Kultur
Verena Stoiber gewinnt den Ring Award

Ein Gespräch am Further Drachensee mit der 34-Jährigen, die kürzlich bei dem internationalen Wettbewerb für junge Opernregisseure erfolgreich war

17.06.2014 | Stand 16.09.2023, 7:23 Uhr
Claudia Nürnberger

Verena Stoiber macht einen Zwischenstopp in ihrer Heimat und unterhält sich am Drachensee mit Claudia Nürnberger. Foto: cnc

Auf den ersten Blick ist sie die quirlige Kleine aus der Nachbarschaft geblieben. Sie streicht sich noch immer mit der ihr typischen Handbewegung die blonde Haarsträhne hinters Ohr. Verena Stoiber macht auf ihrem Weg zwischen Graz und Stuttgart Zwischenstopp in der Heimat. Die 34-Jährige hat neben mir auf einem warmen Stein der Seetribüne Platz genommen, und ich spreche mit ihr über „A“ bis „Z“.

Antrieb: Was gab Dir den Ansporn, Dich dem Musiktheater zu verschreiben?

Von der Musiktheaterwelt geht eine ganz besondere Magie und Kraft aus. Als ich 19 Jahre alt war, habe ich mein erstes Praktikum an der Oper in Nürnberg gemacht und war sofort Feuer und Flamme.

Beruf(ung): Ist dies ein Stück weit auch Berufung?

Nein – so spirituell bin ich nicht veranlagt. Ich würde eher sagen, es ist ein Beruf, der sehr viel Leidenschaft und Engagement erfordert.

Chaos: Du sagst,Du liebst das Chaos.

Ich brauche eine gewisse Reizüberflutung, damit ich mich nicht langweile.

Drachenstich: In jungen Jahren warst Du stark ins Drachenstichgeschehen eingebunden. Kennst Du das neue Stück, den neuen Drachen und wie findest du den „Neuen Drachenstich“?

Der Drachenstich hat mich fasziniert seit ich denken kann. Als Kind habe ich keine Aufführung verpasst und konnte alle Texte auswendig. Ich habe durch meine Further Familie sehr viel mitbekommen: Mein Opa, der Hackl Schorsch, hat jahrzehntelang den Umzug organisiert. Meine Tante Rosi war Ritterin. Onkel Hans stellte mit Tante Christl das Ritterpaar dar und hat anschließend jahrelang den Sattelpogner gespielt. Leider hatte ich noch nicht die Gelegenheit, mir den neuen Drachen und das neue Stück anzusehen.

Emotionen: Diese hältst Du in Schach. Was muss passieren, damit Dein Vulkan explodiert?

Ich bin großer Fußballfan. Ich denke, dass es bei der WM zu zahlreichen Ausbrüchen kommen wird.

Freischütz: Als Ring-Award-Finalistin musstest Du den zweiten Akt der Oper Freischütz inszenieren. Was meinst Du gab den Ausschlag, dass die Jury für Dein Team gestimmt hat?

Wir haben Teile aus dem ersten Akt mit dazu genommen, um eine richtige Geschichte erzählen zu können. Zudem haben wir mit den Sängern viel an ihren Charakteren gearbeitet, so dass sie diese auf ergreifende und berührende Weise verkörpern konnten.

Großväter: Durch sie wurdest an die Theaterwelt herangeführt. Wie ist das zu verstehen?

Meine beiden Großväter haben Laientheatergruppen geleitet. Das hat mich schon als Kind sehr fasziniert.

Heimat: Du bist in der ganzen Welt zu Hause – aber wo liegt Deine Heimat?

Der Bayerische Wald ist ganz klar meine Heimat. Meine Eltern wohnen dort, und ich bin dort geboren und aufgewachsen.

Insel: Welche drei Dinge würdest Du auf eine einsame Insel mitnehmen?

Drei Stephen King Bücher.

Jubel: Bei der Preisverleihung bliebst Du äußerlich ganz cool. Was muss denn noch passieren, damit Du in Jubel ausbrichst?

Da gibt es viele Anlässe. Zum Beispiel können tolle Sänger und Schauspieler bei mir große Begeisterung auslösen.

Künstler: Wie definierst Du diesen Begriff und somit Dich selbst?

Ich denke, dass die Besonderheit von Künstlerberufen darin liegt, dass Arbeit und Privatleben komplett miteinander verschmelzen.

Lampenfieber: Befällt diese „Berufskrankheit“ auch den Regisseur hinter der Bühne?

Natürlich! Und in diesen Momenten denkt man immer: „Gut, dass ich nicht auf der Bühne stehen muss!“

Musik: Opernmusik begleitet Dich in Deiner Arbeit tagtäglich. Bleibt da noch Raum für andere musikalische Vorlieben?

Ich kann klassische Musik nicht als Entspannungs- oder Hintergrundmusik hören und dazu tanzen möchte ich auch nicht unbedingt. Ich höre sehr gerne Blues und Jazz, aber auch Minimal Electronic und Reggaeton.

Neu-Inszenierungen: Im Wettbewerb hast Du Dir den Freischütz neu erschlossen. Skizziere kurz Deine Herangehensweise.

Das äußerlich prägnanteste Merkmal ist wohl, dass der Freischütz in meiner Inszenierung in einer Kirche spielt. Was die Personenführung betrifft, habe ich psychoanalytisch gearbeitet und versucht, die Tiefen einer jeden Figur herauszuarbeiten.

Oper: Hast Du Vorlieben für bestimmte Stücke?

Generell bin ich da natürlich sehr aufgeschlossen, liebe aber besonders die Werke von Wagner, Verdi und Richard Strauss

Perspektiven: Welche Perspektiven öffnen sich für Dich nach dem Gewinn in Graz?

Der eigentliche Gewinn des Ring Award enthält eine Inszenierung an der Oper in Graz. Zusätzlich haben wir in Form von Sonderpreisen noch Inszenierungen an der Deutschen Oper Berlin, am Badischen Staatstheater Karlsruhe und an der Staatsoper Nürnberg gewonnen. Das ist natürlich ein toller Einstieg.

Qualen: Was bereitet Dir Qualen?

Die Zusammenstellung meiner Steuererklärung – jedes Jahr aufs Neue.

Regie: Wann ist Dir klar geworden, Dass sich Dein Leben nicht auf der Bühne, sondern hinter der Bühne abspielen muss?

Bei Schauspielproben habe ich schnell gemerkt, dass es mir eigentlich mehr Spaß machte, die Kollegen zu inszenieren als selbst zu spielen. Ich habe dann angefangen, Regiehospitanzen am Sprech- und Musiktheater zu machen und festgestellt, dass dies der richtige Weg für mich ist. Daraufhin habe ich dann Regie studiert.

Stars: Dein Beruf bringt es mit sich, mit den „Großen“ der Opernbühnen zu arbeiten. Gibt es da Berührungsängste?

Für mich gibt es da wirklich überhaupt keine Unterschiede. Ich finde, man sollte grundsätzlich allen Menschen aufgeschlossen und respektvoll begegnen.

Traum: Welche Oper in welchem Haus würdest Du gerne mit welchen Darstellern inszenieren?

Den Ring in Bayreuth natürlich.

Unrast: Sobald es Deine Zeit erlaubt, bist Du irgendwo in der Welt unterwegs. Wohin führen Dich Deine vielen Reisen?

Meine Reisen führten mich bisher unter anderem nach Asien, Afrika sowie Zentral- und Südamerika.

Verdanken: Deine Erfolge sind die Früchte von Talent, Ehrgeiz und Fleiß. Wem oder was hast Du Deine Karriere noch zu verdanken?

Verdanken finde ich ein äußerst schwieriges Wort. Dankbar bin ich vielen Menschen, die mich immer unterstützt und inspiriert haben – allen voran wäre das in künstlerischer Hinsicht der Intendant der Stuttgarter Oper, Regisseur Jossi Wieler, von dem ich in den vergangenen Jahren viel gelernt habe.

Wahn: Nietzsches Satz „Es gibt einen alten Wahn, der heißt Gut und Böse“ war grundlegend für Deine preisgekrönte Freischützinszenierung. Liebäugelst Du auch sonst mit Nietzsches Philosophie?

Ich schätze Nietzsche sehr, hoffe jedoch inständig, dass ich mir persönlich ein positiveres Weltbild bewahren kann.

XYDie beiden mathematischen Unbekannten. Welche großen Geheimnisse dieser Welt würdest Du gerne ergründen?

Zeitreisen in die ferne Vergangenheit und Zukunft fände ich überaus spannend.

Ziel(e): Welche beruflichen und privaten Ziele gibst Du an dieser Stelle preis?

Ich bin überhaupt kein planender Mensch und lasse mich immer wieder gerne überraschen.