Rechtsserie Haben Mieter Anspruch auf Mietminderung?
Überwiegend lehnten Gerichte Forderungen der Mieter ab. Der Gesetzgeber hat versucht, für die Pandemie nachzujustieren.

Cham.Deutschland befindet sich im zweiten Lockdown. Im Mietrecht sind noch nicht einmal die Folgen des ersten Lockdowns gerichtlich geklärt, soweit es Streit zwischen Vermieter und Mieter gab. Die Gerichtsentscheidungen spiegelten eine bunte Meinungsvielfalt wieder. Überwiegend lehnten die Gerichte Forderungen der Mieter auf Mietminderung wegen Geschäftsschließung ab. Nur im Einzelfall gewährte die Rechtsprechung ein Minderungsrecht.
Fälle eines so genannten Wegfalls der Geschäftsgrundlage, die zu einer Vertragsanpassung führen, wurden meist auf extreme Ausnahmefälle beschränkt. Der Gesetzgeber hat – in der Öffentlichkeit kaum bemerkt – reagiert und versucht, die Situation nachzujustieren. Zum 31.12.2020 hat der Gesetzgeber mit Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB eine widerlegbare gesetzliche Vermutung aufgestellt, dass eine schwerwiegende Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt, wenn der Geschäftsbetrieb infolge staatlicher Maßnahmen untersagt oder erheblich beeinträchtigt ist.

Neuregelung ist gut gemeint, hilft Mietern aber kaum
Unklar ist, ob die Vorschrift auch Rückwirkung für Altfälle vor dem 1. Januar 2021 hat oder nur für den aktuellen Lockdown ab Januar 2021 gilt. Selbst dies hat der Gesetzgeber in seiner Eile nicht klargestellt. Mieter können sich aber kaum freuen. Letztlich wurde mit dieser Regelung nur versucht, Urteile der Gerichte abzuwenden, die aufgrund der Vorgängerregelung aus dem März 2020 der Ansicht waren, dass mit dem zeitlich befristeten Ausschluss des Kündigungsrechts des Vermieters wegen Zahlungsverzug eine abschließende Regelung getroffen worden sei. Nach dieser Auffassung hätte der Mieter keinerlei Anspruch.
Folglich bewirkt die gut gemeinte Regelung des Gesetzgebers nur, dass nun im Einzelfall zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage vorliegen. Offen bleibt, ob eine Mietanpassung nur in Härtefällen in Betracht kommt, in denen die Existenz des Mieters bedroht ist. Fakt ist, dass eine Vertragsänderung nicht automatisch bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen eintritt, sondern dass der Mieter mit dem Vermieter eine Änderung der Miete begehren muss und dann die Parteien sich einvernehmlich einigen müssen.
Serie: „Alles, was Recht ist“
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Hintergrund:
Unsere Serie „Alles, was Recht ist“ haben wir im Jahr 2017 wieder aufleben lassen – mit altbekannten und einigen neuen Autoren. Sie erscheint immer samstags im Landkreis-Teil. In einer Woche – in der Ausgabe vom Samstag, 20. Februar, – schreibt Nicole Bräu vom Verbraucherservice Bayern ihren nächsten Beitrag. Es geht um das Thema „Digitale Güter“ – Vertrieb, Widerruf und Handhabung.
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Autor: Dr. Andreas Stangl ist Anwalt der Kanzlei am Steinmarkt Kuchenreuter, Dr. Stangl, Alt PartGmbB.
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Fachgebiete: Andreas Stangl ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Miet- und WEG-Recht, außerdem Dozent bei der IHK und Fachbuchautor. Ende des Jahres erscheint sein Buch „Rechtssicher bauen und modernisieren“ beim Beck Verlag.
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Kontakt: Kanzlei am Steinmarkt Cham, (0 99 71) 8 54 00, E-Mail info@kanzlei-am-steinmarkt.de
Im Streitfall müssen beide Parteien vieles offenlegen
Gelingt die Einigung nicht, kann dies im Ausnahmefall sogar zu einem Kündigungsrecht führen. Letztlich ist im Streitfall ein Interessensausgleich vorzunehmen, insbesondere sind sowohl die finanzielle Situation des Vermieters als auch die des Mieters zu beleuchten.
Auf Vermieterseite sind nicht nur Investoren in der Immobilienbranche unterwegs, sondern so manches Objekt ist mit Krediten finanziert. Auch diese gilt es zu bedienen, da ansonsten das Thema nur auf die Banken verlagert wird. Umgekehrt muss der Mieter darlegen, ob und welche staatlichen Hilfen er beantragt bzw. bekommen hat.
Viele Fragen bleiben offen
Ebenfalls eine Rolle spielt es, ob und inwieweit er in der Lage ist, durch alternative Geschäftsfelder, sei es über Internet oder „Click and Collect“, Einnahmen zu erzielen. Ebenfalls zu prüfen ist, inwieweit der Mieter für weitere Lockdowns Vorsorge betreiben konnte durch alternative Vertriebswege. Hat er diese Möglichkeiten nicht genutzt, soll dies nach einigen Ansichten zu seinen Lasten gehen.
Fakt ist, dass die Neuregelung wieder neue Fragen aufwirft, aber letztlich in die richtige Richtung geht. Bei realistischer Betrachtungsweise sollten die Parteien die Situation nutzen und in die Werkzeugkiste der Vertragsgestaltung greifen. Denkbar sind Mietreduzierungen, Mietstundungen, Veränderung der Laufzeit des Vertrages und vieles mehr. Letztlich ist Kreativität gefragt.
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