte strafend den Wüstling und seine Helfershelfer erreicht.

Auf dem Rückmarsch zur Pfarrkirche erschall ein Kanonenschuss. Apollonia zu den Besuchern: „Des is bestimmt a Warnschuss, mir müssen wieder ins Dorf zurück. Unsere Kanone hams 1955 vo Pocking kauft. Sie wird als Salutkanone hergenommen.“

„A großer Schatz“

Nachtwächter Albrecht Wächter erklärte den Wanderern die Pfarrkirche: „Schauts mal, da is a no a großer Schatz in da Kirche, des Prager Jesukind, des is a Kopie aus dem Karmelitenkloster in Prag. Leider ist nur noch der Kopf original, weil Diebe des Jesukind gestohlen haben, und auf der Flucht hams den Kopf da lassen.“ Apollonia: „Mei, du erzählst ja de interessanten Sachen gar ned, de Prager haben a Kopie vo ihrem Jesukind gmacht und auf an Wagen mit acht vorgespannte Stiere verladen. Dann hams de Stier angetrieben, und de san gelaufen, und genau in Chamerau sans stehbliem. Darum is des Jesukind da herin in da Kirche, weil des a Zeichen vo Gott war.“

In Richtung Schulhaus, da flitzen immer de mistigen Schrazl umananda. Als diese Schrazl wurden in diesem Jahr acht Mädchen erstmals in die Sagenwanderung aufgenommen. Sie legten sich mit der Sagenerzählerin Apollonia an. Auf dem Weg zur Stoaklammer kommt der Gruppe ein Betrunkener entgegen: „He ihr, geht’s ned weider. Stellts eich vor, i geh gestern vom Bäckerwirt hoam, naja so drei, vier Maß Bier hab i scho drunga ghabt, und dann geh i glei da hinten no a paar Meter weiter und denk ma nix Schlimms. Mittendrin kimmt da eine Furie daher, lange weiße Hoor und a wehendes Gwand hats ghabt. Mir is glei ganz anders worn.“ Apollonia: „Grad recht gschiehts dir, Saufbruada du greislicher.“

Die letzte Station der Sagenwanderung spielte sich im Pfarrhof ab. Hier wussten Nachtwächter Albrecht und Erzählerin Apollonia viel über seine Geschichte zu erzählen, die bis ins Jahr 1633 zurückgeht.

Regisseurin Petra Oswald war voll des Lobes über die Sagenwanderung und dankte allen Mitwirkenden. Abschließend lud die Theatergruppe zu „Speis und Trank“ ein. Alle, die heuer keine Karten ergattern konnten, können sich freuen: Die Sagenwanderungen werden im nächsten Jahr fortgesetzt. (che)