Rechtsserie
Krieg lässt viele Lieferverträge platzen

Die Ukraine-Krise wirkt sich auf Firmen und Verbraucher im Landkreis Cham aus. Welche rechtlichen Folgen hat das?

02.04.2022 | Stand 15.09.2023, 6:18 Uhr
Christoph Treml
Krieg zählt ebenso wie z. B. Terroranschläge, Naturkatastrophen und Handelsembargos zu den klassischen Gründen in der Rechtsprechung für höhere Gewalt, erklärt unser Experte. Insbesondere bei Lieferungen aus der Ukraine berufen sich die zunächst vertraglich gebundenen Zulieferer auf höhere Gewalt, um den Verpflichtungen aus den Verträgen nicht mehr nachkommen zu müssen. −Foto: FADEL SENNA/AFP

Der Krieg in der Ukraine und die sich daraus ergebenden Folgen stellen die gesamte Welt vor schwierige Aufgaben. Unternehmen weltweit sind von diesem Konflikt indirekt durch Lieferengpässe, ausfallende Zulieferungen oder auch direkt durch die verhängten Sanktionen betroffen. Hierdurch wird die gesamte Wirtschaft geschwächt und in Mitleidenschaft gezogen.

Dies merken wiederum auch die Verbraucher, die feststellen müssen, dass plötzlich in den Supermärkten einzelne Produkte, wie z. B. Sonnenblumenöl, nicht mehr in gewohnter Menge zur Verfügung stehen, sondern knapp werden. Dies ist direkt zurückzuführen auf die ausbleibenden Lieferungen aus der Ukraine oder Russland. Oft haben die Zulieferer aus der Ukraine zwar bindende Verträge, welche jedoch durch den Krieg nicht erfüllt werden können. Diese berufen sich aktuell in vielen Fällen auf die sogenannte höhere Gewalt.

Was ist „höhere Gewalt“ im Sinne der Rechtssprechung?

Was ist höhere Gewalt? – Insbesondere bei Lieferungen aus der Ukraine berufen sich die zunächst vertraglich gebundenen Zulieferer auf höhere Gewalt, um den Verpflichtungen aus den Verträgen nicht mehr nachkommen zu müssen, ohne zu Schadensersatzzahlungen verpflichtet zu sein.

Als höhere Gewalt oder auch „Force Majeure“ bezeichnet die Rechtsprechung ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartender Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis. Voraussetzung ist regelmäßig, dass es sich um Ereignisse handelt, die von außen auf die Vertragsparteien einwirken und die von den Vertragsparteien bei der Vertragsgestaltung nicht bedacht worden sind. Wenn in einem solchen Fall auch die höchstmögliche Sorgfalt den Eintritt der Ereignisse nicht zu verhindern vermag, liegt höhere Gewalt vor. Die Grundsätze hierzu wurden durch den Bundesgerichtshof in einer bereits älteren Entscheidung festgelegt (BGHZ 100, 157).

Unsere Serie
„Alles, was Recht ist“ haben wir im Jahr 2017 wieder aufleben lassen – mit altbekannten und einigen neuen Autoren. Sie erscheint immer samstags im Landkreis-Teil unserer Lokalzeitungen. In einer Woche – in der Ausgabe vom Samstag, 9. April, – schreibt Rechtsanwalt Georg Kuchenreuter seinen nächsten Beitrag. Es geht um das Thema Arbeitnehmerüberlassung.Autor: Rechtsanwalt Christoph Treml ist Partner der Kanzlei T & P Treml und Partner mbB aus Cham.Fachgebiet: Christoph Treml ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie Bank- und Kapitalmarktrecht. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der Beratung zu arbeitsrechtlichen sowie insolvenzrechtlichen Fragestellungen.Kontakt: T & P Treml und Partner mbB, Rosenstraße 8, Cham, (0 99 71) 99 69 90, Mail cham@tp-partner.com , www.tp-partner.com

Krieg entbindet Vertragspartner von der Lieferpflicht

Krieg zählt ebenso wie z. B. Terroranschläge, Naturkatastrophen und Handelsembargos zu den klassischen Gründen in der Rechtsprechung für höhere Gewalt.

Was passiert bei höherer Gewalt? – Wenn eine höhere Gewalt vorliegt und eine Vertragspartei deswegen seiner Verpflichtung aus einem Vertrag, wie z. B. der Lieferung von bestimmten Produkten oder Waren, nicht nachkommen kann, führt dies dazu, dass der Verpflichtete von seiner Lieferpflicht frei wird und für die Nicht-Lieferung keine Haftung übernehmen muss. Er haftet also nicht auf Schadensersatz, sondern kommt sozusagen aus dem Vertrag „frei“. Da durch den Krieg in der Ukraine viele ukrainische Unternehmen die Produktion einstellen mussten und vor allem Rohstoffzulieferer betroffen sind, führt dies zu einer erheblichen Störung der Produktionsabläufe aufgrund höherer Gewalt.

Auch Sanktionen wirken sich aus

Zu den Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland: Auch die Sanktionen gegen Russland haben erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft. Lieferanten aus Russland können nicht mehr bezahlt werden, bereits produzierte Ware kann nicht mehr ausgeliefert werden und Rohstoffe können nicht mehr eingekauft werden.

Sofern sich also eine Vertragspartei auf höhere Gewalt beruft, ist genau zu prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, ob es dazu vertragliche Regelungen gibt und welche Rechtswirkungen zu erwarten sind.