Menschen
Schwester Jubilata und der Schmerz

Das „Haus der Begegnung“ im Kloster Strahlfeld lädt zum Erholen ein – auch wenn ab und zu ein Schrei ertönt.

05.03.2017 | Stand 16.09.2023, 6:32 Uhr
Diese Frau hat keine Berührungsängste: Schwester Jubilata hat sich der Schmerzlinderung verschrieben. Ihr Werkzeug: Ein spitzes Stäbchen. −Foto: Lanzl

Eingebettet in Wald, Wiesen und Felder liegt das Kloster abseits von Hast und Hektik. Ideal zum Entspannen, Erholen und Auftanken. In der Geborgenheit dieser alten Mauern kann man in Seminaren, Kursen und an den sogenannten Einkehrtagen zu sich finden und ungewohnte Wege gehen. Zwischen Kneippbecken, Bienenhaus und dem Kräutergarten seine eigene Mitte wieder finden. Das Kloster bietet sozusagen Wellness für die Seele und den Geist. Offen und freundlich. Man meint fast, die Sonne scheint hier besonders warm und hell. Nichts zu spüren vom Klischee erdrückender Gänge, beklemmender Enge und düsterer Atmosphäre. Es ist ein Haus des Lichts, ein Haus der Wärme und seit 2003 auch ein Haus der Begegnung für jedermann.

38 Jahre Lehrerin in Simbabwe

Eines dieser Lichter, die das Kloster so besonders erstrahlen lassen, ist sicher auch Schwester Jubilata. Ihr Ruf eilt ihr mittlerweile über die Grenzen des Landkreises Cham voraus. Mit ihren Kursen zur Fußreflexzonenmassage hat sie sich eine große Fangemeinde geschaffen. Schwester Jubilata ist ein wahrer Bestseller und hat keine Werbung nötig – ihre Kurse sind fast gänzlich bis 2018 ausverkauft. Sie hat den Dreh gegen fast alle Schmerzen raus, ist ein wahres Naturphänomen – von der sonnigen Grenze der Schweiz, da wo man Schwyzerdütsch spricht. „Aber das kann ich bei den Kursen nicht sprechen, da würde mich keiner verstehen“, lacht die tatkräftige Schwester. Dafür hat sie sich einen charmanten und verständlichen schwäbischen Dialekt angewöhnt.

Reflexzonenmassage als Heilmethode entdeckt

In dieser Situation entdeckt die findige Jubilata die Fußreflexzonen als Schlüssel zum gesamten Körper. Im wahrsten Sinne fußend auf den Thesen von Dr. W. H. Fitzgerald, dem Begründer der Zonentherapie, hatte Eunice D. Ingham die Behandlung wesentlich weiter entwickelt. Das setzte Schwester Jubilata erfolgreich bei den Kranken um – erst in Afrika, seit 2003 im Kloster Strahlfeld. Seitdem laufen ihr die Menschen die Türe ein.

Trotzdem nimmt sie sich für jeden Patienten Zeit, hat ein Ohr für die gesundheitlichen Probleme, den richtigen Griff für den Fuß und den Menschen, der daran hängt. Denn wie sagt ein altes Sprichwort: „Am großen Zeh, da hängt das Leben!“

Das hat die Schwester selbst konzipiert, „weil für manche Punkte meine Finger einfach zu dick sind.“

Ihre Patienten schreien freiwillig vor Schmerzen

Schon hat sich beim abendlichen Kurs in Zeitlarn eine Frau freiwillig gemeldet: Sie möchte von den Händen der Schwester „geheilt“ werden. Die Hüfte schmerzt sie seit fast zehn Jahren. Schwester Jubilata fühlt erst sanft mit den Fingern, dann kommt das gefürchtete Hölzchen zum Einsatz – die Frau bäumt sich vor Schmerz. „Da haben wir das richtige Knöpfle gefunden! Das müssen wir jetzt putzen, putzen, putzen!“ Gern lässt sich die Freiwillige weiter malträtieren – wenn es nur hilft! Schwester Jubilata gibt ihr zwei Kuscheltiere zum Drücken in die Hand und ist zuversichtlich. Sie prognostiziert, dass die Blockade in der Hüfte bald behoben ist.

Ein paar Hausaufgaben sind zum Beispiel bei der Volkskrankheit Hallux Valgus nötig. Fast jede dritte Frau über 50 hat damit Probleme. Auch hier kann man mit konsequenten Übungen abhelfen. „Es muss nix operiert werden,“ ereifert sich die engagierte Schwester. Sie hat schon zahlreichen Patienten wieder zu einem schmerzfreien Fuß mit normalen Proportionen verholfen.

Der Fuß als Schaltzentrale

Freilich geht das nicht von heute auf morgen. „Bis zum Wetterbericht“, schmunzelt die Referentin auf die Frage, wie oft und wie lange man den Fuß dazu denn massieren muss. Soll heißen: Eine Nachrichtenlänge täglich. Der Fuß ist die Schaltzentrale unseres Körpers – zumindest in den erfahrenen Händen der Dominikanerin. Auch ein Herr fasst sich den Mut und kommt zur energischen Dozentin, um sich helfen zu lassen.

Mit einem riesigen Infopaket gehen die Kursteilnehmer nach Hause. Wer brav übt, darf in einem viertel Jahr zu einem Wochenendkurs ins Kloster kommen – vorausgesetzt, er hat sich rechtzeitig einen Platz reserviert. Während die Teilnehmer noch über die unterschiedlichen Schmerzpunkte, Blockierungen und Wehwehchen diskutieren, fährt Schwester Jubilata über 50 Kilometer zurück ins Kloster Strahlfeld. Ihr Tag hat um halb sechs Uhr begonnen ein ganz normaler Arbeitstag – trotz hartnäckiger Erkältung. Woher nimmt sie mit über 70 noch diese Kraft? Es muss wohl am richtigen Energiepunkt am Fuß liegen.

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