Tipps für Arbeitnehmer
Rechts-Experte: Anordnungen des Arbeitgebers befolgen

19.06.2022 | Stand 15.09.2023, 4:42 Uhr
Georg Kuchenreuter
Ein Arbeitnehmer dokumentiert laut Weisungsrecht seine Arbeitszeit. −Foto: Sina Schuldt/dpa

Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, auch Weisungsrecht genannt, hat im Zuge des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine wichtige Funktion. Deshalb sollten sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer den Inhalt und die Grenzen dieses Weisungsrechts kennen.

Erstmals mit dem zum 1. April 2017 neu eingefügten § 611a BGB wurden der Arbeitsvertrag und das damit verbundene Direktionsrecht des Arbeitgebers gesetzlich geregelt. Durch den Arbeitsvertrag ist der Arbeitnehmer im Dienst eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. § 611a Abs. 1 S. 2 BGB umschreibt, dass sich die Weisungen des Arbeitgebers auf Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit beziehen können, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem anwendbaren Tarifvertrag nichts anderes ergibt.

Das Direktionsrecht ist zudem in § 106 GewO geregelt: Danach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeit nach billigem Ermessen selbst bestimmen, es sei denn, es gibt vorrangige Regelungen im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder in einem anzuwendenden Tarifvertrag.

Der Arbeitgeber kann den Lohn nicht einseitig herabsetzen

Der Arbeitgeber kann die im Arbeitsvertrag häufig nur allgemein umschriebenen Leistungspflichten des Arbeitnehmers, insbesondere nach Art, Ort und Zeit, einseitig näher festlegen. Dazu gehört auch die Verlängerung der Arbeitszeit aufgrund eines hohen Arbeitsanfalls (Anordnung von Überstunden).

Der Arbeitgeber kann aber auch einseitig Regelungen hinsichtlich des Verhaltens und der Ordnung der Arbeitnehmer im Betrieb festlegen. Er kann z.B. ein Alkoholverbot anordnen oder Regeln zum Radiohören, zum Fernsehen, zum Mitbringen von Tieren etc. treffen.

Das Weisungsrecht erstreckt sich aber nicht auf wesentliche Bestandteile des Austauschverhältnisses. Dazu gehört die Höhe des Entgelts und der Umfang der geschuldeten Arbeitszeit.

Der Arbeitgeber kann also nicht einseitig den Lohn herabsetzen oder die regelmäßige Arbeitszeit erhöhen oder verringern. Zudem muss der Arbeitgeber die Ausübung des Direktionsrechts nach billigem Ermessen durchführen; er muss also die wesentlichen Umstände des konkreten Falles abwägen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen. Dazu müssen die Vorteile aus der beabsichtigten Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse sowie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen berücksichtigt werden. Allerdings bleibt dem Inhaber des Bestimmungsrechts (Arbeitgeber) nach § 106 S. 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum, BAG vom 27.04.2021 Az. 9 AZR 343/20.

Wann ist der Arbeitnehmer an Weisungen gebunden?

Je detaillierter die einzelnen Regelungen des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag erfolgt sind, desto weniger Möglichkeiten hat der Arbeitgeber, diese arbeitsvertraglichen Regelungen einseitig durch das Weisungsrecht zu verändern.

Ist im Arbeitsvertrag der Ort der Arbeitsleistung nicht festgelegt, unterliegt ein zusätzlich im Arbeitsvertrag enthaltener Versetzungsvorbehalt keiner gesonderten Inhaltskontrolle, und es ergibt sich die Zuweisung des Arbeitsortes durch den Arbeitgeber aus dem allgemeinen Direktionsrecht.

Ist eine Weisung des Arbeitgebers nicht von seinem Direktionsrecht gedeckt, ist der Arbeitnehmer daran nicht gebunden, und der Arbeitgeber muss Annahmeverzugslohn leisten, das bedeutet, dass der Arbeitgeber den Lohn zahlen muss, ohne dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt.

Will der Arbeitgeber eine Weisung, die von seinem Direktionsrecht nicht erfasst ist, durchsetzen, bleibt ihm nur die Möglichkeit, eine Änderungskündigung auszusprechen.

Für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer bedeutet das, dass die für sie wesentlichen Fragen im Arbeitsvertrag möglichst konkret geregelt werden sollten, um einen möglichen späteren Streit zu einzelnen Fragen der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden.

Das ist unser Experte

Autor:Georg Kuchenreuter ist Anwalt in der Chamer Kanzlei am Steinmarkt, Kuchenreuter, Dr. Stangl, Alt PartGmbB.

Fachgebiete:Kuchenreuter ist Fachanwalt für Familienrecht und Arbeitsrecht sowie Mediator.

Kontakt:Kanzlei am Steinmarkt Cham, (0 99 71) 8 54 00, E-Mail info@kanzlei-am-steinmarkt.de, www.kanzlei-am-steinmarkt.de