Heimat
Oberndorfer Haus-Geschichten

Als der kleine Ort bei Miltach noch eine Tankstelle hatte. Das Wirtshaus erlangte seinerzeit eine ganz besondere Bedeutung.

21.03.2021 | Stand 16.09.2023, 3:52 Uhr
Oberndorf aus der Vogelpersektive um 1957: Links ist die Tankstelle zu erkennen. −Foto: Repro: KVG

Im Jahr 1957 beflog ein Helikopter eines Münchner Flugunternehmens Teile des Altlandkreises Kötzting. Dabei entstanden aus heutiger Sicht interessante Fotos von Dörfern und Einzelgebäuden. So auch in Oberndorf bei Miltach, wo vier Anwesen abgelichtet wurden. Bei dem linken Gebäude auf dem Bild handelt es sich um das landwirtschaftliche Anwesen von Johann Früchtl, rechts vorne erweitert Gottfried Heigl gerade sein Haus an der Hauptstraße.

Gegenüber befindet sich am Ortseingang das um 1936 erbaute Geschäftshaus von Berta und Franz Xaver Steinbauer, für damalige Verhältnisse ein stattliches Gebäude. Im Verkaufsladen gab es neben Lebensmitteln auch einfache Werkzeuge, Küchenherde, Haushaltsgegenstände und Fahrräder. Daneben betrieb der Schlossermeister, der vom nahen Eichelhof stammte, eine Werkstätte für Installation und Spenglerei. Um 1950 kam sogar eine Tankstelle dazu, die Benzin der Marke „Deltin“ vertrieb.

Das rechte Gebäude gehörte der Familie Münch, dessen Besitzername sich bis auf das Jahr 1670 zurückverfolgen lässt. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg entstand durch einen Anbau (im Bild rechts) ein geräumiger Tanzsaal, der bis etwa 1980 auf die Jugend aus einem großen Einzugsbereich eine starke Anziehungskraft ausübte. Die ältere Generation wird sich noch an die Auftritte der Sunny Boys erinnern, die der Oberndorfer Johann Vogl leitete. Im Jahr 1977 führte der neue Besitzer Josef Prescha das Lokal als „Tanzcafé B 85“. Nach einem erneuten Besitzerwechsel versuchte sich für kurze Zeit darin noch eine Pizzeria, die jedoch bald wieder schloss.

Der Wirt von Oberndorf hatte neben der Eigenschaft als Gasthaus eine weitere, nämlich amtliche Funktion. Schon um 1880 ließ sich hier der Amtstierarzt die Hunde vorführen, um sie auf die gefürchtete Hundswut zu untersuchen. Hier fanden auch die Amtstage des Bezirksamtes statt. Weiter diente das sogenannte Amtszimmer auch als Abstimmungsraum bei politischen Wahlen. Sogar als Impflokal für Schulkinder wurde es genutzt.

Größte Bekanntheit erhielt die Lokalität in der Zeit von etwa 1949 bis 1960, als sich hier die Arbeitslosen aus dem Bereich von Chamerau bis Harrling wöchentlich bei den Angestellten des Arbeitsamtes persönlich melden mussten. Einmal kamen sie zum Stempeln, das heißt, sie erhielten einen Stempel in ihre Dokumente, und damit waren sie beim Zahltag zugelassen. An diesem Tag ging es verständlicherweise hoch her, gerade in den Wintermonaten, wenn hundert arbeitslose Männer ihr Geld ausbezahlt bekamen und manche einen Teil davon gleich in Bier umsetzten.

Das alles ist Vergangenheit. Im Jahr 1994 erwarb die Malerfirma Zollner aus Miltach die Anwesen Steinbauer und Münch. 2011 dann verschwanden die beiden Gebäude, sie wurden abgerissen. Auf dem gesamten Areal befindet sich nach seiner Eröffnung im November 2012 ein Landtechnik-Zentrum der BayWa. (kvg)