Studentin aus Cham
Majas Angst auf dem Uni-Heimweg

Kolumnistin Maja Schoplocher erzählt von einem Ort, an dem sie jeden Tag vorbei muss. Und wie ihr Papa geholfen hat.

09.01.2022 | Stand 15.09.2023, 21:53 Uhr
Maja Schoplocher aus Cham berichtet nun von ihrem Studentenleben an der Uni Bayreuth. (Symbolbild) −Foto: Nicolas Armer/picture alliance / dpa

Hallöchen! Ich würde von mir selbst schon behaupten, dass ich eine selbstbewusste junge Frau bin. Denn ich habe keine Angst, für meine Meinung einzustehen, zu diskutieren. Und lange Zeit dachte ich, dass ich ziemlich furchtlos bin. Wo andere Angst vor Spinnen, Fröschen oder Schlangen haben, stehe ich nur unbehelligt daneben. Versteht mich nicht falsch, natürlich möchte ich ihnen nicht gerne in meinem Bett begegnen. Aber mit der Spinne Hugo an meinen Schreibtisch habe ich schon innige Freundschaft geschlossen. Schließlich haben wir zusammen sehr viel Zeit verbracht.

Und nun bin ich das erste Mal in meinem Leben wirklich aus dem gewohnten Umfeld ausgebrochen. Und auf einmal bin ich nicht mehr furchtlos. Im Gegenteil, ich habe Angst.

Jeden Tag gehe ich mit meinen Halbnachbarinnen zur Uni. Manchmal, wenn wir unterschiedliche Vorlesungen besuchen, kann es schon einmal vorkommen, dass ich abends um halb neun allein nach Hause gehen muss – im Dunkeln, unbeleuchtet. Während die Straße hell leuchtet, ist der Gehweg in Dunkelheit getaucht und unglücklich von der Straße durch Bäume und Gebüsch abgetrennt.

Gedenkkreuz für brutalen Mord

Ich weiß nicht, ob man in Cham besonders viele Nachrichten aus Bayreuth mitbekommt. Aber im August vergangenen Jahres wurde genau auf dieser Strecke ein junger Erwachsener von einem „Geisteskranken“, der nie gefasst worden ist, brutalst erstochen. Jeden Tag gehe ich an dem Gedenkkreuz vorbei.

Verflixt, ich habe einfach Angst, im Dunkeln allein von der Uni nach Hause zu gehen – obwohl ich in einer wohlbehüteten Welt wohne. Aber ich kriege das Gefühl nicht mehr aus mir heraus. Mein Dad ist der allerbeste. Er hat mir nämlich gleich eine Bauarbeiterlampe gekauft, und die ist so hell, dass man fast bis nach Cham sehen kann. Aber nur fast. Er versucht aus der Ferne, mir ein kleines Stückchen Sicherheit zu geben – ein bisschen wie früher, als ich auf seinem kuscheligen Bäuchlein schlafen durfte, nachdem ich einen Albtraum gehabt hatte.

Früher dachte ich immer, dass, wenn man groß und erwachsen ist, das Leben zwar nicht leichter wird, aber das Lebensgefühl ein anderes ist – dass ich mich wirklich erwachsen fühle. Doch der einzige Ort, an dem ich dieses Gefühl habe, ist an der Tankstelle. Schließlich kaufen Jugendliche kein Benzin für ihr Auto.

Nichtsdestotrotz fühle ich mich am Heimweg im Dunkeln kleiner als jemals wirklich zuvor. Das Leben, in dem ich ein großes Abenteuer sehe, verwandelt sich dann eher in Dunkelheit – weil ich einfach gerade lerne, was Angst eigentlich ist.

Wunderbare Freundinnen gefunden

Aber ich will nicht so enden – im Negativen. Denn ich habe hier wunderbare Freundinnen gefunden (und sie natürlich während der Vorlesung überredet, meine Kolumnen zu lesen). Ich habe eine Freundin gefunden, die nur ein Stockwerk unter mir wohnt und mir auch mal Salatdressing leiht oder gar mit mir kocht, wenn wir beide etwas Gesellschaft gebrauchen können. Und Ikea-Möbel-erprobt sind wir auch schon.

Eine weitere Freundin hat mir beigebracht, wie schön ein Weißweinabend sein kann – und wie gut Crêpes vom inoffiziellen Vorweihnachtsmarkt sind. Außerdem hat sie ihren persönlichen Fahrer, der ab und zu uns Mädels herumkutschiert (hoffentlich bezahlt sie ihn gut). Und auch wenn hier die Welt nicht rosarot ist, habe ich eine kleine Heimat gefunden. Und deshalb leuchtet mein Herz jedes Tag ein kleines bisschen – gegen diese Dunkelheit.

Elefantastische Grüße, Eure Maja